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Liebe Leserinnen und Leser,
können Sie sich an Ihre erste Demo erinnern? Worum es ging, wie Sie sich gefühlt haben? `89 auf dem Alexanderplatz, als es gegen die SED-Regierung ging, bin ich eher zufällig hineingeraten, zwei Jahre später habe ich bewusst die Schule geschwänzt und stattdessen „Kein Blut für Öl“-rufend gegen den Irak-Krieg protestiert. Es fühlte sich sehr bedeutend an. Es gibt Demonstrationen, die die Kraft entfalten, eine ganze Generation zu prägen. Die Proteste nach dem Dutschke-Attentat 1968 waren so, die Bonner Hofgarten-Demo gegen den Nato-Doppelbeschluss 1981, die Lichterketten Anfang der 90er.
Jetzt ist es mal wieder so weit. Die Welle an Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und Menschenhass, sie ebbt einfach nicht ab. Sie ist aus den großen Städten, Hamburg, Berlin, Düsseldorf, in die Regionen geschwappt, die man manchmal etwas verächtlich Provinz nennt. In die kleinen Städte, dorthin, wo es mitunter wirklich Mut erfordert, auf die Straße zu gehen. 1500 Menschen kamen am Wochenende im sächsischen Bautzen zusammen. Zur Sicherheit ging man geschlossen zurück Richtung Bahnhof, man kann ja nie wissen.
Was stellen wir jetzt mit dieser Bewegung an?
Nur was stellen wir jetzt mit dieser Bewegung an? Diese Frage beschleicht viele, wenn sie nach Hause zurückgekehrt sind. Wir haben uns gemeinsam darüber Gedanken gemacht, was aus den Demonstrationen folgen muss. 10 Punkte haben wir identifiziert. 10 Vorschläge, was sich ändern muss – in der Politik und in unserer Haltung ihr gegenüber. Weil Demonstrieren allein eben nicht reichen wird, um den Höhenflug der AfD zu beenden.
Der Artikel ist Teil des Titelpakets des neuen stern-Heftes, das Sie ab morgen an jedem Kiosk kaufen können. „Nicht mit uns!“, steht in großen Lettern auf dem Cover. Sie werden den entschlossenen Blick von Helene Fischer darauf sehen, dazu Florian Silbereisen, Udo, Atze… 25 Prominente melden sich zu Wort, Schauspieler, Sänger, Sportler, Starköche und Wirtschaftsführer. Es ist ein Aufruf zum Kampf gegen die Feinde unserer Demokratie.
Person der Woche
… ist dennoch jemand anderes geworden. Sie zählt zu den bekanntesten Politikerinnen des Landes, meistens laut, manchmal zotig. Sie gehört zu den wenigen Menschen, die auch in stockfinsterer Nacht einen Panther vom Leoparden unterscheiden können. Sie ging bislang vor allem dem Kanzler auf den Wecker, künftig womöglich der Kommissionspräsidentin oder ihrem Nachfolger. Und vor allem hat sie den längsten Namen seit Parteifreundin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
Die Rede ist natürlich von: Marie-Agnes Strack-Zimmermann.
Am Sonntag haben die Liberalen die Verteidigungspolitikerin aufs Schild gehoben: Sie soll die FDP als Spitzenkandidatin in die Europawahl im Juni führen. Und den ampelgeplagten und nur noch knapp Fünf-Prozent-Hürden-hohen Liberalen zu neuer Größe verhelfen. Benedikt Becker nennt ihnen hier drei Gründe, warum das sogar funktionieren könnte. Und zwei Gründe die dagegensprechen.
Und sonst so?
Das Jahr ist fast schon wieder rum, der erste Monat geschafft – und, schwupps, habemus Haushalt! Jedenfalls fast. Wie damals vor einem Jahr alles begonnen hat mit der neuen Brieffreundschaft zwischen Christian Lindner und Robert Habeck - und wie daraus der wohl längste Haushaltsmarathon der Nachkriegsgeschichte wurde, hat Benedikt Becker (fleißiger Mann!) in seiner „Chronik einer Odyssee“ für Sie rekonstruiert.
Gestern wurde der Haushaltsentwurf in den Bundestag eingebracht, höchstpersönlich vom Bundesfinanzminister Christian Lindner. Heute ging es dann um den eher mickrigen Einzel-Etat des Bundeskanzleramts. Aber dies ist, so verlangt es die Tradition, die Stunde der Abrechnung mit der Regierungspolitik. Ein Best-of aus 210 Minuten Schlagabtausch können Sie in unserem Live-Blog nachlesen. So viel sei verraten: Es ging um „Mimosen“ und um „Marsianer“, um den Haushalt selbst ging es erstaunlich wenig.
Als erstes sprach der Oppositionschef und dann der Kanzler – auch das ist Tradition. Nur hörte es sich diesmal beinahe so an, als hätten Friedrich Merz und Olaf Scholz die Rollen getauscht. Merz gab den Staatsmann, Scholz brüllte bisweilen als wäre er der Angreifer. Sie fragen, wer denn nun gewonnen hat? Ich antworte schlicht: Lesen Sie Nico Frieds Kommentar!
Lauter Lieblinge!
Ihr Highlight der Woche
… ist unser Update aus Sonneberg. Meine Kollegin Johanna Hausmann hat nochmal nach dem Rechten gesehen, also dem ersten Landrat der AfD. Was treibt der eigentlich so, ein halbes Jahr nach Amtsübernahme?
Mein Highlight der Woche
… ist Frieds neue Kolumne. Der Mann weiß nicht nur ungeheuer viel, er schreibt auch viel. Und darum bietet er Ihnen, liebe Leserinnen und Leser eine Wette an: Es geht um die Kabinettsumbildung. Weil der Kanzler und seine Regierung so in der, sagen wir, Missgunst des Wahlvolks stehen, wittern manche Zeitgenossen schon eine nahende Kabinettsumbildung. „Die Debatte wird anheben“, schreibt er, „aber sie wird nicht kommen.“ Halten Sie dagegen?
Wir wünschen Ihnen eine gute Woche, die übrigens – entschuldigen Sie die kleine Schlusskurve – für viele Berliner Schülerinnen und Schüler eine verkürzte Woche ist. Die Halbjahreszeugnisse gibt es an vielen Schulen schon am Donnerstag. Warum? Weil nach der Bahn am Freitag nun die Verkehrsbetriebe streiken. Auf welchen noch nicht angekündigten Streik freuen Sie sich am meisten? Schreiben Sie mir.
Jetzt aber: herzlich, Ihr
Jan Rosenkranz
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