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Sponsoring-Affäre Wie der Bundestag die Debatte vergeigt

Die Großkopferten schwiegen, die Hinterbänkler blökten - und vergaßen dabei die Sünden ihrer eigenen Parteien. So vergeigte der Bundestag das Thema Sponsoring. Parallel erklärten Lobby Control, Transparency International und Compact, was zu tun ist.
Von Theresa Breuer und Hans Peter Schütz

Das war eine Sternstunde, diese aktuelle Stunde im Bundestag über die Frage, ob und wie korrupt Parteien und Politiker sind. Eine Sternstunde für hinterste Hinterbänkler. Der altgediente parlamentarische Berichterstatter gesteht beschämt: Ohne das Bundestagshandbuch hätte er die meisten Redner nicht identifizieren können. Auf der Pressetribüne wurde fortwährend getuschelt. Kennst Du den? Wie heißt denn die?

Die Fragezeichen sind berechtigt. Wer kennt denn schon den FDP-Mann Stefan Ruppert? Sitzt seit fünf Monaten im Bundestag und hat seinen Doktor über Fragen des Kirchenrechts erworben. Nicht über Fragen der Parteienfinanzierung. Oder den SPD-Abgeordneten Michael Groschek. Auch erst seit Oktober 2009 Volksvertreter. Ebenso unbekannt: Burkhard Lischka, SPD, Marco Buschmann, FDP, Helmut Brandt, CDU. Eine Wohltat, dass wenigstens die Grünen mit Volker Beck und die Linkspartei mit Uli Maurer Redner mit langjähriger Erfahrung über die Grauzonen der Parteienfinanzierung im Kreuz ans Rednerpult schickten.

Bei der SPD hätte es vielleicht ihr Finanzexperte Joachim Poss sein können. Der saß einst schon im Untersuchungsausschuss zur Flick-Affäre, jetzt aber nur scharf beobachtend in der ersten Reihe der SPD-Fraktion. Er weiß nach 30 Jahren im Parlament alles, was da läuft und gelaufen ist. Geredet hat er nicht.

Sponsoring: einfach nur rentabel?

Dabei ging es ja um eine überaus spannende Frage im Bundestag. Hatten sich die CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (NRW) und Stanislaw Tillich (Sachsen) für 6000 Euro beziehungsweise 4000 Euro am Rande von Parteitagen als Gesprächspartner für Interessenten aus der Wirtschaft feilgeboten?

Das System nennt sich "Sponsoring". Umstritten ist, ob es sich dabei um verdeckte Parteienfinanzierung handelt, die dann von den Politikern offen gelegt werden müsste. Oder ist Sponsoring eine besonders rentable Methode des Kaufs von Politikern? Denn der Sponsor kann das Geld schließlich als steuermindernde Ausgabe absetzen. Bei echten Parteispenden läuft das nicht, sie dürfen steuerlich nicht geltend gemacht werden. Bei mehr als 10.000 Euro wird später der Spendername veröffentlicht. Kommen mehr als 50.000 Euro in die Parteikasse, wird der Spender sofort genannt.

Noch ein wichtiger Kenner der Materie fehlte: Bundestagspräsident Norbert Lammert, CDU, oberster Schiedsrichter in Fragen der Parteienfinanzierung. Zwar hat der Nordrhein-Westfahle den versuchten Verkauf seines Parteifreundes Rüttgers "selten dämlich" genannt. Wahrscheinlich wollte er bei der Debatte darüber lieber nicht auf den Präsidentenstuhl sitzen. Dort wäre er vielleicht gefragt worden, weshalb die Sponsoring-Frage von der Bundestagsverwaltung so langsam geprüft wird, dass das Urteil darüber erst nach der NRW-Landtagswahl im Mai vorliegt - und seinem Parteifreund Rüttgers nicht mehr schaden kann.

Große Worte kleiner Abgeordneter

Bissige Bemerkungen in dieser Richtung gab es dennoch. Maurer beklagte, dass "leibhaftige Ministerpräsidenten zumindest stundenweise angemietet wurden." Und es könne doch nicht sein, dass die Höhe der Schecks in der Demokratie entscheide. Sein klarer Standpunkt: Sponsoring muss verboten werden.

