Apple wirbt Fire-TV-Chef ab Das Apple TV war ein Hoffnungsträger - und wird nun zur Baustelle

Apple hat den Chef von Amazons Fire-TV-Entwicklung abgeworben. Er soll die Sparte vorantreiben. Das ist bitter nötig, denn das ambitioniert gestartete Apple TV 4 hinkt seinen Möglichkeiten weit hinterher. Wir haben ein paar Lösungsvorschläge.

Eine Personalie sorgt derzeit für Schlagzeilen im Silicon Valley: Wie "Bloomberg" berichtet, hat Apple Timothy Twerdahl angeheuert. In der Branche ist Twerdahl als bunter Hund bekannt: Er arbeitete im Marketing bei Time, war Senior Director bei Motorola und Netflix, schließlich stieg er bei Roku ein. Zuletzt war er fast vier Jahre bei Amazon tätig, wo er das Fire TV vorantrieb und es zur derzeit wohl erfolgreichsten Streamingbox der Welt machte. Mit seinem Know-How soll er sich nun um die Weiterentwicklung des Apple TV kümmern - und das ist dringend nötig.

Erst Pionier, dann den Anschluss verloren

Das Apple TV nahm bei Apple immer schon eine Sonderrolle ein. Die erste Generation kam bereits 2007 auf den Markt, damals noch als iTunes-Player für den Fernseher. Eigentlich war der Konzern seiner Zeit damit weit voraus, doch mit dem iPhone und später dem iPad konzentrierte sich Apple zunächst auf attraktivere Sparten. Für Steve Jobs war das Gerät immer nur ein "Hobby", wie er in Interviews sagte.

Jahrelang fristete das Apple TV ein Schattendasein, andere Konkurrenten wie Amazon zogen vorbei und eroberten die Wohnzimmer. Im September 2015 bekam die kleine Box dann die ganz große Bühne: Zwischen dem ersten iPad Pro und dem iPhone 6s enthüllte Tim Cook das runderneuerte Apple TV der vierten Generation, das nicht weniger als "die Zukunft des Fernsehens" sei, versprach der Apple-Chef. Die Ambitionen waren groß, doch knapp 16 Monate später muss man festhalten: Das Ruder konnte Apple bislang nicht herumreißen.

Die Verkaufszahlen des Apple TV sind rückläufig, wie Apples Finanzchef Luca Maestri bei der Verkündung der letzten Quartalszahlen zugab. Auch diverse Marktforscher sehen die Medien-Box aus Cupertino abgeschlagen hinter Konkurrenten wie Google Chromecast, Roku und dem Fire TV. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen.

1. Günstigere Konkurrenz

Als der erste Apple TV 2007 auf den Markt kam, stand noch in fast jedem Wohnzimmer ein DVD-Player - Apple war ein absoluter Trendsetter. Im November 2015 war die Situation dagegen eine völlig andere. Die Konkurrenz hatte aufgeholt, Amazon gelang mit dem Fire TV und dem extrem günstigen Fire TV Stick ein Jahr zuvor ein echter Paukenschlag. Immer mehr Menschen nutzten Streamingdienste wie Netflix und Amazon Prime Video, doch viele ältere Fernseher unterstützten die Apps nicht. Mit der Media-Box konnte man für unter 90 Euro quasi alle Features nachrüsten.

Auch die Boxen von Roku oder Googles Chromecast steckten in Millionen Fernsehern. Das Apple TV 4 hatte zwar eine bessere Ausstattung und eine innovative Fernbedienung, war mit 179 Euro aber auch doppelt so teuer - das dürfte einige Interessenten vom Kauf abgehalten haben.

2. Fehlende Partner

Ein großer Erfolgsfaktor des iPhone sind die zahlreichen Apps, die häufig mehr Features bieten oder stabiler laufen als ihre Android-Pendants. Aufgrund der großen Verbreitung gibt es eigentlich jeden Dienst für das Apple-Smartphone. Eine ähnliche Entwicklung erwartete man für das Apple TV 4, doch bis heute fehlen namhafte Dienste - unter anderem Amazon Prime Video, Maxdome und Spotify. Hier muss Apple dringend nachbessern.

