Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die etwa vier Millionen Muslime in Deutschland gegen Schuldzuweisungen nach den Terroranschlägen von Paris in Schutz genommen. "Jede Ausgrenzung von Muslimen in Deutschland, jeder Generalverdacht verbietet sich", sagte Merkel am Donnerstag in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag. "Die allermeisten Muslime in Deutschland sind rechtschaffene und verfassungstreue Bürger. Wir garantieren, dass der Glaube des Islam im Rahmen unserer Verfassung und der übrigen Gesetze frei ausgeübt werden kann."
Merkel sagte weiter, ebenso wie das jüdische Leben gehöre auch der Islam zu Deutschland. "Diskriminierung und Ausgrenzung dürfen bei uns keinen Platz haben." Auch Übergriffe auf Moscheen würden konsequent strafrechtlich verfolgt. Zugleich bekräftigte sie, dass die Bundesregierung jede Form islamistischer Gewalt bekämpfen werde.
In ihrer Rede forderte sie den Islam auf, sein Verhältnis zu islamistischen Extremisten zu klären. Viele Menschen in Deutschland täten sich schwer mit ihrer Aussage "Der Islam gehört zu Deutschland", sagte Merkel. Sie würde von Bürgern immer wieder gefragt, welcher Islam gemeint sei. "Sie wollen wissen, warum Terroristen den Wert eines Menschenlebens so gering schätzen und ihre Untaten stets mit ihrem Glauben verbinden", sagte die Kanzlerin. "Sie fragen, wie man dem wieder und wieder gehörten Satz noch folgen kann, dass Mörder, die sich mit ihren Taten auf den Islam berufen, nichts mit dem Islam zu tun haben sollen." Das seien "ausdrücklich" berechtigte Fragen, betonte Merkel. "Ich halte eine Klärung dieser Fragen durch die Geistlichkeit des Islam für wichtig und ich halte sie für dringlich. Ihr kann nicht länger ausgewichen werden."
Vorratsdatenseicherung soll wieder auf die Agenda
Zudem hob Merkel die Bedeutung von Pressefreiheit und Toleranz hervor. Die Freiheit der Presse sei "einer der größten Schätze unserer Gesellschaft", sagte die Kanzlerin. "Bürger sein und nicht Untertan, ist nur möglich, wenn es eine freie Presse gibt." Merkel fügte aber hinzu: "Pressefreiheit nur auf dem Papier ist nicht viel Wert." In viel zu vielen Ländern der Welt gebe es echte Pressefreiheit nicht. Voraussetzung dafür sei Toleranz. "Sie ist eine anspruchsvolle Tugend, nicht mit Standpunktlosigkeit zu verwechseln", betonte Merkel. "Religionsfreiheit und Toleranz meinen nicht, dass im Zweifelsfall die Scharia über dem Grundgesetz steht."
Die umstrittene Vorratsdatenspeicherung solle angesichts terroristischer Bedrohungen wieder diskutiert werden. "Angesichts der parteiübergreifenden Überzeugung aller Innenminister von Bund und Ländern, dass wir solche Mindestspeicherfristen brauchen, sollten wir darauf drängen, dass die von der EU-Kommission hierzu angekündigte überarbeitete EU-Richtlinie zügig vorgelegt wird, um sie anschließend auch in deutsches Recht umzusetzen." Der Europäische Gerichtshof und das Karlsruher Verfassungsgericht hätten den Rahmen vorgegeben, in dem eine Regelung möglich sei.
Bei den Terroranschlägen vergangene Woche in Paris töteten drei islamistische Attentäter 17 Menschen. Der Bundestag gedachte den Opfern heute mit einer Schweigeminute.