WAHLKAMPF Fischer sieht Grüne geschlossen

Zwar wird der Wahlkampfauftakt der Grünen von der Freiflug-Äffäre überschattet, trotzdem sieht sie ihr Spitzenkandidat Fischer »mit einem Maximum an Geschlossenheit«.

Nach der SPD sind auch die Grünen mit ihrem Spitzenkandidaten Joschka Fischer in den »heißen« Wahlkampf gestartet. »Es wird ein langer Wahlkampf, und er wird hart«, sagte Fischer heute in Berlin zum Auftakt seiner Tour durch Deutschland. »Der Zuspruch für unsere Partei und das Programm ist schon sehr groß«, versicherte der Außenminister. Fischer will die Tour in einem Bus absolvieren, auf dem groß sein Konterfei zu sehen und sein Vorname zu lesen sind. Bis zum 20. September will er zirka 90 Städte besuchen und dabei rund 17.000 Kilometer zurücklegen.

Geplant sind rund 120 Veranstaltungen, darunter Künstlertreffen, Podiumsdiskussionen und ein Besuch des Fußballspiels Borussia Dortmund gegen Schalke 04. Fischer will während seiner Tour 32mal jeweils zehn Kilometer öffentlich mit Publikum joggen.

Er freue sich über den starken Rückhalt in seiner Partei, sagte Fischer. Selbstverständlich werde er seine Amtsgeschäfte als Außenminister weiterführen. Er habe die Irak-Krise nicht als Thema in den Wahlkampf gebracht, widersprach Fischer Kritikern der Opposition.

Morgen wird den Planungen zufolge Bremen die erste Station Fischers sein. Einen Tag später soll es nach Osnabrück gehen.

Die Grünen gehen nach den Worten ihres Spitzenkandidaten, Außenminister Joschka Fischer, trotz der Freiflug-Affäre »mit einem Maximum an Geschlossenheit« in den Wahlkampf. Bedauerlicherweise hätten Mitglieder seiner Fraktion Anlass zur Kritik geboten, sagte Fischer am Montag nach der Parteiratssitzung in Berlin. Sie hätten aber Konsequenzen gezogen oder die Angelegenheit bereinigt. »Damit ist das für uns erledigt.«

Sind keine »besseren Menschen«

Er habe immer davor gewarnt, »dass wir uns als die besseren Menschen darstellen«, sagte Fischer. »Wir sind fehlbare Menschen.« Jetzt werde es im Wahlkampf vor allem darum gehen, zu den Sachaussagen wieder zurückzukehren.

Kampagne von »gandenloser Einseitigkeit«

Der 'Bild-Zeitung', die die Bonusmeilen-Affäre ins Rollen gebracht hatte, warf Fischer vor, sie versuche mit einer »Kampagne von gnadenloser Einseitigkeit« politische Mehrheiten zu verändern. Der Grünen-Abgeordnete Cem Özdemir hatte vor einer Woche unter anderem wegen der privaten Nutzung dienstlich erworbener Bonusmeilen auf einen Sitz im nächsten Bundestag verzichtet. Fraktionschef Rezzo Schlauch hatte den Preis einer Flugreise nach Bangkok an den Bundestag überwiesen.

Distanz zu Müntefering

Im Streit mit der 'Bild-Zeitung' in der Bonusmeilen-Affäre sprach sich Fischer gegen eine gerichtliche Auseinandersetzung aus. Damit ging Fischer auf Distanz zu SPD-Generalsekretär Franz Müntefering, der gegen das Blatt Strafanzeige wegen Datenschutzverletzung gestellt hat. »Wir haben unsere Haltung, Müntefering hat seine«, sagte der Grünen-Spitzenpolitiker. Die Pressefreiheit gelte uneingeschränkt, betonte er.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Bild betreibt »Schmutzwahlkampf«

Fischer warf der Zeitung jedoch einen »Schmutzwahlkampf« vor. »Was wir gegenwärtig erleben, ist der Versuch, die politische Meinungsbildung durch eine Schmutzkampagne zu beeinflussen«, erklärte er. Nur Grünen-Politikern wird die Verwendung dienstlich erworbener Bonusmeilen für private Flugreisen zur Last gelegt, Unionspolitikern nicht, führte er am Beispiel von Umweltminister Jürgen Trittin und CDU-Chefin Angela Merkel an. Das Fehlverhalten einzelner Grüner Abgeordneter wird überzogen dargestellt. Merkel war laut 'Bild' mit ihrem Lebensgefährten nach Italien geflogen und hatte dies mit Bonusmeilen aus Privatflügen und solchen als CDU-Chefin bezahlt. Trittin war in 'Bild' die Nutzung von Meilen als Grünen-Vorstandssprecher vorgehalten worden.

Fraktion steht hinter Schlauch

Gleichzeitig betonte der Außenminister: »Wir sehen eine politische Kontroverse, keine justizielle Kontroverse.« Elf Chefredakteure hatten am Wochenende gegen die Strafanzeige Münteferings protestiert. Fischer und Grünen-Chef Fritz Kuhn nahmen auch Fraktionschef Rezzo Schlauch in Schutz, der ebenfalls einen Privatflug mit dienstlich erworbenen Bonusmeilen bezahlt hatte. »In der Partei ist man darüber nicht erfreut, aber man steht dennoch hinter Rezzo Schlauch«, sagte Kuhn.

Roth verlangt »Schlussstrich«

Schlauch nahm an der Parteiratssitzung teil. Er war intern nicht nur wegen des Freiflugs kritisiert worden, sondern auch, weil er die Sache eine Woche lang für sich behielt. Die Ko-Vorsitzende Claudia Roth plädierte bei RTL für einen »Schlussstrich«. Die privat genutzten Bonusmeilen seien »kleine Verfehlungen, wenn wir gucken, was tatsächlich politische Korruption in diesem Land ist«.