Im Streit über die Haltung zur Partei Die Linke wird die Kluft innerhalb der SPD immer größer. Parteivize Peer Steinbrück warf seinem Vorsitzenden Kurt Beck Fehler im Umgang mit den Parteigremien vor. Die Parteilinke forderte eine neue Strategie im Umgang mit der Linkspartei. Der große nordrhein-westfälische Landesverband stellte sich indes geschlossen hinter Beck. Linke-Chef Oskar Lafontaine sprach sich mit Verweis auf das Programm der SPD gegen eine rot-rote Koalition auf Bundesebene aus, erhielt dazu aber Widerspruch aus den eigenen Reihen.
Nach Informationen des "Spiegel" wollen mehrere SPD-Politiker sogar Kurt Becks Kanzlerkandidatur 2009 verhindern. Finanzminister Peer Steinbrück, Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck und der ehemalige Parteivorsitzende Franz Müntefering wollen laut "Spiegel" Außenminister Frank-Walter Steinmeier als nächsten Kanzlerkandidaten durchsetzen.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück kritisierte Beck offen in einem Gespräch mit der "Frankfurter Rundschau. Loyalität zum Parteivorsitzenden sei zwar nötig, um eine Partei zu führen, sagte Steinbrück. "Unbenommen dessen muss eine solche Entwicklung intern besser kommuniziert und vorbereitet werden". Erneut wandte sich Steinbrück gegen jede Art von Zusammenarbeit mit der Linken in Hessen. Er halte es "aus Bundessicht und nach den prominenten Bekundungen vor der Landtagswahl für falsch, sich in Hessen von der Linkspartei auch nur dulden zu lassen". Der größte Teil der SPD-Wähler wolle nicht, dass die Linkspartei Einfluss auf die Politik in Hessen oder eines Tages in ganz Deutschland nimmt, sagte Steinbrück. Der Beschluss der SPD-Spitze, der hessischen Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti freie Hand für eine Duldung durch die Linke zu geben, sei "sicher keine abschließende Antwort auf den Umgang mit der Linkspartei". Die vorsichtige Öffnung stieß anschließend parteiintern auf erheblichen Widerstand. "Gestaltungsfähige Mehrheiten wird die SPD nicht durch die Orientierung hin zu irgendeinem Rand gewinnen, sondern in der Mitte", sagte Steinbrück der Zeitung. Der linke Flügel der Partei hatte sich zuvor demonstrativ hinter den derzeit krankgemeldeten Vorsitzenden gestellt.
Möglicher Wortbruch in Hessen
Der Vize-Sprecher der Parteilinken in der SPD, Niels Annen, erwartet auf dem bevorstehenden Parteirat eine ausführliche Debatte über den Umgang mit der Linkspartei. Bislang gebe es noch keine Strategie, wie mit der Konkurrenz am linken Rand zu verfahren sei, sagte Annen der "Rheinpfalz am Sonntag". Ausgrenzung und Dämonisierung hätten nicht funktioniert. Innerhalb der SPD müsse für die nächsten Landtagswahlen Klarheit geschaffen werden.
Die SPD-Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, sagte den "Ruhr Nachrichten", ihr Landesverband stehe geschlossen hinter Becks Linie. Nach ihrer Einschätzung drohen der SPD auch keine Flügelkämpfe: "Der Beschluss des Parteivorstands am Montag ist mit nur einer Gegenstimme gefasst worden." Kraft räumte allerdings ein: "Natürlich gibt es eine Debatte um einen möglichen Wortbruch in Hessen. Das darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen und unterschätzen." In einem Fünf-Parteien-System müsse man daher "das Dilemma von Vorfestlegungen" vermeiden.
Lafontaine: SPD kein Parnter auf Bundesebene
Linken-Chef Oskar Lafontaine wies Mutmaßungen über eine rot-rote Regierungspartnerschaft im Bund zurück. "Auf Bundesebene ist für uns die SPD nicht regierungsfähig. Sie regiert mit der CDU/CSU gegen die Mehrheit der Bevölkerung", sagte Lafontaine der "Leipziger Volkszeitung". Vor allem beim Einsatz der Bundeswehr, bei Renten- und Lohnfragen sowie in der Steuerpolitik gebe es unterschiedliche Auffassungen. Anders sehe es auf Länderebene aus. Anders sei die Sache auf Länderebene. "Wenn es in Hessen dazu kommt, dass ein gebührenfreies Studium an der Universität wieder möglich wird, dass die sozial schwachen Kinder nicht früh in der Schule ausgegrenzt werden, dass kein öffentliches Vermögen verkauft wird, dass im öffentlichen Dienst nicht weiter Arbeitsplätze abgebaut werden und Hessen wieder in den Tarifvertrag zurückkehrt, dann sind das doch Ziele, die jeder Sozialdemokrat unterschreiben kann", sagte Lafontaine.

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Partei-Vordenker Andre Brie sagte wiederum der "Berliner Zeitung", die Linke dürfe sich nicht auf die Rolle als Protest- und Oppositionspartei beschränken. Er halte trotz aller gegenteiliger Bekundungen der SPD ein rot-rot-grünes linkes Bündnis bereits nach der Bundestagswahl 2009 nicht mehr für unmöglich. Mit ihrer Öffnung zur Linken habe die SPD einen unumkehrbaren Prozess eingeleitet.
Der ehemalige SPD-Chef Björn Engholm hielt Beck Versäumnisse vor. "Es hätte eine breite Diskussion in der gesamten Partei geben müssen", sagte der frühere Ministerpräsident von Schleswig-Holstein den "Lübecker Nachrichten". Mit Blick auf eine künftige Zusammenarbeit mit der Linken gab sich Engholm offen: "Wenn die Linke sich als durch und durch unserer Verfassung verbunden fühlt, kommt sie mittelfristig als Gesprächs- und notfalls auch als Koalitionspartner für uns infrage."