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Deutscher Medienpreis Löws bewegende Rede gegen den Hass in der Welt

Joachim Löw hat den Deutschen Medienpreis erhalten. In einer bemerkenswerten Dankesrede warb er für die Werte des Fußballs. Für Pegida-Anhänger sollten seine Worte Pflichtlektüre sein.
Von Tim Schulze

Das wäre doch eine gute Idee. Joachim Löw macht sich an diesem Sonntag auf nach Dresden, um zu den Pegida-Demonstranten zu sprechen. Er könnte in Dresden seine Dankesrede wiederholen, die er am Freitag in Baden-Baden anlässlich der Verleihung des Deutsches Medienpreises gehalten hat. Es war eine bemerkenswerte Rede, die die Zuschauer so sehr beeindruckte, dass sie danach aufstanden und lange applaudierten. Löw sprach frei etwas mehr als zehn Minuten - und Löw hatte seinen Zuhörern etwas mitzuteilen. Er sprach von seiner Mannschaft, seiner Arbeit un den Gründen für den Erfolg. Und er sprach damit engagiert gegen den den Hass in der Welt an.

Löw, der Weltmeister-Trainer, stellte die Nationalelf als Modell für eine friedliche Gesellschaft dar, die deshalb erfolgreich ist, weil sie gerade bestimmte Werte wie Toleranz und ein friedliches Zusammenleben von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen vertritt. "Wie schön wäre es, wenn Deutschland irgendwann auch Weltmeister des friedlichen und freundlichen Zusammenlebens unterschiedlicher Kulturen und Religionen wäre?", sagte Löw. Das war eine klare Botschaft.

Fußballspielende Außenminister

Die Mannschaft sei in ihrer multikulturellen Zusammensetzung ein Vorbild. "Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt, nicht seine Herkunft", betonte Löw: "Es gibt tolle Menschen in allen Kulturen und Religionen. Alle können hervorragend miteinander auskommen, wenn sie sich gegenseitig respektieren und die ausgemachten Regeln einhalten."

Das Video

Sehen Sie hier die Rede im Video.

Seine Spieler und der DFB sollten für Werte wie Integration, den Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus auch außerhalb des Platzes eintreten: "Auch wir beim DFB müssen mit unserer Popularität diese Werte und diese Ziele weiterhin verfolgen. Löw betonte die politische und gesellschaftliche Verantwortung der Nationalspieler und erklärte mit Blick auf ihr Verhalten bei den WM-Turnieren 2010 in Südafrika und 2014: "Wir können stolz sein auf unsere Fußball spielenden Außenminister."

Blick über Deutschland hinaus

Löw warf in seiner Rede auch einen Blick weit über Deutschland und ressentimentgeladene Befindlichkeiten satter Wohlstandsbürger hinaus: Das neue Jahr habe "mit einem Terroranschlag in dem Land begonnen, in dem die nächste EM stattfindet - in Paris". Er erinnerte daran, dass noch zwei Jahren in der Ukraine die Fußball-Europameisterschaft stattgefunden hatte. Das Stadion von Donezk sei heute zerstört.

Der 54-Jährige hatte den Preis erhalten, weil "sein Führungsstil und seine Spielphilosophie die Nationalelf in der ganzen Welt zu einem herausragenden Botschafter eines modernen, weltoffenen und sympathischen Deutschlands gemacht" habe, so die Begründung der Jury aus Chefredakteuren führender Zeitungen und Zeitschriften.

Lesen auf der nächsten Seite die Rede von Joachim Löw im Wortlaut.

Die Rede des Bundestrainer:

"Meine sehr geehrten Damen und Herren,

für mich ist das eine ganz besondere Auszeichnung, heute diesen Preis in Baden-Baden entgegenzunehmen. Die Liste der Preisträger ist imponierend und beeindruckend, und umso mehr freue ich mich und bin sehr, sehr stolz, dem Kreise dieser Persönlichkeiten heute auch anzugehören.

Nach der WM gab es sehr viele Einladungen und Ehrungen, über die ich mich sehr, sehr gefreut habe. Aber heute freue ich mich ganz besonders, weil dieser Preis für mich ein bisschen über das Jahr 2014 hinausgeht und weil es auch die Arbeit vielleicht vieler Jahre bewertet. Und ich möchte noch mal betonen, dass dieser Preis heute nicht ein Abschluss, sondern ein Ansporn ist, weil – wie Sie alle wissen – ich ja noch weiterhin als Bundestrainer aktiv sein werde. Und ich habe mit meinem Trainer-Team und unserer Mannschaft noch voller Elan viele Ziele vor Augen und deswegen sehe ich das heute als ein positives Zwischenfazit auf einem Weg, der noch nicht zu Ende ist.

Unsere Mannschaft hat in Brasilien Großartiges geleistet. Unsere Mannschaft hat Zeichen gesetzt und wir haben uns belohnt für eine sehr, sehr lange und sehr intensive Arbeit. Aber wir sind in Brasilien im Maracana nicht nur deswegen Weltmeister geworden, weil wir eine sehr gute Turnierleistung abgerufen haben, sondern auch, weil die Basis und das System hinter der Nationalmannschaft in den letzten Jahren enorm optimiert worden ist.

Und der DFB – allen voran Wolfgang Niersbach – die Liga, alle Trainer und alle Spieler, alle Vereine und natürlich auch alle Fans, die uns unterstützt haben, haben ihren Anteil daran. Letzten Sommer sind wir alle gemeinsam Weltmeister geworden, und ich glaube, darauf können wir auch alle gemeinsam sehr, sehr stolz sein.

