Die Spannung steigt: Am kommenden Samstag (14. Oktober) treffen beim Ironman Hawaii die besten Langdistanz-Triathleten der Welt aufeinander, um ihre Weltmeister zu küren. Aus deutscher Sicht lief die sportliche Tortur aus 3,86 Kilometern Schwimmen im Pazifik, 180,2 Kilometern Radfahren durch windanfällige Lavafelder und dem finalen Marathon bei deutlich über 30 Grad zuletzt mehr als erfreulich: Überquerte 2014 zunächst Sebastian Kienle als Erster die Ziellinie in Kailua-Kona, legte dann Jan Frodeno mit zwei Siegen in Folge nach. Mehr noch: 2016 standen neben dem Triathlon-Olympiasieger von 2008 (Peking) in Kienle und Patrick Lange zwei weitere Deutsche auf dem Podium des wichtigsten Rennen des Jahres. Zudem trugen Andreas Böcherer (Platz 5) und Boris Stein (Platz 7) zum beeindruckenden Ergebnis für Deutschland bei.
Klar, dass sich Fans hierzulande auch für 2017 ein ähnliches Ergebnis erhoffen (Hier erfahren Sie, wo Sie den Ironman Hawaii 2017 im TV verfolgen können). Tatsächlich stehen die Chancen ganz gut, dass am Samstag erneut ein deutscher Athlet jubeln darf. Der stern stellt Ihnen die vielversprechendsten "Eisenmänner" kurz vor - und verrät zudem, welche internationalen Profis die Erfolgsserie der "Germans" beenden wollen.
Jan Frodeno: Mit Sieg drei in die Geschichtsbücher?
Der gebürtige Kölner gilt nach seinen Siegen in 2015 und 2016 nicht nur Experten als der Favorit auf den WM-Titel - auch seine Konkurrenten nennen "Frodo" meist an erster Stelle, fragt man sie nach dem vermeintlich stärksten Gegner. Zumal der 36-Jährige in dieser Saison die großen Rennen mied, um sich voll auf Kona zu konzentrieren. Dass nicht weniger als der Sieg sein Ziel ist, machte Frodeno erst kürzlich deutlich. Ein zweiter Platz sei für ihn "Niederlage, Demütigung, Versagen", sagte er in einem Interview der "Bild am Sonntag".
Schwächen hat der 1,94 Meter große Modellathlet zwar in keiner Disziplin, auf ein Duell mit den schnellsten Läufern wie Patrick Lange (siehe unten) oder dem Schweden Patrick Nilson wird es Frodeno aber nicht ankommen lassen wollen. Es dürfte ihm also daran gelegen sein, dass Rennen möglichst schon beim Schwimmen und Radfahren schnell zu machen, um sich vor dem Marathon einen (kleinen) Vorsprung zu erarbeiten. Fest steht: Egal wie sich das Rennen auch entwickeln mag, Frodeno ist derjenige, den es zu schlagen gilt. Läuft es für den "Sportler des Jahres 2015" nach Plan, wird er Geschichte schreiben: Er wäre nach den Triathlon-Legenden Mark Allen und Dave Scott (jeweils sechs Siege auf Hawaii) erst der Dritte, dem drei Siegen in Serie gelängen.
Sebastian Kienle: Ex-Champion will zweiten Hawaii-Sieg
Nach Platz zwei im Vorjahr will Sebastian Kienle 2017 zurück aufs oberste Podest. Dass seine Form in diesem Jahr stimmt, bewies der 33-Jährige gleich in mehreren Rennen, unter anderem bei der Ironman-EM in Frankfurt sendete der Mühlacker mit der Titelverteidigung ein Ausrufezeichen in Richtung Konkurrenz. Lediglich bei der WM über die halbe Ironmandistanz im September in Chattanooga (USA) blieb Kienle als Fünfter hinter den/seinen Erwartungen zurück. Das aber muss kein schlechtes Omen sein: Bei seinem Hawaii-Sieg 2014 hatte er bei der immer kurz vor Kona stattfindenden WM über die halbe Distanz gar nur Platz 18 belegt.
