Was ist neu?
Alles! Als 51. Verein hat sich der FC Augsburg in die Annalen der Bundesliga-Geschichte eingetragen. Die Schwaben aus Bayern haben zwar eine Reihe berühmter Fußballer hervorgebracht (u.a. Helmut Haller, Bernd Schuster, Karlheinz Riedle) - doch für die Bundesliga hat es erst jetzt gereicht.
Die Euphorie in der drittgrößten Stadt Bayerns ist demzufolge riesengroß, allein 17.500 Dauerkarten für die knapp 31.000 Zuschauer fassende SGL Arena wurden verkauft.
Dass die Mannschaft das Zeug für die 1. Liga hat, hatte sich bereits in der Saison 2009/2010 angedeutet. Damals erreichte der FCA das Pokalhalbfinale (Niederlage gegen Bremen) und scheiterte in der Relegation am 1. FC Nürnberg. Platz zwei hinter Hertha BSC bestätigte in der abgelaufenen Spielzeit einen langfristigen Trend.
Erschwert wird die Mission Klassenerhalt durch zwei prominente Abgänge: Der schnelle Ibrahima Traore wechselte nach Stuttgart, und der hochtalentierte, ausgeliehene Moritz Leitner kehrte nach Dortmund zurück. Auch Sören Bertram, Kees Kwagman und Lukas Sinkiewicz verließen den Verein.
Und dann ist da noch der Paukenschlag mit Michael Thurk. Am Montag vor dem Liga-Auftakt gegen Freiburg wurde der einstige Torjäger vom Verein ausgebootet. Trainer Jos Luhukay und Manager Andreas Rettig entschieden nach einem Gespräch mit dem 35 Jahre alten Fußball-Profi, "mit sofortiger Wirkung" auf ihn zu verzichten. Im veränderten System sei keine Position mehr für Thurk vorhanden, hieß es zur Begründung.
Bei den Zugängen verzichtete man auf Prominenz. Der Teamgedanke stand bei den Neuverpflichtungen im Vordergrund. Dominic Peitz (26, Union Berlin), Sebastian Langkamp (23, Karlsruher SC) und Sascha Mölders (26, FSV Frankfurt) sind allesamt gestandene Zweitliga-Kicker, die sich nun eine Klasse höher beweisen wollen. Dazu kommen Akaki Gogia (U19-Deutscher Meister mit dem VfL Wolfsburg) und Patrick Mayer (23, Torschützenkönig der 3. Liga aus Heidenheim). Der wohl hochkarätigste Einkauf ist Mittelfeldspieler Lorenzo Davids, der 24-jährige Cousin von Edgar Davids, der mit NEC Nijmwegen 132 Spiele in der holländischen Ehrendivision absolviert hat.
Mit den neuen Spielern feilte Luhukay in der Vorbereitung auch an einer Systemumstellung. Während Augsburg in der Zweiten Liga zumeist in einem 4-4-2-System agierte, probierte es der Coach zuletzt häufiger mit dem zurückhaltenderen 4-2-3-1, was für zusätzliche Stabilität sorgen soll.
Was ist gut?
Augsburg ist eine Mannschaft ohne großen Namen, ohne Stars. Der Teamgedanke steht im Vordergrund, die Hierarchie ist flach. Die Mannschaft kennt sich, ist eingespielt und hat sich durch den Aufstieg selbst belohnt.
Daran will das Team nun anknüpfen. Insbesondere Spieler wie Möhrle, Bellinghausen und Rafael, die sich schon einmal aus der 1. Liga verabschieden mussten, brennen darauf, ihre Qualitäten zu zeigen. Für viele ist es die letzte Chance, dementsprechend hungrig werden sie sein.
Das Prunkstück ist die Defensive. Augsburg hatte mit nur 27 Gegentreffern die stärkste Abwehr der zweiten Liga. Auch das schnelle Umschalten gehört zu den Stärken des FCA.
Die Euphorie ist gewaltig. Die Fans sind stolz darauf, dass ihre Mannschaft es überhaupt bis in die Bundesliga geschafft hat. Das sorgt für eine entsprechend niedrige Erwartungshaltung. Jedes der 17 Heimspiele ist für Augsburg ein Fußball-Feiertag. Man will guter Gastgeber sein für Teams wie die Bayern, den BVB und Schalke 04. Dass dabei Durststrecken zu überstehen sind, ist allen klar.
Dementsprechend gelassen können Trainer und Manager die Saison angehen. Es gibt keinen Druck, nur ein gemeinsames Ziel: den Klassenerhalt. Der Trainer erhielt sogar eine Jobgarantie selbst bei 34 Niederlagen. Luhukay dazu: "Das ist eine tolle Geste. Aber ich habe nicht vor, das auszuprobieren."
