Im koalitionsinternen Streit um eine EU-Mitgliedschaft der Türkei setzt sich Außenminister Guido Westerwelle gegen die anhaltende Kritik der CSU zur Wehr. "Das ist deutsche Innenpolitik. Das hat mit Außenpolitik nichts zu tun", sagte der FDP-Vorsitzende am Freitag während seines Türkei-Besuchs in Istanbul. Eine engere Anbindung der Türkei an die Europäische Union liege auch "in nationalem wohlverstandenen deutschen Interesse". Auf beiden Seiten sei jedoch "noch eine Menge Arbeit zu leisten".
Zuvor hatte sich CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt abermals gegen eine türkische Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union ausgesprochen. "Bei dieser Debatte muss es in erster Linie um die deutschen und die EU-Interessen gehen. Wir haben die Überzeugung, dass eine Vollmitgliedschaft der Türkei nicht möglich ist", sagte Dobrindt im ARD-"Morgenmagazin". Das müsse man der Türkei fairerweise sagen.
"Nicht wieder Geheimabsprachen treffen"
Westerwelles Türkei-Besuch hatte bereits am Donnerstag für offenen Ärger zwischen CSU und FDP gesorgt. Der Außenminister sei gut beraten, "nicht wieder Geheimabsprachen zu treffen, wo wir dann die Scherben zusammenkehren müssen", hatte Dobrindt in Richtung Westerwelle geätzt. Aus der FDP kamen daher Stimmen, die CSU sei unerträglich. Westerwelle verwies auf den Koalitionsvertrag von Union und FDP, wonach die Beitrittsverhandlungen zwischen EU und Türkei "ergebnisoffen" geführt werden. Der Außenminister fügte hinzu: "Wer Arbeitsplätze schaffen will, ist gut beraten, mit einem so aufstrebenden dynamischen Land wie der Türkei gut zusammenzuarbeiten."
Rückendeckung erhielt Westerwelle vom anderen Koalitionspartner CDU. Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, nahm den FDP-Vorsitzenden gegen die Angriffe aus der Schwesterpartei CSU in Schutz. Westerwelle habe den Türken die deutsche Haltung auf der Basis des Koalitionsvertrages erläutert, sagte er dem "Hamburger Abendblatt". "Das bedeutet, die Verhandlungen werden fair und mit offenem Ende geführt." Nichts anderes habe Westerwelle im Rahmen seines Türkei-Besuchs gesagt.
Özdemir schimpft über "bayerische Provinzpolitiker"
Grünen-Parteichef Cem Özdemir hat unterdessen die CSU wegen ihrer ablehnenden Haltung zu einem EU-Beitritt der Türkei scharf angegriffen. Die Forderung nach einem Abbruch der Verhandlungen mit der Türkei seien "unsäglich", sagte Özdemir dem "Hamburger Abendblatt". "Bayerische Provinzpolitiker dürfen nicht die deutsche Außenpolitik bestimmen. Die CSU sollte europapolitische Fragen denen überlassen, die mehr davon verstehen und weniger Schaden anrichten."
Die Europäer führten die Beitrittsverhandlungen mit dem Ziel, die Türkei als Vollmitglied in die EU aufzunehmen, wenn sie die Voraussetzungen dafür erfülle. "Das wird noch Zeit brauchen, in der die EU den Reformprozess der Türkei unterstützen muss und nicht wie die CSU torpedieren darf", sagte Özdemir. Er selbst glaube weiter fest an den Beitritt der Türkei, "allerdings steht die Entscheidung, ob und wann die Voraussetzungen erfüllt sind, weder heute noch morgen an".