Ob es für Kienle zum Sieg reicht, hängt auch davon ab, wie schnell es der vergleichsweise schlechte Schwimmer schafft, auf dem Rad - seiner Paradedisziplin - zur Spitze aufzuschließen. Gelingt ihm das früh, dürfte der 33-Jährige sein Heil in der Flucht suchen, um die ganz schnellen Läufer zu distanzieren oder zumindest durch sein Tempodiktat schon vor dem Lauf zu ermüden. Kienle, der mittlerweile auch läuferisch zu den Besseren gehört, sagte zuletzt in mehreren Interviews, dass er volles Risiko gehen wolle und er sich in der Lage sehe, jeden schlagen zu können - auch Jan Frodeno.
Patrick Lange: Dank Laufturbo zum ersten WM-Titel?
Als Debütant schaffte es Patrick Lange 2016 auf Anhieb aufs Podium - und stellte ganz nebenbei einen neuen Marathon-Streckenrekord (2:39:45 Stunden) auf. Der Bronzerang war zudem insofern beeindruckend, weil der 31-Jährige beim Radfahren eine Fünf-Minuten-Zeitstrafe erhalten hatte und das Feld von hinten aufrollen musste. Nur für den Hinterkopf, da letztlich Makulatur: Im Ziel fehlten Lange exakt 4:44 Minuten auf Sieger Frodeno.
Will heißen: Lässt sich der starke Läufer auf dem Rad nicht all zu weit abhängen oder hält er gar Kontakt zur Spitze, ist Lange definitiv ein Siegeskandidat. Zumal er bei seinem letzten Formtest auf Rügen bewies, dass seine Verletzungen, die ihm die erste Saisonhälfte verhagelt hatte, völlig überwunden scheint. Interessant wird indes sein, wie der Hesse mit dem (medialen) Druck umgehen wird, der ihm seine starke Premiere beschert hat. 2016 hatten Lange nur die wenigsten auf der Rechnung - das wird am Samstag ganz anders sein.
Boris Stein: Kontinuierlich Richtung Podium
Kontinuierlich arbeitete sich Boris Stein bei jedem seiner Hawaii-Starts näher ans Podium heran. Sprang bei seinem ersten Auftritt 2014 Platz 20 heraus, belegte der derzeit für den Sport beurlaubte Gymnasiallehrer im Folgejahr bereits den zehnten Rang. 2016 knackte er dann als Siebter erstmals die Top-Ten. Verständlich, dass der 32-Jährige nun eine weitere Steigerung anpeilt. Seine Erfolge bei Rennen im Sommer zeigten jedenfalls, dass Steins Formkurve in Richtung Kona stimmt. Sollte er seinen Rückstand nach dem Schwimmen gering halten und auf dem Rad schnell aufschließen, ist ein Platz unter den besten Fünf definitiv drin - eventuell und gerade im Fall eines harten (Rad-)Rennens auch mehr.
Nils Frommhold: Beim Hawaii-Comeback in die Top-Five?
Musste Nils Frommhold 2016 verletzungsbedingt auf einen Start bei der WM auf Hawaii verzichten, will der 31-Jährige am Samstag möglichst sofort an seinen sechsten Rang aus 2014 anknüpfen - und so auch seinen verpatzten Start in 2015 (52. Platz) vergessen machen. Auch wenn der Potsdamer in der zweiten Saisonhälfte herausragende Ergebnisse verpasste, so darf er sich dank seiner starken Vorstellung beim Ironman Südafrika Anfang April dennoch berechtigte Hoffnungen auf eine Platzierung unter den besten Fünf machen. In Port Elizabeth hatte Frommhold damals vor allem mit seinem Marathon (2:43:43 Stunden) gezeigt, dass er läuferisch auf hohem Niveau unterwegs ist und damit auch für Hawaii zum erweiterten Favoritenkreis gehört.
Böcherer muss für den Ironman Hawaii 2017 passen
In Andreas Böcherer musste indes ein deutscher Top-Athlet wenige Woche vor dem Saisonhöhepunkt die Segel streichen. Der Hawaii-Fünfte des letzten Jahres hatte sich beim letzten Formtest eine Verletzung an der Plantarfaszie zugezogen, die einen Start unmöglich machte. Andernfalls wäre der Freiburger wieder für einen Platz unter den besten Fünf - wenn nicht sogar mehr gut gewesen. Neben den Obengenannten stehen aus deutscher Sicht zudem Markus Fachbach (Lahnstein), der mit den Top-Ten liebäugelt, und Marc Dülsen (Stuttgart), der sich einen Platz unter den besten 15 zum Ziel gesetzt hat, als Profis am Start.
