Klimastreik Fridays-Aktivistin Sotoodeh über Druck auf Klimabewegung: "Der Hass auf die Letzte Generation ist enorm"

Fridays-Aktivistin Darya Sotoodeh 
Fridays-Aktivistin Darya Sotoodeh: "Ich verstehe, dass Menschen frustriert sind"
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Fridays for Future ruft zum globalen Klimastreik auf. Macht da überhaupt noch jemand mit? Fridays-Aktivistin Darya Sotoodeh widerspricht im stern-Interview dem Eindruck, ihre Bewegung liege auf dem Sterbebett.

Wer ist aus Ihrer Sicht fürs Klima schlimmer: Die GroKo unter Angela Merkel oder die Ampel und der "Klimakanzler" Olaf Scholz?
Das ist schwer zu sagen. Die GroKo hat jahrzehntelang sehr viel blockiert. Das bedeutet für die nachfolgende Regierung, dass entsprechend noch schneller und konsequenter gehandelt werden muss. Die Ampelkoalition hat mit einem sehr großen Anspruch an sich selbst angefangen. Sie wollten die "Fortschritts-Koalition" sein und Scholz der "Klimakanzler". Wenn man sich ihre tatsächlichen Maßnahmen anschaut, waren das leere Versprechungen, die bis jetzt nicht erfüllt wurden.

In über 250 deutschen Städten hat Fridays for Future Deutschland heute zum Klimastreik aufgerufen. Sie wollen, dass das "Klimagesetz nicht ausgehöhlt wird", dass "Sektorziele" eingehalten werden und das Klimageld kommt. Klingt ziemlich bürokratisch.
Wir wollen auch immer noch den Kohleausstieg und die Einhaltung der Pariser Klimaziele. Aber in den letzten Jahren hat die Bewegung viel erreicht, und wir wollen nicht, dass die Regierung diese Erfolge wieder rückgängig macht. Deswegen haben wir in Richtung Politik eben sehr konkrete Forderungen.

Können Sie die kurz erklären?
Im Klimagesetz wurde festgelegt, wie viel Treibhausgase verschiedene Sektoren jeweils einsparen müssen, um den Klimawandel aufzuhalten. Ein Sektor ist zum Beispiel Verkehr, für den vor allem das Verkehrsministerium zuständig ist. Die Ampel will jetzt diese "Sektorziele" aufweichen. Das wäre laut Experten ein totaler Rückschritt.

2019 war Umwelt- und Klimaschutz für eine Mehrheit der Deutschen das wichtigste Thema. Das ist laut dem Umweltbundesamt heute nicht mehr so. Wieso reißen Sie die Menschen nicht mehr mit? 
Wir befinden uns in einer Zeit mit multiplen Krisen und deswegen ist es auch verständlich, dass Menschen andere Sorgen haben. Die Klimakrise ist aber weiterhin da. Unsere Forderung ist auch, dass all diese Krisen gemeinsam angegangen werden. Aber mit uns werden heute Tausende, Zehntausende, vielleicht hunderttausende Menschen auf die Straße gehen. Und daran sieht man, dass es immer noch sehr viele Menschen gibt, die uns unterstützen und mit uns gemeinsam laut sein wollen.

Ist das wirklich so? Wir sehen vor allem in Ostdeutschland in Wahlumfragen die AfD auf Platz eins. Eine Partei, die den menschengemachten Klimawandel leugnet.  
Menschen finden Klimaschutz dann blöd, wenn sie sich hängengelassen fühlen. Und wenn sie das Gefühl haben, Klimaschutzmaßnahmen sorgen effektiv dafür, dass es ihnen schlechter geht. Und das passiert, wenn Klimaschutz nicht sozial und gerecht gedacht wird. Die AfD gewinnt dadurch, dass sie Ängste abgreift und möglichst einfach Lösungen präsentiert. Damit ist die Partei leider echt erfolgreich.

Unter anderem der Verein Together for Future koordiniert für Sie die Spendeneinnahmen. Die haben 2022 18 Prozent weniger Spenden bekommen, als im Jahr davor. Hat Fridays for Future ein Geldproblem?
Ich habe keinen direkten Einblick in unsere Finanzströme, aber nach meiner Erkenntnis ist das nicht der Fall. Es ist mit der Inflation klar, dass viele Menschen nicht mehr so viel spenden. Aber im Vergleich zu anderen sozialen Bewegungen sind wir immer noch gut aufgestellt.

So manch einer hat Fridays for Future schon auf dem Sterbebett gesehen.
(lacht) Na das hoffe ich nicht. Es passiert gerade sehr viel. Ich zum Beispiel bin in Berlin und in Heidelberg aktiv. Wir treffen uns immer noch einmal die Woche, in Berlin kommen immer noch zahlreiche Menschen. Wir machen inzwischen viel Bildungsarbeit, gehen in Schulen, sprechen mit Politikern. Vor der Coronapandemie haben wir vor allem Demos veranstaltet, da waren wir für die Öffentlichkeit sichtbarer.

Also hat die Bewegung auch keine Nachwuchsprobleme?
Nein, das würde ich so nicht sagen. Bei einer Bewegung gibt es immer sehr viel Fluktuation. Ich sehe aber auch immer wieder neue Gesichter, in den Ortsgruppen und auch bei unserem Sommerkongress. Mal sind es Studenten, aber auch immer noch Schüler.

Was die Öffentlichkeit aber mitkriegt sind die Proteste der Letzten Generation. Viele Menschen sind mit deren Aktionen sehr unzufrieden. Schadet das der Klimabewegung?
Der Hass auf die Letzte Generation ist enorm. Ich verstehe, dass Menschen frustriert sind, wenn sie im Stau stehen und sich fragen "Was kann ich jetzt persönlich dafür?" Aber dieser Hass, der auch immer öfter in Gewalt ausartet, ist absolut nicht okay. Grundsätzlich sorgt die letzte Generation aber auch dafür, dass das Thema Klima weiter präsent ist.

Sehen Sie im Video: Schadet die Letzte Generation dem Klimaschutz? Ein Aktivist streitet mit einer FDP-Politikerin über die Proteste.

Also ist die Letzte Generation keine Konkurrenz-Organisation?
Wir als Fridays for Future machen weiter Demonstrationen. Ich glaube, damit bieten wir ein gutes Alternativangebot für Menschen, die sehr niedrigschwellig für eine andere Klimapolitik kämpfen wollen. Wenn andere Menschen weiter gehen wollen, ist das okay.