Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will weitere Waffen in die Ukraine liefern – die Begründung: "Mit der Waffe an der Schläfe lässt sich nicht verhandeln – außer über die eigene Unterwerfung." Andererseits: Werden in Zeiten des Krieges Verhandlungen nicht immer auch mit der Waffe in der Hand geführt? Die Deutschen finden laut Umfragen zwar mehrheitlich, dass die Waffenlieferungen an die Ukraine angemessen seien. Gleichzeitig sagt eine Mehrheit aber auch, die diplomatischen Bemühungen Deutschlands zur Beendigung des Krieges gingen nicht weit genug. Und jetzt?
Zu Gast bei "Anne Will"
- Kevin Kühnert (SPD), Generalsekretär
- Jan van Aken (Die Linke), Rosa-Luxemburg-Stiftung
- Ljudmyla Melnyk, Projektleiterin und Wissenschaftlerin am Institut für europäische Politik
- Christoph Heusgen, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz
- Annette Kurschus, Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland
Die Diskussion: von "historischer Verantwortung" bis Sanktionen, "die wirklich etwas bringen"
Wenn Befürworter und Gegner von Waffenlieferungen an die Ukraine friedlich, ja: beinahe bedächtig, jedenfalls aber sehr ernsthaft und meist ruhig in einer Talkshow miteinander reden, dann ist das nicht selbstverständlich. Sondern ein Fortschritt. Andererseits sind auch weder Frau Strack-Zimmermann noch Frau Wagenknecht an diesem Abend zugegen.
Von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert kommt ein klares Nein zu Streumunition und "kein Appell für ewig währende Waffenlieferungen". Und Linkspolitiker Jan von Aken, der einzige in der Runde, der dieselben sofort einstellen will, steht zum Selbstverteidigungsrecht der Ukraine. Er will "Druck" auf den Kreml aufbauen, mit Sanktionen gegen Russland, "die wirklich etwas bringen" und die politischen Kosten für den Kreml in die Höhe treiben, in Kooperation etwa mit China. Und er sagt: Diese Waffenlieferungen des Westens führen nicht dazu, dass Wladimir Putin an den Verhandlungstisch zurückkehren wird.
Ljudmyla Melnyk, die weniger als Wissenschaftlerin denn als Ukrainerin in der Runde sitzt, meldet sich mit Kritik am Manifest von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer zu Wort: Es falle ihr schwer, das Papier als "Solidarität mit der Ukraine wahrzunehmen", sagt sie. Und dass sie sich nicht traut, ihrer Großmutter, die noch den Zweiten Weltkrieg und also auch die Massaker der Wehrmacht in der Ukraine erlebt hat, zu sagen, dass es in Deutschland viele Menschen gibt, die dagegen sind, dass das heutige Deutschland Waffen in die Ukraine liefert. "Wir sprechen zu wenig über historische Verantwortung", sagt sie.
Einigkeit in Sachen Nato-Beitritt der Ukraine
Und während Jan van Aken "außerhalb der militärischen Box denken" will, erinnert Ex-Botschafter Christoph Heusgen, früher außen- und sicherheitspolitischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), an das Minsker Abkommen von 2015, das ja "eine Art Waffenstillstand" gewesen sei. Putin aber habe diesen Vertrag für "tot" erklärt. Und heute erheben nun gleich zwei Verfassungen Anspruch auf Gebiete der Ukraine. Auf welcher Basis sollen zwei Staatschefs da reden? Derzeit gebe es nur in überschaubarem Rahmen Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien, sagen Kühnert und Heusgen, in denen es dann um Getreideexporte oder Gefangenenaustausch gehe. Ein Anfang, vielleicht. Wenn es Verhandlungen gäbe, würden sie ja erst einmal fernab der Öffentlichkeit geführt.
Welches Land liefert welche Waffen in die Ukraine?

Als Jan van Aken dann ein UN-Mandat mit einem echten Referendum für die besetzten Gebiete in der Ukraine und Blauhelm-Soldaten aus China, Brasilien, Südafrika oder Indien ins Gespräch bringt, weil Putins Russland nie auf chinesische Soldaten schießen werde, da ist Heusgen mit dem Verweis auf das Minsker Abkommen zwar skeptisch. Aber auch nicht ganz ablehnend. China habe sich eben auch nicht an das Budapester Abkommen von 1994 gehalten, genauso wenig wie Russland. Einig ist man sich in der Runde, dass ein baldiger Beitritt der Ukraine zur Nato nicht zur Debatte steht. Zumindest darüber lohnt es gerade nicht zu reden.
Die Erkenntnisse
- Umfragen zufolge sind 16 Prozent der Deutschen, dafür mehr Waffen an die Ukraine zu liefern, 47 Prozent finden den gegenwärtigen Umfang "angemessen", 31 Prozent ist das schon zu viel.
- 53 Prozent der Deutschen wünschen sich laut Umfragen mehr diplomatische Initiativen auch aus Deutschland zur Lösung der Krise.
Das Fazit
Immerhin gelingt es dieser Debatte, aus den üblichen Mustern etwas auszubrechen und nicht schwarz-weiß-denkende Lager zu verfallen. "Wir müssen kreativer werden, um den Krieg zu beenden", sagt Jan van Aken.

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