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Urbane Metropolen Klimanotstand in the City - wie sich Städte gegen den Klimawandel stemmen

Hitze in der Stadt
Der Klimawandel bedroht auch deutsche Städte. Weltweit versuchen Metropolen schon heute, sich dieser Entwicklung entgegen zu stemmen.
© Xurzon / Getty Images
Enorme Hitzewellen, sintflutartiger Regen, Wetterextreme: Schon 2050 soll es in Deutschland so heiß werden wie im südlichen Europa. Vor allem die Städte stehen vor großen Herausforderungen. Um auch künftig lebenswert zu bleiben, müssen sie sich wandeln.

Die großen Städte wie Los Angeles, Vancouver und London machten den Anfang. Sie riefen für die urbanen Metropolen den Klimanotstand aus. Inzwischen folgten viele Städte und Kommunen, auch in Deutschland. So schlugen auch Heidelberg, Konstanz, Saarbrücken, Kiel, Bochum und weitere Städte Alarm. Allerdings nur symbolisch. Denn der Klimanotstand hat nichts mit Notstandsgesetzen zu tun. Vielmehr zeigen die Regierungen damit an, dass sie Klimaschutz ernst nehmen. Mitunter können aber auch die Handlungsspielräume der Verwaltungen erweitert werden, durch Arbeitskreise, Förderung von E-Mobilität oder Fahrrad-Konzepte. Auch eine bessere Informationspolitik über den Klimawandel ist denkbar.

Das sind alles sicherlich gut gemeinte Maßnahmen, doch das wirkliche Problem beim Klimawandel sind CO2-Emissionen. Diese müssen langfristig gesenkt werden. Davon ist Deutschland allerdings meilenweit entfernt. Die gesteckten Klimaschutzziele bis 2020 wird die Republik verfehlen. Von den angestrebten 40 Prozent weniger Treibhausgasen als 1990 wird Deutschland nur etwa 32 Prozent erreichen, hieß es im aktuellen Klimaschutzbericht. 

Klimawandel hat Einfluss auf Städte

Der Klimawandel hat großen Einfluss auf das Leben in den Städten. Schweizer Forscher sorgten jüngst mit einer Veröffentlichung für Aufsehen, in der sie prognostizieren, dass es in Städten wie Berlin oder London im Jahr 2050 so heiß werden würde wie heute in Barcelona. Rund sechs Grad wärme soll es dauerhaft in den beiden Hauptstädten in den Sommermonaten werden. Das klingt zunächst wenig - und doch hätte diese Erwärmung große Auswirkungen. Städte auf der Nordhalbkugel würden ein subtropisches Klima bekommen, Städte in Tropen würden mit extremer Trockenheit kämpfen müssen.

Dass ausgerechnet Städte so schwer unter den klimatischen Veränderungen leiden, liegt in der Natur der Sache: Beton- und Asphalt heizen sich auf und speichern die Hitze, kühlende Wasser- oder Grünflächen fehlen oder wurden zunehmend zugebaut. Doch diese freien Flächen könnten die aufgestaute Hitze regulieren. Dazu kommt, dass auch Wasser in Zukunft knapp werden könnte. "Die Erderwärmung wird voraussichtlich die erneuerbaren Wasserressourcen verringern – was möglicherweise die Trinkwasserversorgung in vielen städtischen Gebieten beeinträchtigt, wasserbedingte Krankheiten begünstigt, die Lebensmittelpreise in die Höhe treibt und die Ernährungssicherheit gefährdet", heißt es im fünften Sachstandsbericht des IPCC, dem Weltklimarat.

"Der Klimawandel wird eine Reihe von Auswirkungen auf die Städte haben - eine Häufung extremer Wetterereignisse in Europa, wie Überschwemmungen, Stürme und Hitzewellen ist sehr wahrscheinlich", sagt Holger Robrecht, stellvertretender Regionaldirektor von ICLEI, einem internationalen Verbund von Städten, Gemeinden und Landkreisen für Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung, zur Europäischen Umweltagentur. Und diese Wetterextreme treffen mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung, denn inzwischen leben mehr Menschen in urbanen Räumen als auf dem Land. 

Klimanotstand in der Stadt

Auch die Regierungen und Verwaltung der Städte wissen um die düsteren Perspektiven - und haben reagiert. "Zahlreiche Städte in Europa verfügen über sehr vorausschauende Anpassungspläne - dazu gehören London, Kopenhagen, Bratislava und Almada in Portugal", so Holger Robrecht.  Doch auch andere Städte stemmen sich gegen die Entwicklung. So hat sich Helsinki ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Bis 2035 will die Stadt Kohlenstoffneutral sein - also keine Emissionen von Kohlendioxid mehr haben oder diese zumindest ausgleichen. Vor allem das Heizen wird zum Problem in Finnlands Hauptstadt. Allein in den Monaten November bis März liegt die Tageshöchsttemperatur bei 3 Grad, im Februar sogar unter einem Grad. Gegen diese Kälte feuerten lange Kohlekraftwerke für warme Stuben - doch langfristig setzte die Stadt auf Wärmepumpen, berichtet der "Tagesspiegel". 93 Prozent aller Haushalte in Helsinki werden bereits über das Fernwärmenetz versorgt. Die Infrastruktur steht also bereit. 

