Willkommen beim gelb-grünen Gipfel der jungen Generation. Verraten Sie uns zunächst etwas Privates. Welche Musik hören Sie?
Agena: Ich höre gern Rock, teilweise auch Indie. In letzter Zeit viel Tocotronic.
Vogel: Schwere Frage. Ich höre quer Beet. Von Björk bis Britpop.
Gibt's einen Lieblingsfilm?
Vogel:
"13 Days" mag ich. Das ist ja ein politischer Stoff als Spielfilm aufbereitet.
Agena:
Der letzte Film, den ich richtig gut fand, war Bernd Eichingers RAF-Film.
Und abends essen Sie gerne ...?
Agena:
Am liebsten Pasta, außerdem viel Gemüse, Salat. Alles ökologisch, natürlich.
Vogel:
Ich koche auch gern Pasta.
Klingt, als würden die Gemeinsamkeiten für eine WG reichen. Die Pasta-Connection sozusagen.
Vogel
[blickt auf Agena]: Warum nicht? Über den Videoabend pro Woche könnten wir uns schon verständigen.
Agena
[lacht]
Der grüne Parteivorsitzende Cem Özdemir hat mal in einer WG mit dem FDP-Europa-Abgeordneten Jorgo Chatzimarkakis gelebt. Und Chatzimarkakis hat im stern vorgeschlagen, Grüne und Liberale zu fusionieren. Sie hätten ohnehin dasselbe Lebensgefühl und dieselben Wählerschichten. Einverstanden?
Vogel: Chatzimarkakis' Analyse hat großen Charme. Aber meine Schlussfolgerung wäre eine andere. Uns sind die grünen Wähler herzlich willkommen, gerade bei einer sich breiter aufstellenden FDP, die auch ihre ökologische und soziale Seite betont.
Agena: Wenn man sich die äußeren Fakten wie Einkommen und Bildungsgrad anguckt, dann sind unsere Wählerschichten schon sehr ähnlich. Aber es gibt einen großen Unterschied. Unsere Wähler wollen Solidarität. Bei der FDP geht es eher in Richtung Leistung und Eigenverantwortung.
Herr Vogel, Sie haben Ihre politische Karriere zunächst bei der Grünen Jugend gestartet - und wechselten dann zu den jungen Liberalen. Für wen ist das jetzt eigentlich peinlich?
Vogel:
Also, mir ist das nicht peinlich.
Agena:
Mir ist es auch nicht peinlich, dass er bei der Grünen Jugend angefangen hat. Es ist für ihn traurig, dass er gewechselt hat.
Vogel:
Ich habe eben dazugelernt.
Es gibt die Theorie, dass sich Jugendliche nicht so sehr an Inhalten, sondern an kulturellen Befindlichkeiten orientieren. Fanden Sie Stricknadeln und Atomkraft-Nein-Danke-Sticker einfach bescheuert, Herr Vogel?
Vogel:
Das spielte schon eine Rolle. Je tiefer ich vorstieß, desto bewusster wurde mir, dass etwas mit dem Menschenbild der Grünen nicht stimmt.
Mit dem Menschenbild?
Vogel: Mir gefiel, dass die Grünen Toleranz predigten. Aber das waren eben nur Predigten. Damals begann die New-Economy-Welle, auch Leute aus meiner Schule schwammen mit. Plötzlich trugen sie Anzüge und gründeten Firmen. Das war nicht mein Lebensentwurf, das war mir suspekt. Aber noch suspekter war mir, wie die Grünen darüber ablästerten. Mir schien der Freiheitsbegriff da nicht sonderlich konsistent.
Frau Agena, geben Sie es zu: Haben Sie mal mit den jungen Liberalen geliebäugelt?
Agena:
Ich habe mich nie aktiv gegen die FDP entschieden. Aber für mich war immer klar, dass ich nur politisch aktiv sein kann in einer Bewegung oder Partei, die ein konsistentes Weltbild hat.
Das hat die FDP doch: Steuern senken, Steuern senken, Steuern senken.
Vogel:
Frechheit! Unser Weltbild ist Freiheit und Fairness.
Agena:
Für mich ist die ökologische und soziale Gerechtigkeit wichtig. Das sehe ich bei der FDP nicht. In Deutschland besitzen zehn Prozent der Gesellschaft 60 Prozent des Vermögens. Und nach den Steuersenkungen wird die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinandergehen.
Trotzdem kuscheln FDP und Grüne nun auch ganz offiziell - in der Jamaika-Koalition im Saarland. Unterstützen Sie das?
Vogel: Ich halte das für ein interessantes Experiment. Wir haben als Julis immer gesagt: Es gibt für die FDP keinen natürlichen Koalitionspartner. Sondern man entscheidet von Wahl zu Wahl und Ebene zu Ebene, mit wem es inhaltlich besser zusammenpasst.