3. Zu wenig Exklusivinhalte

Bei seinem Musikstreamingdienst verfolgt Apple eine klare Strategie: Neben kuratierten Playlists sollen vor allem Exklusiv-Deals die Nutzer überzeugen. Pop-Queen Taylor Swift oder Herbert Grönemeyer gibt es etwa exklusiv auf Apple Music. Beim Apple TV sucht man im Film- und Serienbereiche solche Angebote jedoch vergebens. Apple hat diese Baustelle erkannt, in diesem Jahr sollen exklusive Serien über Apple Music bereitstehen.

4. Fehlender Fokus

Das Apple TV 4 wurde als Tausendsassa beworben, als ein Mix aus Streamingbox und Mini-Playstation. Doch bald zeigte sich: Die Box sitzt zwischen den Stühlen. Als Mediaplayer schneiden einige Konkurrenzmodelle besser ab (etwa der zweite Fire TV oder Nvidias Shield), weil diese die ultrahohe 4K-Auflösung und moderne Bildstandards wie HDR unterstützen. Beim Apple TV 4 ist dagegen bei Full-HD (1080p) Schluss.

Als Spielkonsole für Gelegenheits-Daddler konnte sich das Apple TV jedoch auch nicht behaupten. Viele Spiele sind nur Adaptionen der iPhone- und iPad-Varianten, namhafte Kooperationen mit Videospielgrößen wie Nintendo oder Sega fehlen. Hier ist noch Luft nach oben, denn abseits der klassischen Konsolen gibt es kaum ein Angebot für Gelegenheits-Daddler. Die kaufen vielleicht kein primäres Spielgerät, einzelne Games für die Streaming-Box wären aber sicher drin.

Apple setzt zur Aufholjagd an

Einige Baustellen ist Apple bereits angegangen: Um mehr App-Entwickler für das Apple TV zu begeistern, hat Apple die Größen-Begrenzung für Apps von 200 Megabyte auf vier Gigabyte erhöht. Entwickler können damit deutlich aufwendigere Spiele programmieren. Zudem hat man mit dem jüngsten Update auf tvOS 10.0.1 die Box in Bezug auf Zubehör wie Controller flexibler gemacht.

Mit der Verpflichtung des erfahrenen Managers Timothy Twerdahl zeigt Apple, dass der Konzern zur Aufholjagd ansetzt. Dringend nötig wäre eine 4K-Variante des Apple TV, denn die aktuellen iPhone-Generationen filmen längst in UHD-Auflösung. Im gleichen Atemzug müsste Apple den iTunes-Katalog auf 4K-Auflösung umstellen.

Zudem muss Apple mehr Exklusiv-Deals bieten. Mit ein paar selbst produzierten Serien ist es dabei nicht getan. Viel attraktiver wäre es, regelmäßig aktuelle Filme und Serien deutlich vergünstigt bei iTunes anzubieten - vielleicht auch exklusiv für den Apple TV. Denn über den Preis ließe sich viel machen: Amazon bietet mit seinem "Film-Freitag" jetzt schon zeitlich begrenzte Sonderangebote mit recht aktuellen Filmen ab 99 Cent. Apples Aktionen sind bislang meist deutlich unattraktiver. Diese Woche gibt es beispielsweise "Ein Mann namens Ove" als einziges Wochenangebot für 99 Cent. Kein tolles Angebot: Bei Amazon Prime kann man den Film kostenlos abrufen.

Das Wichtigste für einen langfristigen Erfolg ist aber, dass Apple alle großen Anbieter mit ins Boot holt. Und das bedeutet: Amazon Prime Video muss unbedingt auf die Apfel-Box. Allein hierzulande gibt es 17 Millionen Prime-Kunden. Die Entscheidung darüber liegt aber natürlich nicht nur bei Apple.

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