ARD-"Wahlarena" "Ihr Schicksal ist mir nicht egal": Warum es Martin Schulz die Sprache verschlagen hat

Unter der Leuchtschrift "Wahlarena" steht Martin Schulz und lacht. Er trägt eine rote Krawatte zum dunkelgrauen Anzug
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat in der ARD-Wahlarena gesagt, was er plant, sollte er die Bundestagswahl gewinnen
© Jens Büttner/DPA-Zentralbild/DPA
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat sich in der ARD-Wahlarena noch einmal den Fragen der Wähler gestellt. Dabei machte er auch wichtige Aussagen über seine Ziele, sollte er die Wahl gewinnen. Nötig seien mehr Personal in der Pflege, eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte (mindestens 30 Prozent mehr Gehalt) und mehr Plätze für Pflegebedürftige. Eine solidarische Bürgerversicherung soll sicherstellen, dass jeder eine ausreichende Krankenversicherung hat. Mit einer Solidarrente will Schulz die Altersarmut bekämpfen. Mit zwölf Milliarden Euro Bundesgelder soll die Modernisierung der Schule finanziert werden. Bildung, bisher Sache der Länder, soll zur Gemeinschaftsaufgabe werden. Die Mietpreisbremse habe nicht funktioniert, nun brauche es schärfere Regeln, kürzere Fristen und mehr Offenlegungspflichten für Vermieter. Sprache, Arbeit, Freunde - wer die Sprache beherrscht, der findet Arbeit, und wer eine Arbeit hat, der findet auch Freunde - so funktioniere Integration von Flüchtlingen. Straftäter müssten dagegen abgeschoben werden.
Soziale Gerechtigkeit ist das große Wahlkampfthema von Martin Schulz. In der ARD-"Wahlarena" nehmen ihn zwei resolute Frauen beim Wort. Dem SPD-Kanzlerkandidaten hat es vorübergehend die Sprache verschlagen.

Annett Hackebeil und Christine Wienberg nehmen Martin Schulz beim Wort und ins Kreuzverhör. Bei der ARD-"Wahlarena" in Lübeck konfrontieren beide Frauen den für soziale Gerechtigkeit kämpfenden SPD-Kanzlerkandidaten am Montagabend mit Fragen zu Ungerechtigkeiten bei der Rente. Hackebeil geht es dabei um die Anerkennung der Arbeitsleistung von Müttern. Wienberg wirft der Politik vor, Menschen nur als Arbeitskräfte und Steuerzahler zu sehen: "Wir sollen immer nur brav funktionieren. Das Schicksal der Menschen ist Politikern doch egal."

"Ich wollte ihn einfach mal was aus ihm rauskitzeln", sagt Wienberg nach der Sendung. Aber sie sei mit seiner Reaktion sehr zufrieden. "Er ist auf mich eingegangen, das fand ich gut."  Zuvor schildert sie vor laufenden Kameras, dass ihr Ehemann mit 47 Jahren an Krebs erkrankt sei, sodass er nicht mehr arbeiten konnte. 

Martin Schulz: "Das gebe ich Ihnen auch schriftlich"

"Inzwischen arbeitet er wieder, aber es war finanziell ziemlich hart für uns", erzählt die Frau. "Es wird immer über das Armutsrisiko von Rentnern und Alleinerziehenden geredet. Aber die Menschen, die zu krank zum Arbeiten und zu jung für die Rente sind, werden immer vergessen." 

Die resolute 54-Jährige beeindruckt Schulz sichtlich. "Mir ist Ihr Schicksal nicht egal, das können Sie mir glauben", sagt er. Er werde sich um das Problem kümmern, verspricht er. Und fügt hinzu, als er Wienbergs skeptischen Blick bemerkt: "Das gebe ich Ihnen auch schriftlich." 

Auch Hackebeils Schilderung verschlägt Schulz vorübergehend die Sprache. Sie sei gelernte Bürokauffrau. "Aber in den letzten reichlich 20 Jahren habe ich in den verschiedensten Bereichen gearbeitet: im Pflegebereich, als Köchin, als Taxifahrerin, Eventmanager. Kurz gesagt: Ich bin Mutter. Mutter von sechs Kindern im Alter von 3 bis 22 Jahren." Trotzdem werde sie im Alter mit einer Rente mit wenig Geld dastehen. "Was wollen Sie für Mütter wie mich tun?", will die Frau aus dem Erzgebirge von Schulz wissen.

Kanzlerkandidat erzählt von seiner eigenen Mutter

Es dauert einen Moment, bis dieser versteht: Die 42-Jährige hat nur alle jene Tätigkeiten aufgelistet, die Mütter für ihre Kinder erbringen - "und das ohne Nachtzuschlag und ohne Wochenendzuschlag". Deren Arbeitsleistung müsse in der Rente stärker berücksichtigt werden, fordert Hackebeil und berichtet Ernüchterndes: "Auf meinem letzten Bescheid, den ich von der Rentenkasse bekommen habe, standen 600 Euro. Und die Rentenkasse weiß, dass ich so viele Kinder habe."

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Als Antwort erzählt der Sozialdemokrat von seiner eigenen Mutter und verweist auf die Solidarrente, die die SPD als Regierungspartei einführen wolle. "Die wird zehn Prozent mindestens oberhalb dem Niveau der Grundsicherung liegen", verspricht Schulz und rechnet für Hackebeil schnell durch: "Das wären 880 Euro. Sie sehen: Ich würde Ihren Rentenbescheid ändern." Hackebeil zeigt sich mit der Antwort zufrieden. "Das ist doch immerhin etwas", sagt sie. 

Wie der Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der ARD-Wahlarena vor einer Woche verlief, lesen Sie hier:

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fs