Das unterscheidet Sie, Herr Vogel, von Ihrem Parteichef Guido Westerwelle. Wie sehen Sie Jamaika, Frau Agena?
Agena:
Die Grüne Jugend hat schnell klargemacht, dass wir Jamaika für eine schlechte Wahl halten. Wir hätten gerade aus linker Perspektive mit Rot-Rot-Grün mehr umsetzen können. Aber angeblich gab es ein massives Problem mit Oskar Lafontaine. Sowohl SPD als Grüne haben argumentiert, mit Lafontaine ginge es nicht. Ich halte das für falsch, entscheidend sollten doch die inhaltlichen Schnittmengen sein.
Während wir hier diskutieren, formiert sich eine neue Partei: die Piraten. Sie sammelt jene ein, die im Internet zu Hause sind und nichts mit den etablierten Parteien anfangen können. Ist das nicht ein Offenbarungseid für Ihre Jugendorganisationen?
Vogel:
Es war klar, dass nach den Bürgerrechtseinschränkungs-Exzessen der vergangenen Jahre etwas in Bewegung geraten wird. Die Entstehung der Piraten war sicher ein Weckruf. Trotzdem haben sehr viele junge Wähler FDP und die Grünen gewählt, und das zeigt, dass da noch eine politische Heimat gesehen wird. Die Piraten haben ein respektables Ergebnis bekommen, liegen aber weit unter fünf Prozent. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass es dabei bleibt. Gut, dass die Julis die FDP in den letzten Jahren wieder auf einen klaren Bürgerrechtskurs gebracht haben und wir jetzt nach der Wahl zum Beispiel die Rücknahme der Netzzensur durchsetzen konnten.
Agena:
Ich glaube nicht, dass die Piratenpartei weiter so erfolgreich sein wird, wie bei der Bundestagswahl. Weil sie außer dem Bürgerrechtsthema und der Netzpolitik keine Konzepte hat. Gleichwohl: Bei den Grünen ist vor der Bundestagswahl eine Menge schiefgelaufen ist, gerade im Bereich Netzpolitik und Bürgerrechte. Da haben wir viele Wähler verprellt. Aber man lernt aus Fehlern.
Bürgerrechtspartei FDP? Dieser Kurs wird doch von zwei Altliberalen erzwungen, Gerhardt Baum und Burckhard Hirsch. Die kämpfen mitunter gegen die eigene Partei, zum Beispiel bei der Online-Durchsuchung, die der FDP-Innenminister in Nordrhein-Westfalen durchgewinkt hat.
Vogel: Da unterschätzen sie die Allianz zwischen den alten Bürgerrechtsliberalen und der jüngeren Generation unserer Partei. Ich klage als Juli-Vorsitzender mit Baum, Hirsch und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in Karlsruhe gegen die Vorratsdatenspeicherung.
Frau Leutheusser-Schnarrenberger hat jüngst das Swift-Abkommen abgenickt. Das erlaubt den Amerikanern, sämtliche deutschen Banküberweisungen zu kontrollieren. Wie passt das?
Vogel:
Dass das Swift-Abkommen nicht in Ordnung war, dass haben wir offen artikuliert. Das fand ich ehrlich gesagt zum Kotzen.
Die FDP hätte im Kabinett nein sagen können.
Vogel:
Das Problem wurde nicht im Bundestag und nicht im Kabinett behandelt. Der Innenminister hat eigenmächtig agiert, gegen den Protest von Frau Leutheusser-Schnarrenberger. So was darf nicht wieder vorkommen.
Frau Agena, war das ein Sündenfall der FDP?
Agena: Ich glaube schon. Das wäre genau so, als wenn die Grünen im Wahlkampf "Atomkraft - Nein danke!" plakatieren und nach der Wahl würden sie den Bau neuer Atomkraftwerke zulassen. Wir werden die FDP daran messen, was da weiter passiert.
Die Piraten sind auch deswegen so attraktiv, weil sie eine sehr, sehr junge Partei sind. Bei den Grünen dominieren die Altvorderen, also Renate Künast, Jürgen Trittin und Claudia Roth, die FDP sieht mit Wirtschaftsminister Rainer Brüderle auch nicht eben frisch aus. Warum geht das mit dem Generationenwechsel nicht zackiger?
Agena:
Wir haben uns darüber auf unserem Bundeskongress mit Renate Künast gestritten. Wenn sich die grüne Spitze damit brüstet, dass die Partei kein Ein-Generationen-Projekt ist, dann muss das mehr als ein Lippenbekenntnis sein. Natürlich wäre da mehr möglich gewesen.
Vogel:
Natürlich ist Brüderle kein junger Hoffnungsträger mehr. Aber wir haben Philipp Rösler als Gesundheitsminister, außerdem mit Christian Lindner einen sehr jungen Generalsekretär. In der Bundestagsfraktion haben wir 17 junge Liberale, insgesamt 31 Abgeordnete sind unter 40 Jahre. Da kann man sich nicht beklagen, dass die FDP zu alt wäre.
