Die Liegeplätze sind voll, aber die Containerbrücken hochgeklappt – (fast) nichts geht mehr im Hamburger Hafen und in weiteren deutschen Nordseehäfen. Die im Hafen arbeitenden Männer und Frauen sind auch an diesem Freitag im Warnstreik – und ihr Arbeitskampf dürfte noch massive Auswirkungen auf die Warenversorgung haben. In der Hansestadt ging jetzt die Polizei mit Gewalt gegen Streikende vor – zuvor soll es Straftaten aus dem Demonstrationszug gegeben haben.
In dem Tarifkonflikt geht es – natürlich – vor allem ums Geld. Auf der einen Seite stehen die rund 12.000 Hafenarbeiterinnen und -arbeiter mit ihrer Gewerkschaft ver.di, auf der anderen die Umschlagsunternehmen und ihr Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS). Jahrzehntelang konnten die Tarifkonflikte in den deutschen Häfen weitgehend geräuschlos beigelegt werden, Arbeitskämpfe gab es nicht. Dass mit dem am Samstagmorgen endenden Warnstreik inzwischen rund 80 Stunden nicht gearbeitet wurde, zeigt, wie eskaliert der Streit inzwischen schon ist.
Streit ums Geld in deutschen Seehäfen
Die Gewerkschaft fordert für die beschäftigten in den 58 betroffenen Betrieben in Niedersachsen, Bremen und Hamburg 1,20 Euro mehr pro Stunde, einen Inflationsausgleich von 7,4 Prozent und die Erhöhung von Zulagen. Der ZDS bietet nach eigenen Angaben eine rechnerische Gehaltserhöhung von bis 12,5 Prozent, allerdings auf zwei Jahre, was bei der derzeitigen Inflation einer Reallohn-Kürzung gleichkäme. Zwar können bestimmte Berufsgruppen in den deutschen Seehäfen bereits jetzt ein Jahreseinkommen von bis zu 100.000 erreichen, wie das "Hamburger Abendblatt" jüngst vorrechnete, das gilt aber längst nicht für alle. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind mit dem ZDS-Angebot nicht zufrieden. "Unserer Forderung nach einem echten Inflationsausgleich kommen die Arbeitgeber mit dem jetzt vorliegenden Angebot nicht in ausreichendem Maße nach", sagt ver.di-Verhandlungsführerin Maya Schwiegershausen-Güth.
Alte Luftbilder: So sah Hamburg Ende der 1920er Jahre aus

Das gerade umgebaute britische Kreuzfahrtschiff Atlantis mit 450 Erster-Klasse-Passagieren auf Besuch in Hamburg: Die Stadt breitet zum Empfang ihre Arme aus von der St. Michaelis-(links) bis zur St. Jacobi-Kirche (rechts).
Die Folgen der festgefahrenen Verhandlungen: Streik und Wut. Unter "Wir sind der Hafen"-Rufen zogen am Freitag Tausende Hafenarbeiterinnen und Hafenarbeiter durch Hamburg. Nach Polizeiangaben wurden aus dem Zug Flaschen auf Polizistinnen und Polizisten geworfen und Pyrotechnik gezündet. Bei der Festnahme eines mutmaßlichen Täter sollen sich danach Demonstrierende mit dem Betroffenen solidarisiert haben. Die Polizei habe Pfefferspray eingesetzt, es habe zehn Verletzte gegeben. Auf einer verifizierten Videoaufnahmen ist auch der Einsatz von Schlagstöcken zu sehen. Zwei Personen wurden den Angaben zufolge festgenommen.
Streik der im Hafen Beschäftigten führt zu Schiffsstau
Nicht nur auf Straße ist die Eskalation des Arbeitskampfes zu spüren, auch auf der See. In der Deutschen Bucht stauen sich inzwischen Dutzende Schiffe, die darauf warten, in den Häfen Hamburg, Bremerhaven, Bremen, Emden, Wilhelmshaven oder Brake gelöscht zu werden. Der Ausstand in den Seehäfen kommt für die Hafenlogistiker damit zur Unzeit. Coronabedingt herrscht im globalen Verkehr von Container- und Frachtschiffen ohnehin ein großes Durcheinander. Der Warnstreik bringt nun die Abläufe an den Kaikanten noch mehr aus dem Tritt. Damit verschärft sich die angespannte Lage weiter.

Zumindest etwas Entspannung ist jedoch in Sicht: Nach einem Vergleich vor dem Hamburger Arbeitsgericht muss der Warnstreik am Samstagmorgen beendet werden, frühestens Ende August darf die Arbeit wieder niedergelegt werden. Arbeitsgerichte in Bremen, Oldenburg und Wilhelmshaven hatten dagegen Anträge auf einstweilige Verfügungen von mehreren Hafenlogistikern abgelehnt, den Warnstreik zu stoppen.
Quellen: "Hamburger Abendblatt", Polizei Hamburg, ver.di, Vesselfinder.com, Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe, Nachrichtenagentur DPA