Diese internationalen Profis wollen die deutschen Hawaii-Favoriten ärgern
Bei aller Dominanz der Deutschen in den letzten Jahren: Ein Selbstläufer wird das Rennen am Samstag für Frodeno, Kienle und Co. freilich nicht. Dafür dürften unter anderem diese internationalen Top-Profis sorgen:
Lionel Sanders (Kanada)
Lionel Sanders Name fällt immer wieder, wenn es um mögliche Kandidaten für den Sieg geht. Nicht ohne Grund: Der 29-jährige gewann in diesem fast jedes Rennen, bei dem er am Start stand. Zudem fokussierte er sich zuletzt ausschließlich auf Hawaii, wo für ihn bei zwei Starts bislang allerdings "nur" Platz 14 als bestes Ergebnis heraussprang (2015). Dies dürfte Sanders, der als bester Radfahrer im Feld und starker Läufer gilt, in diesem Jahr wohl locker toppen - sofern ihm seine Schwimmschwäche nicht schon früh alle Chancen vermasselt. Gelingt dem Kanadier auf den 180 Radkilometern indes der Sprung nach vorn, scheint für ihn auch der Sieg durchaus machbar. Das weiß allerdings auch die Konkurrenz, die alles daran legen dürfte, dass es gar nicht erst soweit kommt.
Ben Hoffman (USA)
Mit Platz zwei (2014) und Rang vier (2016) hat Ben Hoffman bereits bewiesen, dass er auf Hawaii zu Großem in der Lage ist. Bei seinem Sieg beim Ironman Südafrika im April zeigte der US-Amerikaner mit seinem Marathon (2:42:52) zudem, dass er auch bei Hitze schnelle Laufzeiten abrufen kann. Eine solche wird der 34-Jährige auch am Samstag brauchen. Gelingt ihm das, ist ein Podestplatz absolut realistisch.
Tim Don (Großbritannien)
Tim Dons bisherige Hawaii-Ausbeute ist bislang eher bescheiden. 2015 belegte der Brite Platz 15, im Folgejahr kam er gar nicht erst ins Ziel. Am Samstag sollten ihn die Konkurrenten allerdings und nicht zuletzt wegen seines starken Auftritts beim Ironman Brasilien auf der Rechnung haben. Dort stellte der dreifache Olympiateilnehmer in 7:40:23 Stunden einen neuen Ironman-Weltrekord auf. Dass Dons Training für Kona stimmt, bewies er zudem mit Rang drei bei der WM über die halbe Ironman-Distanz im September. Läuferisch kann der 39-Jährige mit den Schnellsten mithalten, was ihn - einen guten Tag auf dem Rad vorausgesetzt - fraglos zu einem Anwärter aufs Podium macht.
+++ Update: Nach einem Sturz im Radtraining wird Tim Don nicht am diesjährigen Ironman Hawaii teilnehmen können. Wie der Brite auf Instagram mitteilte, sei er von einem Auto angefahren worden und gestürzt. Dabei zog sich Don eigenen Angaben zufolge einen Bruch des zweiten Halswirbels zu, was eine vier- bis fünfwöchige Sportpause nötig mache. +++
James Cunnama (Südafrika)
Seitdem James Cunnama wieder mit seinem früheren Trainer zusammenarbeit, eilt der Südafrikaner von Erfolg zu Erfolg. Neben mehreren ersten und zweiten Plätzen bei Rennen über die halbe Ironman Distanz, wurde der 34-Jährige bei der Ironman-EM in Frankfurt Vierter. Im August setzte sich der in allen Disziplinen konkurrenzfähige Athlet zudem beim Ironman Hamburg überlegen durch - inklusive starker Marathonzeit (2:40:58 Stunden). Erwischt Cunnama, der auf Hawaii bereits einen vierten Platz vorweisen kann (2013), einen optimalen Tag sind die Top-Five oder gar das Podium nicht unrealistisch.
Frederik Van Lierde (Belgien)
Seit seinem Hawaii-Triumph 2013 gelang Frederik Van Lierde nicht mehr der wirklich große Wurf. Nach Siegen beim Ironman Nizza und über die halbe Distanz im französischen Vichy zeigte die Formkurve des 38-Jährigen in diesem Jahr aber wieder deutlich nach oben. Mit sieben Kona-Teilnahmen verfügt der Belgier zudem über jede Menge Erfahrung auf Hawaii, was bei einem optimalen Rennverlauf durchaus für einen Platz unter den Top-Fünf gut sein kann.