Bei SPD- wie unionsgeführten Bundesländern und bei der EU-Kommission herrscht erhebliche Skepsis gegen die Pläne der Bundesregierung zur Finanzierung der vorgezogenen Steuerreform. EU-Währungskommissar Pedro Solbes will sich nun an diesem Dienstag in Berlin von Finanzminister Hans Eichel (SPD) die Auswirkungen der Steuererleichterungen von offiziell insgesamt 25 Milliarden Euro im kommenden Jahr auf das Haushaltsdefizit erläutern lassen.
Solider Ausgleich für Einnahmeausfälle gefordert
Das Vorziehen der Steuerreform wurde auch in den SPD-geführten Bundesländern mit großer Skepsis aufgenommen. Sie beharrten am Montag ebenso wie die CDU/CSU und unionsgeführte Länder auf einem soliden Ausgleich für die Einnahmeausfälle durch das Vorziehen der dritten Reformstufe. Die FDP warnte die Union vor einer Blockade der Steuerentlastung.
Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) bekräftigte sein Nein zum Vorziehen. Angesichts der fehlenden Gegenfinanzierung werde dies für Hessen Mindereinnahmen von 600 bis 700 Millionen Euro bedeuten und die Verschuldung weiter erhöhen. Koch, der zusammen mit Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) eine Kommission zum Subventionsabbau leitet, plädierte erneut für eine generelle Kürzung der Subventionen.
Uneinheitliche Vorstellungen
Eichel will nach dem Beschluss der rot-grünen Regierung vom Wochenende im Gespräch mit den Ländern die Möglichkeiten eines Subventionsabbaus zur Finanzierung der Stufe ausloten. Allerdings sind die Vorstellungen, welche Subventionen reduziert werden können, über die Parteigrenzen hinweg noch uneinheitlich. CDU-Chefin Angela Merkel sagte dem Sender N24: "Ich erwarte, dass (Kanzler Gerhard) Schröder und Eichel auf die Länder zugehen und mit ihnen in Gespräche gehen."
Der Sprecher des Finanzministeriums, Jörg Müller, bekräftigte, dass der zur Finanzierung der Steuerreform geplante Subventionsabbau mittelfristig angelegt sei und ab dem kommenden Jahr beginnen solle. Eichel wolle mit den Ländern vereinbaren, in welchem Umfang welche Subventionen abgebaut werden sollten. Der Subventionsabbau müsse nicht eins zu eins mit der vorgezogenen Reform umgesetzt werden.

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Höhere Schulden eingeplant
Eichel plant auch höhere Schulden ein. Es sei aber noch offen, zu welchem Zeitpunkt und unter welcher Voraussetzung überhaupt eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts festgestellt werden könne, sagte Müller. Jedenfalls werde die Steuerreform während des parlamentarischen Verfahrens in den Haushalt 2004 eingearbeitet. Zur Unterstützung des angenommenen 2,0-prozentigen Wachstums sollten gerade Maßnahmen wie das Vorziehen der Steuerreform Impulse geben.
Der Sprecher von EU-Währungskommissar Pedro Solbes begrüßte in Brüssel, dass die Bundesregierung zur Gegenfinanzierung Subventionen abbauen und Bundesbesitz privatisieren wolle. Gegen Deutschland läuft seit Januar ein Strafverfahren wegen einer überhöhten Neuverschuldung 2002 von 3,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Grundsatzbeschluss für Mittwoch erwartet
Am Mittwoch will Eichel seinen Haushalt 2004 im Kabinett verabschieden lassen. Zudem soll dann auch ein Grundsatzbeschluss über das Vorziehen der Steuerreform gefasst werden. Danach würden vom Ministerium noch vor der Sommerpause die Eckpunkte für ein Gesetz erarbeitet, erläuterte Müller. Die Bundesregierung gehe davon aus, dass Länder und Gemeinden zur Finanzierung der vorgezogenen Steuerreform ebenso wie der Bund marktkonform privatisierten. Er wollte sich nicht auf einzelne Maßnahmen festlegen, sagte aber, dass laut Privatisierungsbericht beim Bund grundsätzlich 208 Posten dafür in Frage kämen.
Zum jetzigen Kursniveau wird die Bundesregierung keine Aktien der Telekom oder der Post verkaufen. "Es gibt keine Verkaufspläne für dieses und nächstes Jahr", sagte Eberhard Rolle, im Finanzministerium für die Vermögensanlagen zuständig.