Am Abend des 21. November 2024, eines graukalten Donnerstags, herrscht Abschiedsstimmung in der deutschen Sozialdemokratie.
Ihre Ministerpräsidenten und weitere Spitzenleute der SPD haben sich in der niedersächsischen Landesvertretung im Berliner Regierungsviertel zur traditionellen "Kaminrunde" vor der Bundesratssitzung versammelt. Ein nüchterner Raum im Erdgeschoss, die Gardinen zugezogen.
Auch Olaf Scholz ist da. Vor 15 Tagen hat er die Ampelkoalition gekündigt. Es wird Neuwahlen geben, aber die kurze Euphorie in der SPD über den Rauswurf der FDP hat nicht gehalten. Ob Scholz die Partei als Spitzenkandidat anführt, ist unklarer denn je. Einige der Anwesenden erwarten an diesem Abend eine historische Entscheidung: den Austausch des Kanzlerkandidaten, den Abschied von Olaf Scholz.
Der hebt an: "Wir haben uns entschieden", murmelt der Kanzler so leise, dass man ihn kaum hört, "dass ich die SPD in den Wahlkampf führe." Manche trauen ihren Ohren kaum. Scholz bittet um Unterstützung, um Geschlossenheit. Ein paar Sätze, mehr nicht. Kein Jubel, kein Applaus. Die Wende ist ein Schock. Wir treten wieder mit Scholz an? Nicht mit Boris Pistorius, dem beliebtesten Politiker? Wirklich?