Frau Agena, sind Sie auch deshalb kritischer, weil Ihnen noch nicht gelungen ist, was Vogel schon geschafft hat - nämlich im Bundestag zu sitzen und drei Mal bei "Anne Will" aufzutreten?
Agena:
Moment mal. Wir haben in der Fraktion elf Leute unter 30 Jahre - die Grünen stellen die mit Abstand jüngsten Abgeordneten. Außerdem ist Erneuerung nicht nur eine Frage des Alters. Wir wollen einfach, dass auch den jüngeren Menschen Türen geöffnet werden in der Partei.
Für unseren Geschmack gehen Sie viel zu zahm miteinander um. Sprechen wir über ein Reizthema: Parteispenden. Herr Vogel, die FDP wird - nach der Mehrwertsteuersenkung für Hotel-Übernachtungen und dem Bekanntwerden von Hoteliers-Spenden - harsch kritisiert. Sie gilt als "Klientel-Partei". Ist das für Sie überhaupt ein Schimpfwort?
Vogel: Definitiv. Und der Vorwurf trifft nicht zu. Wir Julis haben die Mehrwertsteuersenkung für Hotel-Übernachtungen immer abgelehnt. Ich habe persönlich einen Antrag auf dem Bundesparteitag gestellt, diese Entlastung nicht ins Wahlprogramm aufzunehmen. Aber die Mehrheit hat anders entschieden, diesen Beschluss habe ich als Demokrat zu akzeptieren. Das hatte aber mit einer Spende nichts zu tun, da liefen doch keine Einflüsterer durch die Reihen. Gerade weil ich diese Debatte so intensiv mitgeführt habe, macht mich der Klientel-Vorwurf wütend.
Die Spende des Mövenpick-Miteigentümers hat gleichwohl ein Geschmäckle.
Vogel:
Wenn wir anfangen, einen Zusammenhang zwischen einer Spende und einer politischen Positionierung herzustellen, dann könnten wir allen Parteien etwas vorwerfen. Kriegt die SPD etwa deshalb Spenden aus der Automobilindustrie, weil sie dafür die Abwrackprämie ins Leben ruft? Werden die Grünen nicht kräftig von Unternehmen aus der Solar- oder Windkraftbranche unterstützt? Nein. So einfach ist das nicht. Wir sollten uns vor Unterstellungen hüten.
Agena:
Ich finde die Regierung sollte die Erleichterung für die Hotelbranche zurücknehmen. Das war ein extremer Vertrauensbruch, die Wählerinnen und Wähler sind einfach enttäuscht. Solche Skandale ruinieren die Glaubwürdigkeit der Politik.
Vogel:
Aber es ist ja kein Skandal. Die Opposition konstruiert da Zusammenhänge, die es nicht gibt.
Warum setzten Sie sich dann nicht dafür ein, Spenden drastisch zu beschränken oder zumindest deutlich transparenter zu machen?
Agena: Das sind ja Sachen, die die Grünen fordern. Zum Beispiel, eine Obergrenze von 100.000 Euro pro Jahr für natürliche und juristische Personen einzuführen und Spenden schon in geringerer Höhe schnell offenzulegen.
Vogel: Bei Transparenz bin ich sofort dabei. Aber Einschränkung oder Abschaffung von Spenden - das sollten wir uns überlegen. Die Parteien hätten dann nur noch zwei Finanzierungsquellen: die Mitgliedsbeiträge und öffentliche Zuwendungen. Ich halte das demokratietheoretisch für problematisch, weil die Parteien ja selbst über das Maß an öffentlicher Finanzierung entscheiden könnten.
Herr Vogel, Sie haben vor der Wahl gelegentlich die Kanzlerin kritisiert. Jetzt sind Sie einer der Jungstars im Bundestag - und machen auf uns einen staatstragenden Eindruck. Haben Sie sich an Angela Merkel gewöhnt? Schon eine SMS von ihr bekommen?
Vogel:
Frau Merkel und ich simsen nicht. Das ist aber auch nicht meine Erwartung.
Frau Agena, Sie sind so freundlich mit Herrn Vogel umgegangen, dass wir Sie fragen: Wann sind FDP und Grüne so groß, dass sie über eine Zweier-Koalition nachdenken können? Und wer wird dann Kanzler?
Agena:
Die Grünen sind in den Umfragen der letzten Zeit gestiegen. Wir sind jetzt bei etwa 15, die FDP bei zirka 11 Prozent. Ich denke, dass es noch ein bisschen dauert, bis wir zu zweit regieren könnten, wenn wir das denn überhaupt wollten - was ich mir nicht vorstellen kann. Und wer dann Kanzlerin würde ...
Vogel:
Kanzlerin?