Was ist schlecht?
Augsburg geht mit einem Etat von geschätzt 30 Millionen Euro in die Saison. Zu wenig, um den Kader mit hochkarätigen Neuverpflichtungen zu bestücken. Wie so oft bei einem Aufsteiger sollen Kampf, Disziplin und die Leidenschaft des Kollektivs die fehlende Klasse kompensieren. Doch das ist auf Dauer zu wenig, um in der höchsten Spielklasse mitzuhalten. Siehe das Beispiel des FC St. Pauli in der abgelaufenen Saison.
Die Mannschaft ist in den vergangenen beiden Jahren auf einer Welle des Erfolgs geschwommen. Es ging nur in eine Richtung: nach oben. Das wird sich in der Bundesliga ändern. Das Team wird Rückschläge verkraften müssen, Durststrecken mit Spielen ohne Sieg, die Erfahrung, dass es selbst dann nicht reicht, wenn alle Spieler an ihre Grenzen gehen. Erst in diesen Situationen wird sich zeigen, wie belastbar der vielbeschworene Teamspirit wirklich ist.
Einen Vorgeschmack gab es bereits mit dem Rausschmiss von Michael Thurk. Sportlich mag die die Trennung vom ehemaligen Zweitliga-Torjäger nachvollziehbar sein, doch die Art und Weise so kurz vor dem Liga-Auftakt ist unprofessionell und stillos.
Augsburgs Kader muss sich nicht unbedingt vor dem der Aufsteiger der vergangenen Jahre verstecken. Mainz, Freiburg, Kaiserslautern haben gezeigt, dass man auch mit bescheidenen Mitteln die Klasse halten bzw. sich in der Liga etablieren kann. "An diesen Klubs können wir uns orientieren", sagt Manager Rettig. Bei genauerem Hinschauen offenbaren sich allerdings ein paar Schwachstellen. Im zentralen Mittelfeld fehlt es nach den Abgängen von Leitner und Traore an Kreativität und Esprit. Der Transfer von Charles Takyi vom Absteiger FC St. Pauli hätte die Lücke schließen können, ließ sich offenbar aus finanziellen Gründen aber nicht realisieren.
Auch der Sturm erscheint nur bedingt erstligatauglich. Nach der Ausmusterung von Michael Thurk liegt die Last auf den Schultern von Sascha Mölders. Wohl ein zu großer Rucksack für den Neuzugang. Und auch der Name Nando Rafael jagt Bundesliga-Verteidigern seit seiner Zeit bei Borussia Mönchengladbach auch nicht wirklich Angst ein.
Generell besticht der Augsburger Kader eher durch Masse denn durch Klasse. Und das Argument der vielen Profis mit Bundesliga-Erfahrung lässt sich durchaus auch ins Gegenteil verkehren: Möglicherweise hatte es ja seinen Grund, dass sich Spieler wie Callsen-Bracker, Möhrle und Ndjeng bei ihren ehemaligen Vereinen in der höchsten Klasse nicht durchsetzen konnten. Es hat vielleicht schlichtweg nicht gereicht. Und warum sollte das jetzt in Augsburg anders sein?
Was ist möglich?
Nun also das Abenteuer Bundesliga. Trainer Jos Luhukay kennt das Geschäft noch aus seiner Zeit bei Borussia Mönchengladbach. Er weiß, was auf seine Mannschaft zukommt: "Die Spieler werden sich umstellen müssen. In der ersten Liga ist der Trubel groß. Das Medienaufkommen, die Stadien, die Atmosphäre - das alles sorgt für noch größeren Druck", ist sich der Trainer sicher.
Für den FCA beginnt der Abstiegskampf gleich mit dem ersten Spieltag. Was dem Neuling bei der Premierensaison entgegenkommen könnte: Die Augsburger haben ein relativ überschaubares Auftaktprogramm. Sie starten mit einem Heimspiel gegen den SC Freiburg, reisen nach Kaiserslautern und empfangen dann Hoffenheim. Weiter geht's mit Partien gegen Nürnberg, Leverkusen und Hertha BSC. Da sollten einige Punkte drin sein, und die Aufstiegseuphorie könnte sich bis in den Herbst hinein verlängern.
Doch der Spielplan ist Fluch und Segen zugleich. Denn die harten Brocken lauern im letzten Drittel der Runde, was sich im Abstiegskampf am Ende der Saison auswirken dürfte. Und ein verpatzter Start mit wenig Punkten könnte die Hoffnungen auf den Klassenerhalt schnell sinken lassen.
Unsere Prognose: Am Ende reicht die Qualität einfach nicht, und die Elf von Luhukay muss sich mit dem Abstieg abfinden.