Aufgeregt bellt der Hund, seine Augen huschen von links nach rechts. Er weiß nicht, wo er ist und was gerade um ihn herum passiert. Gemeinsam mit seinem Frauchen steht der Dackel vor einer Sammelstelle für Geflüchtete aus der Ukraine in München. Der Andrang ist goß. Kinder laufen umher, Erwachsene unterhalten sich, halten Kaffeebecher in der Hand. Zu ihren Füßen: das verwirrte Tier.
Szenen wie diese spielen sich in den vergangenen Tagen überall in Deutschland ab. Denn unter die knapp 200.000 Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet mischen sich auch immer wieder ihre Haustiere. Dabei ist längst nicht klar, dass Mensch und Tier in den Aufnahmestellen zusammenbleiben dürfen. "In den Flüchtlingsunterkünften wird u.a. mit Gründen des Seuchen- und des Hygieneschutzes argumentiert", teilt der Deutsche Tierschutzbund auf stern-Anfrage mit. Das Problem: In der Ukraine ist die Tollwut – im Gegensatz zu Deutschland – nicht ausgerottet. Die StiKO Vet weist jedoch darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein ungeimpftes Tier bei Einreise infiziert ist, bei 1:300.000 liegt. Bei geimpften Tieren ist es noch unwahrscheinlicher. Nichtsdestotrotz heißt es in einer Pressemitteilung vom 1. März: "Die Einreisenden werden anschließend gebeten, sich mit der lokalen Veterinärbehörde in Verbindung zu setzen, um den Gesundheitsstatus des Tieres im Hinblick auf die Tollwut bestimmen und ggf. Maßnahmen einleiten zu können (z.B. die Ausstellung eines Heimtierausweises, Mikrochipping, eine Tollwut-Impfung, eine Antikörper-Titer Bestimmung oder ggf. eine Isolierung des Tieres).

Ukrainer mit Tieren auf der Flucht werden in einem Grenz-Lager erstversorgt

Erste Hilfe wartet aber nicht erst in Deutschland. Der Tierschutzbund hat ein Camp an der polnisch-ukrainischen Grenze, zwischen Przemyśl und Shehyni, aufgebaut. Es soll als "erste Anlaufstelle für Tierhalter mit ihren Tieren" hinter der Grenze fungieren. Dort werden die Vierbeiner mit Wasser, Futter, wärmenden Isodecken, Leinen und Transportboxen versorgt. Dann kann die Weiterreise angetreten werden. Wie der Verein mitteilt, habe man sich bis in den ersten fünf Tagen seit Errichtung des Camps um rund 250 Tiere gekümmert. Dabei arbeiten die Tierschützer mitunter bis tief in die Nacht, denn niemand weiß, wann die nächsten Flüchtlinge mit ihren Lieblingen ankommen. "Der Bundesverband Gemeinschaft Deutscher Tierrettungsdienste, mit dem wir gemeinsam an der polnisch-ukrainischen Grenze helfen, schätzt, dass etwa jeder 12. Geflüchtete ein Tier dabei hat. Von polnischen Amtsveterinären am Bahnhof in Przemyśl in der Nähe unseres Lagers wissen wir, dass mit den Zügen voller Geflüchteter dort täglich rund tausend Tiere ankommen", so die
Kommen Menschen mit ihren Tieren ohne Zwischenstopp in dem Lager nach Deutschland, haben sie ein Martyrium hinter sich. "Die Tiere sind oft dehydriert oder aufgrund der eisigen Temperaturen unterkühlt", berichtet der Deutsche Tierschutzbund. Zusätzlicher Stress ist es, wenn sich Besitzer und Fellnase trennen müssen. Aus diesem Grund hat das Innen- und Heimat-Ministerium von Nancy Faeser dem Vereins-Präsidenten schriftlich zugesagt, in Gesprächen mit Ländern und Kommunen auf einen gemeinsamen Verbleib von Mensch und Tier hinzuweisen. Der Pressesprecher der Stadt München hat auf Anfrage versichert, dass dies in den städtischen Unterkünften möglich sei.
Hilfe für Tierheime in Deutschland und Zentrum in Odessa
Sollte eine gemeinsame Unterbringung trotzdem nicht möglich sein, werden die Hunde und Katzen in den örtlichen Tierheimen aufgenommen. Eine Sprecherin des Münchner Tierheims betont, dass die Hilfsbereitschaft der Bürger derzeit größer sei als die Hilfsbedürftigkeit. Demnach habe man nur drei Hunde bis Mitte März aufnehmen müssen. Doch nach wenigen Tagen konnten sie von ihren Besitzern wieder abgeholt werden, da eine Unterkunft mit Tierhaltung gefunden worden sei. Doch die Situation könnte sich in den nächsten Tagen und Wochen zuspitzen. "Wir rechnen damit, dass hier noch einiges auf die Tierheime zukommt, was sie vermutlich nicht allein schultern können", so der Deutsche Tierschutzbund. Wer helfen möchte, werde um eine Spende gebeten. So könne man gezielt dort helfen, wo es am nötigsten gebraucht werde.
Die Hilfe wird nicht nur in deutschen Tierheimen und im Camp an der polnisch-ukrainischen Grenze gebraucht, sondern auch im Partner-Tierheim in Odessa. Waren die Mitarbeiter:innen bis Anfang der Woche noch entschlossen, in der Ukraine zu bleiben, wurden zwischenzeitlich 44 Hunde und 15 Katzen evakuiert. Um Straßenhunde und ausgesetzte Tiere kümmern sich Tierschützer vor Ort. In einer Pressemitteilung heißt es, derzeit gebe es noch genug Futter. Die geretteten Tiere wurden in ein Tierheim in Rumänien gebracht. Von dort soll die weitere Verteilung koordiniert werden.