Krieg in der Ukraine Kh-47 Kinschal – darum konnte die Ukraine eine von Putins "unbesiegbaren" Hyperschallraketen abschießen

Die  Mig-31K wird mit nur einer Kh-47M2 Kinschal bestückt.
Die  Mig-31K wird mit nur einer Kh-47M2 Kinschal bestückt.
© Youtube Russische Lufwaffe / PR
2018 prahlte Putin, dass niemand seine luftgestützte Kinschal-Rakete abfangen könnte. Nun ist es doch geschehen, denn Putin hat bei der Präsentation die Schwachstelle des Systems verschwiegen.

Am 4. Mai griff Russland Kiew mit einer Hyperschallwaffe Kh-47 Kinschal an und erstmals gelang es, eine Rakete dieser Art abzufangen. Kurz danach tauchten Fotos von Trümmern der Waffe auf, das ukrainische Militär bestätigte den Abschuss jedoch erst am Wochenende. Der Kommandeur der Luftwaffe, Mykola Oleshchuk, erklärte auf Telegram: "Ja, wir haben die 'einzigartige' Kinschal abgeschossen. Es geschah während des nächtlichen Angriffs am 4. Mai am Himmel über der Region Kiew." Die Rakete sei von einem MiG-31K-Flugzeug über russischem Territorium aus gestartet worden und wurde dann mit einer Patriot-Rakete getroffen. 

Große Worte von Putin

Im Jahr 2018 hat Putin diese Waffe angekündigt (Der russische Bär zeigt seine Krallen - was ist dran an Putins Wunderwaffen?). "Diese Rakete, die mit Hyperschallgeschwindigkeit fliegt, zehnmal schneller als die Schallgeschwindigkeit, kann in allen Phasen ihrer Flugbahn manövrieren. Das ermöglicht es ihm auch, alle bestehenden und meiner Meinung nach zukünftigen Flugabwehr- und Raketenabwehrsysteme zu überwinden und nukleare und konventionelle Sprengköpfe auf eine Reichweite von über 2000 Kilometern zu liefern."

Tatsächlich hat Putin etwas übertrieben. Die Kinschal Rakete ist nur im halben Sinn eine Hyperschallwaffe. Sie erreicht die notwendige Geschwindigkeit oberhalb der fünffachen Schallgeschwindigkeit, bleibt aber nur sehr begrenzt manövrierfähig. Das ist auch keine Haarspalterei. Die hohe Geschwindigkeit allein macht den neuen Waffentyp nicht aus. Die Gefechtsköpfe der älteren ballistischen Raketen erreichen, wenn sie aus ihrer Bahn wieder auf die Erde stürzen, hohe Geschwindigkeiten. Wirklich neu sind Modelle die Avangard-Gleiter, die trotz der enormen Geschwindigkeit hochgradig manövrierfähig sind (Avangard-Gleiter - Putins "absolute Waffe" geht in Dienst). Die fehlende Fähigkeit, der Patriot auszuweichen, wird zum Abschuss der Kinschal geführt haben

Die halbe Wahrheit 

Das ist auch wenig verwunderlich. Die Kinschal ist im Wesentlichen eine modifizierte Iskander-Rakete, die nicht mehr vom Boden, sondern von der Luft aus gestartet wird. Und das ist keine Kleinigkeit, denn der Einsatzbereich vergrößert sich so enorm. Zur Reichweite der Rakete addiert sich die des Trägerflugzeuges. Wie weit und wie schnell die Rakete wirklich fliegen kann, ist öffentlich nicht bekannt. Im Vergleich zur Bodenvariante profitiert sie vom Start in großer Höhe und bei hoher Geschwindigkeit. Sie muss daher keine eigene Energie aufbringen, um überhaupt aufzusteigen und Tempo zu gewinnen, diese Aufgabe übernimmt das Trägerflugzeug. Westliche Experten nehmen allerdings an, dass Putins Angaben von 2018 übertrieben sind. Wegen der Größe der Rakete kann sie auch nur von wenigen Typen gestartet werden, meist von einem Mig-31 Kampfflugzeug. Die Mig-31 wurde als schwerer Abfangjäger konzipiert und ist mit einem Topspeed von 2,8-facher Schallgeschwindigkeit eines der schnellsten Kampfflugzeuge weltweit.

Die Kinschal wie die Iskander bewegt sich auf einer modifizierten ballistischen Bahn, sie folgt nicht einer reinen Kurve, sondern kann leichte Abweichungen vornehmen, so dass ihr Kurs nicht so einfach vorhergesagt werden kann. Sie kann aber keine Kurven oder gar Haken schlagen. Kurz vor dem Ziel sind die Abnweichungen von der Bahn irrelevant. So kann die Kinschal unter günstigen Bedingungen auch abgeschossen werden. Etwa dann, wenn sie sich der Abwehrbatterie nähert und im Moment des Endanfluges Geschwindigkeit verliert. Das dürfte in Kiew der Fall gewesen sein. Obwohl der Abschuss sicher ein Schock für Putins Militär war, ist die Gefahr keinesfalls gebannt, da die Patriots nicht alle Ziele in der Ukraine schützen können.

Ballistische Raketen schwerer abzufangen

Diese Raketen können einen Gefechtskopf von 500 Kilogramm tragen und sogar nuklear bestückt werden. Anders als die Billigdrohnen iranischer Bauart handelt es sich um eine aufwändige und teure Rakete, die nicht in großen Mengen eingesetzt werden kann. Mit ihrer Präzision bleibt sie eine gefährliche Waffe, die weit schwerer abzufangen ist als die langsamen und tieffliegenden Drohnen oder Marschflugkörper.

Grundsätzlich wäre es auch denkbar, dass die Kriegsparteien versuchen könnten, billige ballistische Raketen etwa nach dem Konzept der Bündelrakete zu entwickeln und einzusetzen. Das ist bislang nicht geschehen.

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