Wahlumfragen Aufholjagd der SPD in vollem Gang

Lange sah es nach einem sicheren Wahlsieg für ein Bündnis aus Union und FDP aus. Doch auf der Zielgeraden holt die SPD offenbar stark auf. Grüne und FDP schließen eine Ampelkoalition nicht mehr völlig aus.

Wird das Rennen um die Macht in Berlin noch einmal spannend? Letzte Umfragen knapp eine Woche vor der Bundestagswahl sehen die SPD und ihren Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier im Aufwind. So konnten die Sozialdemokraten sowohl laut ARD-"Deutschlandtrend" als auch dem ZDF-"Politbarometer" zufolge aufholen. Auch der stern-RTL-Wahltrend hatte zuletzt gestiegenen Zuspruch für SPD und Steinmeier registriert. Der positive Trend hat nach dem TV-Duell zwischen Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eingesetzt. Da eine Merheitsbildung im Bundestag nun wieder schwieriger werden könnte, halten sich sowohl die Grünen als auch die FDP ein Hintertürchen für andere als die bisher angestrebten Koalitionen offen. Trotz aller Verschiebungen hat ein schwarz-gelbes Regierungsbündnis allerdings noch immer eine knappe Mehrheit.

Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, würden sich die Sozialdemokraten laut "Deutschlandtrend" im Vergleich zur Vorwoche um 3 Prozentpunkte (laut ZDF um 2 Prozentpunkte)verbessern und damit auf 26 Prozent (bzw. 25 Prozent) kommen. Die Union bleibt nach der am Donnerstagabend veröffentlichten Umfrage des Wahlforschungsinstituts Infratest dimap unverändert bei 35 Prozent (36 Prozent laut ZDF). Die FDP erreicht unverändert 14 Prozent (13 Prozent, minus 1 beim ZDF), die Linke 11 Prozent (ebenso im Politbarometer) und die Grünen kommen auf 10 Prozent (ebenso im Politbarometer). Schwarz-Gelb hätte demnach laut beiden Umfragen mit 49 Prozent immer noch einen knappen Vorsprung vor dem linken Lager, das auf 47 Prozent kommt (46 Prozent beim ZDF).

Steinmeier macht Boden auf Merkel gut

Auch in der Kanzler-Frage haben sich Merkel und Steinmeier angenähert. Wäre eine Direktwahl möglich, würde Merkel laut ARD-"Deutschlandtrend" jetzt auf 53 Prozent kommen - im Vergleich zu 55 Prozent vor einer Woche. Steinmeier kann sich von 23 Prozent auf 30 Prozent steigern. Damit ist der Abstand zwischen den beiden von 32 auf 23 Punkte geschrumpft.

Eine mögliche Koalition aus Union und FDP würden 48 Prozent der Befragten gut finden, 50 Prozent aber fänden diese Lösung nicht so gut. Eine Fortsetzung der Großen Koalition aus Union und SPD wird von 45 Prozent befürwortet, 53 Prozent fänden dies nicht erstrebenswert. Denkbare Dreier-Bündnisse liegen weit dahinter.

Pieper schließt nichts kategorisch aus

Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem solchen, wenig beliebten Dreierbündnis kommt, steigt angesichts der jüngsten Verschiebungen in den Umfragen jedoch an. Die Grünen halten sich deshalb die Möglichkeit offen, nach der Bundestagswahl Chancen für eine Regierungsbeteiligung zu sondieren. Da eine Zusammenarbeit mit der Linken von allen anderen Parteien offiziell abgelehnt wird, könnten die Grünen zum Zünglein an der Waage bei der Mehrheitsbildung werden. Führende FDP-Politiker lehnten es ebenfalls ab, andere Konstellationen als das angestrebte Bündnis mit den Unionsparteien unter allen Umständen auszuschließen. Bundeskanzlerin Merkel forderte die Liberalen daher auf, auf ihrem Parteitag ein klares Bekenntnis zu Schwarz-Gelb abzugeben.

Die stellvertretende FDP-Vorsitzende Cornelia Pieper schloss am Freitag im ARD-Morgenmagazin auch auf mehrfache Nachfrage Bündnisse mit SPD und Grünen nicht kategorisch aus. Zwar sagte Pieper: "Wir sind ganz klar für Schwarz-Gelb." Dies werde auch der Parteitag am Wochenende deutlich machen. Die FDP werde Wort halten. Ministerposten seien nicht so verlockend, davon abzurücken. Dennoch machte sie auf Nachfrage keine klare Aussage zu einer Ampelkoalition mit SPD und Grünen sowie zu einer Jamaika-Koalition mit Union und Grünen. Vielmehr verwies sie auf Umfragen, wonach Schwarz-Gelb ja eine Mehrheit habe.

Grüne: "Über mehr als Rot-Grün verhandeln"

Auch die beiden Grüne-Spitzenkandidaten Renate Künast und Jürgen Trittin unterstrichen zwar am Donnerstag in Berlin den Parteitagsbeschluss gegen eine Jamaika-Koalition. Zugleich signalisierte Trittin aber Gesprächsbereitschaft über die SPD hinaus. "Wir werden wahrscheinlich über mehr verhandeln müssen als über Rot und Grün", sagte er. Das von den Grünen favorisierte Bündnis mit den Sozialdemokraten kommt in einer aktuellen Emnid-Umfrage zusammen auf lediglich 36 Prozent.

In den Umfragen liegen die Grünen weiterhin hinter der zuletzt starken FDP. Ziel sei dennoch, die FDP als drittstärkste Partei abzulösen, eine schwarz-gelbe Koalition sowie die Fortsetzung der großen Koalition zu verhindern, sagten Künast und Trittin. Die jüngsten Umfragen und Prognosen sprechen allerdings dafür, dass die Grünen in der Wählergunst eher zurückfallen.

AP · DPA · Reuters
DPA/AP/Reuters/dho