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Umfrage Union stürzt auf Sechsjahrestief

Das Koalitions-Gerangel um die Gesundheitsreform hat schon einen Verlierer: Die Union fällt in einer stern-Umfrage hinter die SPD auf 29 Prozent zurück. CSU-Chef Edmund Stoiber scheint das nicht zu stören: Er attackiert Vizekanzler Franz Müntefering massiv.

Wegen des Koalitionsstreits um die Gesundheitspolitik ist die Union so unbeliebt wie zuletzt während der Parteispendenaffäre Anfang 2000. Dagegen scheinen die Sozialdemokraten von dem offenbar als unionsintern angesehenen Streit zu profitieren. In einer Forsa-Umfrage für stern und RTL waren CDU und CSU sogar erstmals seit der Bundestagswahl 2002 schwächer als die SPD: Sie sanken um drei Punkte auf 29 Prozent, die SPD verbesserte sich dagegen um drei Punkte auf 30 Prozent.

Einen derart niedrigen Wert für die Union hatten die Forsa-Demoskopen das letzte Mal während der Parteispendenaffäre Anfang 2000 gemessen. "Das Chaos um die Gesundheitsreform wird eher als unionsinterner Streit angesehen", sagte Forsa-Chef Manfred Güllner.

"Schulmeistereien bringen uns nicht weiter"

Doch trotz des Umfragetiefs griff Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) scharf an. Dem Bundesarbeitsminister stehe es nicht zu, erfolgreiche Ministerpräsidenten der Union zu maßregeln, sagte Stoiber nach einer CSU-Vorstandssitzung in München. Er bezog sich auf Aussagen Münteferings vom Wochenende, wonach sich einige Ministerpräsidenten in Verkennung ihrer Funktion zur Unzeit in die Debatte einmischten. Stoiber sagte dazu: "Solche Schulmeistereien, die Ministerpräsidenten sollten sich raushalten, die bringen uns wirklich nicht weiter."

Zuvor hatte Stoiber die Sozialdemokraten schon verärgert mit seiner Ankündigung, den Gesetzentwurf der Bundesregierung mit eigenen Vorstellungen zu flankieren. "Ich halte das für einen unfreundlichen Akt, den man sich besser noch mal überlegen sollte", sagte SPD-Fraktionschef Peter Struck. Es gebe eine klare Vereinbarung, wonach die Regierung einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der zwischen CDU/CSU und SPD vereinbarten Eckpunkte vorlegen solle. Es gebe keinen Grund für Ergänzungen aus der Union. Die Koalition werde nicht am Streit über die Reform zerbrechen.

Dieser Meinung ist auch Stoiber. Zu den Spannungen mit der SPD sagte der CSU-Chef, Union und SPD seien Hauptkonkurrenten der deutschen Politik, und natürlich sei das Verhältnis manchmal angespannt. Die Koalition müsse aber zusammenhalten. Stoiber sagte, er erwarte eine Einigung auf einen Gesetzentwurf für die Gesundheitsreform im Oktober, wobei aber Qualität vor Schnelligkeit gehe. "Bis dahin wäre es in der Tat gut, die ganze Kraft auf die internen Beratungen zu konzentrieren", ergänzte er. Das gelte auch für Müntefering.

Merkel will vier Wochen lang "intensive Gespräche"

Doch der Koalition droht weiteres wochenlanges Gezerre um die Gesundheitsreform. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) setzt auf neue Vorschläge. In den nächsten vier Wochen müssten noch "intensive Gespräche" geführt werden, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm in Berlin. Angestrebt sei eine Entscheidung des Kabinetts in der zweiten Oktoberhälfte.

Jeweils ein von der Union und von der SPD benannter Experte sollen für die Schlichtung eines zentralen Streitpunkts sorgen: Von ihnen - einer soll der Chef der Wirtschaftsweisen, Bert Rürup, sein - werden Vorschläge erwartet, wie die umstrittene Grenze für mögliche Zuzahlungen "praktikabel umgesetzt" werden kann, sagte Wilhelm. Nach den bisherigen Plänen sollen Krankenkassen von ihren Mitgliedern Zusatzbeiträge fordern können, wenn sie mit dem Geld aus dem geplanten Gesundheitsfonds nicht auskommen. CDU, CSU und SPD hatten gemeinsam beschlossen, dass das nicht mehr als ein Prozent des Haushaltseinkommens sein darf. Diese Regelung wird vor allem von Unions-Ministerpräsidenten in Frage gestellt, gilt der SPD aber als unverzichtbar.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil unterstrich nach einer Parteiratssitzung: "Man kann mit uns über das Wie reden, nicht aber über das Ob." Der Parteiratsvorsitzende Claus Möller sagte: "Wir werden bei der einprozentigen Überforderungsklausel nicht wackeln."

Spekulationen um Ampelkoalition

Der Konflikt wurde zuletzt sogar als Gefahr für den Fortbestand der großen Koalition angesehen. Doch Planspiele über die Bildung einer Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP sind vorläufig vom Tisch. Nach Treueschwüren der SPD-Führung in Richtung Union zogen die Liberalen ihre Koalitionsofferte an die Sozialdemokraten zurück. Als "belangloses Geplänkel" bezeichnete CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla die Gedankenspiele über eine Ampelkoalition. Die Grünen sprachen von "gegenstandslosen Spekulationen".

AP/Reuters/DPA AP DPA Reuters

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