SPD-Schiedskommission Clement - Hannelore Kohls härtester Fall

  • von Tiemo Rink
Der SPD-Bundesvorstand will dafür sorgen, dass Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement nicht aus der Partei geworfen wird - das letzte Wort jedoch hat die Bundesschiedskommission.

Hannelore Kohl ist derzeit nicht zu beneiden. Sie ist die Vorsitzende der Bundesschiedskommission der SPD, der höchsten innerparteilichen Instanz, die über Parteiausschlüssen zu entscheiden hat. Das Besondere an ihrem Auftrag: Egal, ob ihre Kommission Wolfgang Clement in einigen Wochen aus der SPD ausschließt oder nicht - sowohl der rechte als auch der linke Flügel in der SPD werden das Urteil für sich nutzen. Nachdem Clement am Wochenende ein Kompromissangebot der auf seinen Rauswurf drängenden Ortsverbände ausgeschlagen hat, sieht es so aus, als fiele Hannelore Kohl die Aufgabe einer Restauratorin zu. Sie muss das Porzellan kitten, das in den letzten Monaten in der SPD zerschlagen wurde.

Hauptberuflich arbeitet die 1948 in Frankfurt am Main geborene Juristin als Präsidentin des Oberverwaltungsgerichtes sowie des Landesverfassungsgerichtes von Mecklenburg-Vorpommern. Obwohl Kohl bereits seit 2001 Vorsitzende der Bundesschiedskommission ist, machte sie bisher in dieser Funktion nicht besonders von sich reden. Zu unbedeutend sind die durchschnittlich fünf bis zehn Verfahren, die jährlich angestrengt werden. Meistens geht es um innerparteiliche Auseinandersetzungen auf kommunaler Ebene, Sozialdemokrat A drängt auf den Rauswurf von Sozialdemokrat B, verletzte Eitelkeiten, keine politischen Richtungskämpfe.

Die SPD-Bundesschiedskommission

Die Bundesschiedskommission setzt sich aus der Vorsitzenden und zwei Stellvertretern zusammen. Gemeinsam bilden sie den sogenannten Spruchkörper, der verbindlich gültige Beschlüsse fasst.

Hannelore Kohls Stellvertreter sind Roland Rixecker und Werner Ballhausen. Ballhausen war Mitarbeiter der späteren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin und ist seit 2002 Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege. Roland Rixecker ist Präsident des saarländischen Oberlandesgerichtes und ehemaliger Staatssekretär im dortigen Justizministerium.

Zusätzlich sind dem Spruchkörper vier Beisitzer zugeordnet, die als Stellvertreter einspringen, wenn die Vorsitzende oder ihre Stellvertreter verhindert sind oder als befangen gelten. Als Beisitzer im Verfahren gegen Wolfgang Clement fungieren Ilse Brusis, ehemalige Ministerin in Nordrhein-Westfalen unter Johannes Rau, Thomas Notzke, Richter am Verwaltungsgericht Weimar, Kristin Keßler, Ministerialdirigentin im baden-würtembergischen Wirtschaftsministerium sowie Johannes Risse, Referatsleiter im Wissenschaftsministerium von Nordrhein-Westfalen.

Außerdem wird Generalsekretär Hubertus Heil als Vertreter des Bundesvorstandes am Verfahren teilnehmen. Er soll - laut Parteichef Kurt Beck - das "Gesamtinteresse der SPD wahren", darf jedoch zumindest formell keinen Einfluß auf den Urteilsspruch nehmen.

"Kluge Frau, exzellente Juristin"

Im Verfahren gegen Clement ist das anders, umso wichtiger für Kohl, in diesen Tagen neutral zu wirken. Natürlich beantwortet sie keine Fragen zu ihrer Positionierung innerhalb der SPD. Sie muss um jeden Preis unparteiisch wirken. Ein salomonisches Urteil zu sprechen dürfte indes immer schwieriger werden. Viel zu sehr haben sich die unterschiedlichen Lager innerhalb der SPD ineinander verbissen.

Wolfgang Clement möchte auch weiterhin öffentlich sagen, was er will, auch wenn es sich gegen die Partei richtet, deren Mitglied er ist. Einen "Maulkorb" lasse er sich nicht verpassen. Auch die Clement-Kritiker langen kräftig zu: "Graf Rotz" nennt ihn der stellvertretende Landesvorsitzende der SPD in Nordrhein-Westfalen, Jochen Ott. Ungleich galanter erklärt ein sozialdemokratischer Landtagsabgeordneter aus Hessen den ehemaligen "Superminister" zum "Polit-Pensionär mit Hang zur Selbstüberschätzung". Hilflos versucht Parteichef Beck, die Situation zu beruhigen. Sein Appell zu "Besonnenheit und Verantwortung" fällt allerdings nicht auf fruchtbaren Boden. Stattdessen nutzt der bayerische Juso-Chef Thomas Asböck die Chance auf etwas Medienrummel und erkennt in Ex-Bundesinnenminister Otto Schily und dem Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin, zwei "Ekelpakete am rechten SPD-Rand". Asböcks weitere Empfehlung: Man könne die Beiden "Clement getrost gleich hinterherschmeißen".

Was soll Hannelore Kohl schon tun außer schweigen?

Hessischer Hintergrund

Begonnen hat Kohl ihre Karriere in der hessischen Justiz, in dem Bundesland, dessen sozialdemokratischer Landesverband im letzten Wahlkampf möglicherweise durch Clements Äußerungen geschwächt wurde. In Frankfurt arbeitete sie zunächst am Verwaltungsgericht und wechselte später an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof nach Kassel. Sie engagierte sich in der als "links" geltenden "Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen" und wurde Vorsitzende des hessischen Landesverbandes. Vor Ort ist sie nach wie vor wohlbekannt. Sozialdemokraten aus dem Umfeld Andrea Ypsilantis loben sie als "kluge Frau und exzellente Juristin". Persönliche Vorlieben zugunsten der von Clement scharf kritisierten Ypsilanti seien jedoch "selbstverständlich" auszuschließen.

Zur Verhandlung vor der Schiedskommission wird Wolfgang Clement nicht alleine erscheinen. Die Bundesschiedskommission ist eine juristische Instanz innerhalb der SPD. Wer vor Gericht angeklagt ist, hat das Recht auf einen Anwalt. Verteidigt wird Wolfgang Clement von Otto Schily, wie Clement ein Politiker mit einem ausgeprägten Hang zu griffigen Formulierungen. Clement aus der SPD auszuschließen habe - so Schily vor einigen Tagen - "suizidalen Charakter".

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Ein Job für die Mediatorin

Hannelore Kohl gilt als Mediatorin. Gegensätze auszugleichen, zwischen zerstrittenen Akteuren vermitteln und tragfähige Kompromisse erarbeiten, soll eine ihrer Stärken sein. Wolfgang Clement dürfte ihr härtester Fall werden.