Auch Wien muss nachholen, denn die Stadt ist gerade in den Wohngebieten dicht bebaut, eine Betonwüste. Also soll Österreichs Hauptstadt grüner werden und mehr Bäume bekommen. Wie der "Tagesspiegel" schreibt, wurde dafür ein Sondertopf von acht Millionen Euro von der Stadt bereitgestellt. Aber auch beim Thema nachhaltiges Wohnen legt Wien nach. Neue Wohnprojekte mit nachhaltiger Wärmeversorgung durch Sonnenenergie und Erdwärme werden errichtet, Abwärme wird dort für Warmwasser genutzt. Noch sind solche Neubauvorhaben nur Leuchtturmprojekte. Langfristig sollen sie zur Blaupause werden. 

Rotterdam, Gent und Bottrop: Diese Städte wurden aktiv

Holger Robrecht verfolgt auch die Entwicklungen in Rotterdam und Gent. Die Städte hätten "mit Forschungsorganisationen zusammengearbeitet, um diejenigen Stellen in der Stadt zu identifizieren, die sich bei Hitzewellen am stärksten erwärmen. Sie beschlossen, an mehreren Standorten Thermometer anzubringen und platzierten sogar mobile Thermometer auf Straßenbahnen. Auf diese Weise konnten sie diejenigen Stellen in der Stadt identifizieren, an denen der Wärmeinseleffekt am stärksten war. Im Ergebnis waren sie in der Lage, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wie etwa Bäume zu pflanzen, um die Auswirkungen einiger dieser Wärmeinseln zu beschränken."

Doch deutsche Städte setzen nach. So will Bottrop mit der InnovationCity Ruhr, in der rund 70.000 Menschen leben, zum Vorzeigequartier in Sachen Energieeffizienz werden. Mehr als 1000 Gebäude werden saniert, bis 2020 sollen die CO2-Emissionen um 50 Prozent reduziert werden. Dächer und Fassaden werden begrünt, Regenwasser wird aufbereitet und effektiv genutzt. 

Das Braunkohlerevier Senftenberg war das Bergbauzentrum der DDR in Brandenburg. Doch nach der Wende nahm die Bedeutung der Braunkohle immer weiter ab, im Jahr 1999 stellte der Tagebau seinen Betrieb ein. Doch statt des wirtschaftlichen Niedergangs darf sich Senftenberg heute "staatlich anerkannter Erholungsort" nennen. Künstlich angelegte Seen im ehemaligen Bergbaugebiet locken Touristen. Inzwischen stehen in Senftenberg auch die größte Solarthermieanlage Deutschlands und eine große Biogasanlage. 

Grüne Dächer für Klima und Insekten

Auch städtebaulich rüsten die Städte auf. So setzen immer mehr Cities auf begrünte Dächer. Bis zum kommenden Jahr sollen laut dem "Tagesspiegel" mehr als 100 Hektar Dachfläche grün werden. Auch Utrecht lässt es auf den Dächern von Bus- und Bahnstationen sprießen. Rund 300 Stationen werden jetzt unter anderem von Mauerpfeffer berankt. Diese Pflanze bringt einige Vorteile: Bienen und Hummel finden Nahrung im urbanen Gebiet, die Pflanze filtert Feinstaub aus der Luft und kann Regenwasser speichern. Somit muss sie praktisch nicht gegossen werden. Die Idee will Bremen jetzt übernehmen und auch Flachdächer im öffentlichen Nahverkehr begrünen. 

Ganz in der Nähe von Utrecht, am Süden der Stadt liegt die 50.000-Einwohnergemeinde Houten. Regelmäßig wird das Städtchen von Experten besucht. Denn Houten wuchs nicht wie manch andere Stadt, sondern wurde von Anfang an geplant. In den 1970er Jahren sollte Houten, damals noch ein Dorf, die Stadt Utrecht entlasten. Die Planer überlegten sich ein überraschendes Konzept: "Wir wollten alles anders machen. Wir fingen also nicht mit dem Auto an, was in der Stadtplanung damals üblich war, sondern wir planten zuerst die anderen Bereiche ein. Die Grünflächen, das Laufen, Radfahren, das soziale Leben", so Stadtplaner Robert Derks zum "ZDF". Auto- und Radverkehr wurde strikt voneinander getrennt geplant. Heute erreicht man die wichtigen Punkte in der Stadt deutlich schneller mit dem Rad. Die Autofahrer müssen große Umwege fahren. Wer noch nicht oder nicht mehr aufs Rad steigen kann, wird von kleinen E-Mobilen wie Taxis umhergefahren.

Von solch radikalen Verkehrsmodellen scheinen Deutschlands Städte noch weit entfernt. Den Autoverkehr, immerhin zu rund 18 Prozent für alle Emissionen von Treibhausgasen verantwortlich, zu beschränken, scheint eine radikale und kaum durchsetzbare Idee. Utrecht hat es trotzdem gewagt. Da, wo früher eine Schnellstraße sich durch die Stadt fräste, liegt heute ein Kanal und Grünflächen. Utrecht hat die Fahrradwege strikt von den Autostraßen getrennt und breit angelegt. So können auch unsichere Fahrer und Kinder gefahrenlos radeln. Heute gehört Utrecht zu einer der Fahrradmetropolen in Europa.

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