Für die CDU sagte Ingo Wellenreuther - kennen Sie den? - abwegig sei die Behauptung, ein Ministerpräsident lasse sich kaufen. Offenbar konnte er sich nicht hat mehr daran erinnern, dass sogar der FDP-Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff einst über verbotene Parteienfinanzierung mit dem Strafrecht böse zusammengestoßen war.

Die SPD-Abgeordnete Gabriele Fograscher wies zu Recht darauf hin, dass für Amtsträger wie Rüttgers oder Tillich Gespräche in Firmenbasaren auf Parteitagen gegen Honorar schon längst verboten sind. Das seien Zweckspenden, eindeutig nicht erlaubt, siehe Parteienfinanzierungsgesetz §25, Absatz 2, Nummer 7.

An die eigene Nase fassen? Nicht so gern

Der FDP-Mann Buschmann rühmte gar die "sorgfältige Transparenz", mit der seine Partei ihre Geldgeschäfte offen lege. Graf Lambsdorff erwähnte er ebenso wenig wie den Schwarzgeld-Operateur Jürgen Möllemann. Für den muss die "transparente" FDP vermutlich bald fünf Millionen Euro Strafe zahlen. Begeistert applaudierte die Linkspartei, als er ihr zurief: "Man muss sich immer an der eigenen Nase fassen." Pack doch zu, rief die zurück.

Das wiederum veranlasste den CDU-Abgeordneten Thomas Strobl zur Behauptung, die "extremistische Linke mache das demokratische System verächtlich." Er selbst kassierte später einen Ordnungsruf des Präsidenten, weil er seinem Parteifreund Brand, als dieser redete und die Linke störte, zurief, er solle sich von "Straftätern" nicht unterbrechen lassen. Brandt hatte gefragt, wo denn die Linkspartei die Millionen aus dem SED-Vermögen versteckt habe. An den Namen Helmut Kohl und dessen Schwarzgeld konnte Brandt sich offenbar bei bestem Willen nicht mehr erinnern.

So ging man denn nach einer Stunde wieder auseinander. Letztlich ohne Ergebnis. Irgendwann wird das Sponsoring überprüft. Natürlich erst nach der NRW-Wahl.

Auftritt Lobby Control et al.

Wer wissen wollte, wie der Sponsoring-Sumpf trocken gelegt werden könnte, wurde auf einer parallel zum Bundestag laufenden Pressekonferenz von Transparency Internationale Deutschland, dem Verein Lobby Control und dem Kampagnennetzwerk Campact besser bedient. Yves Venedey, Pressesprecher von Campact: "Nur durch mehr Transparenz kann das Vertrauen in die Demokratie wieder hergestellt werden." Heidi Klein, Geschäftsführerin von Lobby Control regte an: "Parteien sollten sich überlegen, ob sie ihre Parteitage nicht wieder in Turnhallen verlegen, dann braucht man nicht mehr so teure Sponsoring-Gelder." Transpareny-Vorstand Jochen Bäumel forderte die Einsetzung eines Bundesbeauftragten für Parteienfinanzierung. Dann könne der Bundestagspräsident auch nicht in einen Interessenkonflikt geraten.

Die drei zentralen Forderungen von Transparency, Lobby Control und Campact:

  • Für Sponsoring von Parteien müssen die gleichen Veröffentlichungspflichten gelten wie für Parteispenden.
  • Parteispenden und Sponsoring sollten auf maximal 50.000 Euro pro Jahr und Unternehmen, Verband oder Person begrenzt werden.
  • Ein vom unabhängiges Gremium (also keine Parlamentarier) soll künftig die Einhaltung des Parteiengesetzes überwachen.

Wetten dass diese Positionen im Bundestag nicht mehrheitsfähig sind? Bis zum Sommer will Lammert die die neue Geschäftsordnung präsentieren.

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