EM 2012 6 -2 gegen Österreich - Deutschland stellt die Favoritenfrage

Als erstes Team neben den Gastgebern hat sich Deutschland für die EM 2012 qualifiziert. Doch viel wichtiger ist die Art und Weise, wie das DFB-Team derzeit Fußball zelebriert. Der 6:2-Sieg gegen Österreich war teilweise berauschend. Bundestrainer Joachim Löw wehrt sich aber gegen das Siegel EM-Topfavorit.

Mitte der zweiten Halbzeit war es in der Gelsenkirchener Arena ungewöhnlich still. Deutschland führte gegen Österreich 4:2, die spielerische Linie war aber ein wenig verloren gegangen. Mittlerweile ist man halt verwöhnt, wenn die deutsche Nationalmannschaft spielt. In der Schlussphase legten die eingewechselten André Schürrle und Mario Götze aber noch zwei Treffer nach und so kehrte die Feierlaune schnell zurück.

Zumal sich das Team von Bundestrainer Joachim Löw mit acht Siegen in acht Spielen und einem Torverhältnis von 28:5 Toren mit der idealen Ausbeute vorzeitig für die EM in Polen und der Ukraine qualifizieren konnte. Schnell wurden Stimmen laut, die Deutschland zum Topfavoriten auf den Titel machen wollten.

Löw sieht viele Favoriten

Die Frage, ob Deutschland - Stand jetzt - die Nummer 1 in Europa ist, war Löw aber zu hoch gegriffen. "Das würde ich nicht unbedingt sagen. Wir sind eine sehr, sehr gute Mannschaft. Wir sind seit Jahren konstant in der Weltspitze. Wir haben fußballerisch einen Sprung gemacht", antwortete der 51-Jährige. Erst vom 8. Juni bis 1. Juli 2012 kommt es zur Überprüfung der These. "Es gibt bei der EM wahrscheinlich eine Gruppe von Favoriten", meinte Löw, der spontan neben Welt- und Europameister Spanien auch Holland, Portugal, England und Frankreich aufzählte. "Aber unsere Mannschaft gehört schon auch zu den besten in der Welt", ergänzte der Bundestrainer.

In jedem Fall konnte sich die deutsche Mannschaft als erstes Team neben den Gastgebern qualifizieren. Aber die ebenfalls furios aufspielenden Niederländer (11:0 gegen San Marino) und auch Italien können am Dienstag folgen. Als zu schlagender Gegner gelten aber weiterhin die Spanier, die an diesem Spieltag frei hatten und nun gegen Liechtenstein wohl den nächsten Dreier einfahren werden.

Schon am Dienstag gegen Polen beginnt für das DFB-Team nun die EM-Vorbereitung. "Ich kann es mir gut vorstellen, dass eine andere Mannschaft aufläuft", kündigte Löw Umstellungen an. Es ist eine Reise in die Zukunft, denn Danzig hat der DFB als EM-Standort auserkoren. "Jetzt geht es ins Detail mit den Kleinigkeiten", verriet Teammanager Oliver Bierhoff: "Ich denke, dass wir in den nächsten 14 Tagen die Vorbereitung fixieren können." Bis zur Vollendung der Titelmission müssen sich die berauschten schwarz-rot-goldenen Anhänger noch etwas länger gedulden.

"Es war nur Österreich"

Doch zurück zur Gala gegen Österreich: Die berauschten Fans in Gelsenkirchen feierten das deutsche Team schon nach dem ersten kleinen Etappenziel wie Europameister. Aber so sehr die EM-Helden in spe die Ovationen nach ihrer 6:2-Torgala in der Schalker Arena genossen, sie blieben im allgemeinen Rausch erstaunlich realistisch. "Wir können glücklich sein", verkündete Vize-Kapitän Bastian Schweinsteiger - "aber es war nur Österreich."

Die Skifahrer-Nation ist längst kein Maßstab mehr für eine von fußballerischem Talent, jugendlichem Elan und einem harmonischen Betriebsklima getragenen Mannschaft, die Joachim Löw mit großartigem Geschick zu immer neuen Höhen führt. "Wir haben die Qualifikation so früh wie möglich geschafft. Das ist absolut bemerkenswert", sagte der Bundestrainer stolz. Er bescheinigte dem Team eine "klasse Leistung".

53.313 Zuschauer waren entzückt von der spielerischen Rasanz und fein heraus gespielten Treffern durch Mesut Özil (23./47. Minute), der sein drittes Tor jovial Miroslav Klose (8.) gönnen konnte. "Ich war dran, sonst hätte ich nicht gejubelt", versicherte Klose nach seinem Länderspieltor Nummer 62. Der wieder aufblühende Lukas Podolski (28.) und die Joker Schürrle (83.) und Götze (89.) komplettierten den Torreigen.

Ärger über die Gegentore

Bis zu 180.000 Euro Erfolgsprämie pro Mann muss DFB-Präsident Theo Zwanziger locker machen, der nach dem Schlusspfiff in die Kabine gestürmt war und verbale Orden verteilte: "Das war Freude pur. Der deutsche Fußball ist stolz auf diese Mannschaft." Man habe "wirklich ein tolles Spiel abgeliefert und verdient so hoch gewonnen", kommentierte der bei Real Madrid zum Weltklassemann gereifte Özil. Der bescheidene Gelsenkirchener Junge spielte in der Heimat groß auf und sagte leise: "Wir sind auf einem guten Weg."

Dieser führt scheinbar unaufhaltsam aufwärts - hin zur Krönung beim EM-Turnier in Polen und der Ukraine? "Mit uns ist zu rechnen. Wir spielen um den Titel und wollen ihn auch", antwortete Podolski, der 495 Minuten Torflaute im Nationaltrikot beendete und im neuen offensiven 4-1-4-1-System neben Özil und Torvorbereiter Thomas Müller in EM-Form aufspielte. "Wir haben die Österreicher 90 Minuten nicht atmen lassen, das war der Schlüssel", lobte Löw. Die Gegentore der beiden Bundesliga-Legionäre Marko Arnautovic (42.) und Martin Harnik (51.) waren Schönheitsfehler. "Über die haben wir uns schon geärgert", berichtete Müller, als er aus der Kabine kam.

Löw kann nun in den kommenden Monaten in Ruhe tüfteln, sichten und puschen. Gegen Polen beginnt der lange Wettstreit der Spieler um die 23 persönlichen EM-Fahrkarten. "Der Konkurrenzkampf treibt sie an, die Spannung hochzuhalten", erklärte Löw. Gerade im Herzzentrum des deutschen Spiels, dem Mittelfeld, herrscht Qualität im Überfluss. Ein Ausnahmetalent wie Götze musste gegen Österreich 84 Minuten auf der Bank schmoren, bevor er noch sechs Minuten zaubern konnte. "Er ist 19, und man sollte so einen Spieler auch nicht überfordern", mahnte der behutsame Förderer Löw.

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