Jetzt werde ich natürlich gefragt: Wie habt ihr das hinbekommen mit der Mannschaft, mit diesem ganz besonderen Spirit, um den uns die ganze Welt beneidet hat? Das war nicht eine Sache eines Trainingslagers, sondern das war ein langer, ein kontinuierlicher Prozess. Aber am Anfang dieses Prozesses stand eine klare Idee. Wir wussten schon, wo wir hin wollen und was wir dafür zu tun haben.

Natürlich wollten wir eine Mannschaft, die um die Titel mitspielt und die wettbewerbsfähig ist. Aber wir wollten vor allen Dingen auch eine Mannschaft formen, die in der Art und Weise und in ihrer Außendarstellung den Menschen und den Fans und allen Fußballfreunden viel, viel Freude und viel Spaß bereitet. Und wir wollten Spieler, die sympathisch sind.

Nicht, dass Sie mich jetzt falsch verstehen, wir wollten kein Kollektiv der Ja-Sager und leicht lenkbaren und steuerbaren Spieler. Wir wollten ganz besondere Typen und eine maximale Vielfalt, und wir wollten Spieler, die von ihrem Charakter zu unserer Philosophie und zu unseren eigenen definierten Werten passen.

Es wurde in den letzten Jahren auch viel darüber geschrieben und gesprochen, dass die Nationalmannschaft ein Musterbeispiel für gelungene Integration ist, weil wir sehr viele Spieler mit unterschiedlichen Abstammungen und unterschiedlichen Wurzeln haben. Ganz ehrlich: Uns hat das nicht interessiert, wo jemand herkam, welcher Religion er angehört. Uns war, ist und bleibt wichtig, ob der Spieler gut ist und ob unsere Zuschauer sich mit ihm identifizieren können.

In den letzten Monaten wurde auch viel über Integration und das Miteinander unterschiedlicher Kulturen gesprochen, und natürlich war das bei uns ein wichtiges Thema in der Mannschaft und natürlich auch in der ganzen Welt.

Ich glaube schon, dass wir alle von dieser Mannschaft lernen können. Bei uns ist es so, dass der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht seine Herkunft. Und es gibt tolle Menschen, und das sehen wir bei unserer Nationalmannschaft mit diesem bunten Mix aller Kulturen und aller Religionen. Und alle können hervorragend miteinander auskommen, wenn sie sich gegenseitig respektieren und die ausgemachten Regeln einhalten. Wenn wir dafür ein Beispiel sind, freut uns das besonders.

Uns war es immer sehr, sehr wichtig, dass wir der Mannschaft gewisse Werte mitgeben und ihnen klarmachen, dass sie als Nationalspieler eine besondere Verantwortung haben. Auf und neben dem Platz. Und dass sie verstehen – wenn sie das Trikot der Nationalmannschaft mit dem Bundesadler anziehen – dass sie eben auch eine Vorbildfunktion haben für viele, viele Millionen von jungen, fußballspielenden Kindern.

Drei Millionen Trikots sind verkauft worden innerhalb von wenigen Wochen. Und da geht es uns nicht um den materiellen Wert, sondern es ist schön, zu sehen, dass die Menschen den Wunsch haben, sich mit dem Kauf dieses Trikots mit unserer Mannschaft zu identifizieren.

7,5 Millionen haben Anfang Januar den Film „Die Mannschaft“ in der ARD gesehen. Und eine Million Zuschauer hat unseren Film im Kino gesehen. Das zeigt, was der Fußball für einen Stellenwert hat, welche Wichtigkeit er hat. Und natürlich auch, welche Außendarstellung das bewirkt.

Auf der anderen Seite – und das sollten wir nicht vergessen und steht im krassen Gegensatz zu dem, was wir im letzten Jahr an Freude erlebt haben – gibt es auch viele Krisen in dieser Welt: Israel, Palästina im Dauerkonflikt. Hüben wie drüben. Europa stand kurz vor einem Krieg, ausgelöst durch den Konflikt Russland/Ukraine und die Besetzung der Krim. 2012 haben wir noch mit der Nationalmannschaft in der Ukraine gespielt. Das Stadion von Donezk ist völlig zerstört und die Stadt in einem absoluten Krisenzustand, Kriegszustand.

Im letzten Jahr wurden 270 unschuldige Menschen in einer holländischen Passagiermaschine über der Ukraine abgeschossen. Krieg in Syrien, sechs Millionen Menschen auf der Flucht. Ebola. Im letzten Jahr wurden 260 Schulkinder in Nigeria entführt. Bis heute weiß niemand, wo sie sind. Auch 2015 hat jetzt wieder mit einem Terroranschlag begonnen. In dem Land, in dem die nächste EM stattfindet. In Paris. Die Folgen können wir alle noch gar nicht so richtig einschätzen. Auch davor sollten wir die Augen nicht verschließen.

Wir können und wollen den Menschen mit unserem Fußball viel Freude und Spaß bereiten. Und viele positive Emotionen auslösen. Aber wir sollten das bei der Nationalmannschaft und mit unseren Spielern und dem DFB nicht nur auf dem Trainingsplatz tun oder auf dem Spielfeld, sondern wir sollten auch mit aller unserer Überzeugung dafür eintreten, andere Werte und Ziele zu verfolgen. Wie Integration. Eintreten gegen Rassismus oder Antisemitismus. Gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit. Auch wir beim DFB müssen mit unserer Popularität diese Werte und diese Ziele weiterhin verfolgen.

Und wie schön, meine Damen und Herren, wie schön wäre es, wenn Deutschland irgendwann Weltmeister des friedlichen und freundlichen Zusammenlebens unterschiedlicher Kulturen und unterschiedlicher Religionen wäre.

Deshalb ist dieser Preis für mich ein Ansporn, mit dem DFB und mit unserem Team und mit unserer Mannschaft weiter an diesen Zielen und an diesen Werten zu arbeiten und das weiterhin zu verfolgen. Vielen Dank."

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