Umstrittenes Pflanzenschutzmittel EU verfehlt Glyphosat-Einigung – und jetzt?

Glyphosat
Junge Pflanzen, die nach der Getreideernte gekeimt haben, stehen auf einem Feld. Das aus dem Mähdrescher gefallene Getreide und die Samen der unerwünschten Beikräuter haben gekeimt. Auf die frischen grünen Blätter wurde dann ein Totalherbizid mit dem Wirkstoff Glyphosat ausgebracht. Dadurch sterben die grünen Pflanzen ab (links) und verfärben ihre Blätter charakteristisch gelb. Der Landwirt kann so vor einer neuen Saat auch die langlebigen Wurzelunkräuter eliminieren. 
© Axel Seidemann / DPA
In Brüssel kommt keine Mehrheit zustande, um die Zulassung von Glyphosat zu verlängern. Doch ein endgültiges Aus für das Pflanzenschutzmittel ist das noch nicht.

Bei der Abstimmung zu einer möglichen Verlängerung von Glyphosat bis 2033 konnten sich die EU-Mitgliedsstaaten an diesem Freitag nicht einigen. Es kam keine qualifizierte Mehrheit zustande, weder für noch gegen den Vorschlag der Europäischen Kommission. Letztere hatte empfohlen, den Einsatz des umstrittenen Pflanzenschutzmittels unter gewissen Bedingungen für weitere zehn Jahre zu erlauben.  

Bei der Abstimmung votierten zwar 18 Mitglieder für die Verlängerung bis 2033, allerdings vertreten sie zusammen weniger als die erforderlichen 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU.

Deutschland enthielt sich bei der Abstimmung, obwohl sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag zu einem Verbot von Glyphosat ab 2024 verpflichtet hat. Auch Frankreich, Malta, Belgien und die Niederlande enthielten sich. Luxemburg, Österreich und Ungarn stimmten gegen die Neuzulassung von Glyphosat. 

Enthält sich Deutschland weiter?

Nun müssen sich die Vertreter der EU-Staaten auf höherer Verwaltungsebene mit der Verlängerung befassen. Dies geschieht im sogenannten Ausschussverfahren. Hier wird der Kommissionsvorschlag nochmals diskutiert, entweder in der jetzigen Form oder aber die Kommission passt ihre Empfehlung nochmals an. Frankreich etwa hat gefordert, dass Glyphosat nur für sieben statt zehn Jahre zugelassen wird. In dem Fall könnte Paris die Verlängerung mittragen.  

Eine erneute Abstimmung soll in der ersten Novemberhälfte stattfinden, teilte ein Kommissionssprecher mit. Die Zeit ist knapp: Die Zulassung für Glyphosat läuft am 15. Dezember aus. Spätestens am 14. Dezember muss die EU zu einer Entscheidung finden.

Bei der Abstimmung im November gilt wieder die qualifizierte Mehrheit. Vieles hängt davon ab, wie sich Deutschland, die Niederlande und Frankreich positionieren werden. Es ist unklar, ob sich Deutschland mit dem wachsenden politischen Druck auf die Koalition nochmals enthalten kann.

Bald könnte die Kommission entscheiden

Kommt bei dem Votum im November erneut keine qualifizierte Mehrheit zustande, kann die Europäische Kommission selbst eine Entscheidung fassen. Vor rund einem Jahr standen die EU bereits vor genau demselben Dilemma. Damals sollte die Entscheidung über eine Verlängerung von Glyphosat eigentlich bereits fallen, doch die Mitgliedstaaten konnten sich nicht auf eine gemeinsame Position einigen.

Im Gegensatz zu heute lag damals die Einschätzung der EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA noch nicht vor. Die Kommission entschied dann, Glyphosat nur für ein Jahr zu verlängern und auf die Einschätzung der EFSA zu warten. Die Behörde hat ihre Einschätzung im Juli vorgelegt und sich für eine Neuzulassung ausgesprochen.  

Sollte die Kommission auch dieses Mal "tranchieren", so der Fachbegriff, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie im Sinne einer Verlängerung von Glyphosat entscheidet.