Liebe Frau Peirano,
ich (65, Kosmetikerin) bin zur Zeit in einer nicht mehr befriedigenden Beziehung.
Anscheinend habe ich kein Glück mit Männern:
Gerald, mein Ehemann, mit dem ich ein gemeinsames Kind habe, hat hinter meinem Rücken betrügerische Geschäfte gemacht, die letztlich in einer Insolvenz endeten. Er hatte auch auf meinen Namen Geschäfte abgeschlossen oder mich als Stellvertreterin für irgendwelche Firmen oder Scheinfirmen eingesetzt, und letztlich stand eines Tages der Gerichtsvollzieher überraschend vor der Tür und mein heiles Leben brach zusammen. Damals war ich 52, Hausfrau und Mutter.
Ich stand ohne eine Wohnung und ohne Geld da und hatte Schulden am Hals. Ich habe dann Michael kennengelernt, einen 20 Jahre älteren, sehr erfolgreichen Geschäftsmann. Er rettete mich finanziell und half mir mit seiner Horde an Anwälten, mich von meinem Mann scheiden zu lassen und meine Unschuld in seinen krummen Geschäften zu beweisen. Michael und ich zogen in sein großes Haus und er sicherte mir eine stattliche Rente und ein eigenes Haus nach seinem Tod zu. So weit, so gut. Leider hatte er zwei Seiten. Die großzügige, fürsorgliche und beschützende, aber auch eine sehr aufbrausende, launische und herrische Seite. Er beschimpfte mich, machte mich klein und als er die letzten fünf Jahre seines Lebens dement wurde, war er unausstehlich. Aber ich blieb an seiner Seite und pflegte ihn, teils aus Anstand, teils um mich finanziell wirklich abzusichern. Noch so eine Katastrophe wie mit Gerald wollte ich nicht noch einmal erleben.
Vor vier Jahren starb Michael und ich war endlich finanziell gut aufgestellt, körperlich noch fit und sehr gepflegt und war endlich frei. Ich lernte kurz darauf in meinem Tennisclub Stefan kennen. Sympathisch, in meinem Alter, ein zurückhaltender Mann mit guten Manieren und erwachsenen Kindern aus erster Ehe. Die ersten Jahre mit ihm konnte ich alles nachholen, was weder in der Ehe mit Gerald noch mit einem alten, kranken Mann wie Michael möglich war. Sport, Essen gehen, Wochenendausflüge, Konzerte, Sex, gute Unterhaltungen. Ich war glücklich und sah über einiges hinweg. Vor allem sein hoher Alkoholkonsum fiel mir erst viel zu spät auf. Durch Corona hat sich sein Trinkverhalten noch einmal deutlich verschlimmert. Er kann es gut kaschieren, da wir getrennt wohnen. Aber täglich 1 bis 2 Flaschen Wein sind bei ihm Standard.
Er wird mal ganz still, wenn er getrunken hat, aber ab und zu auch richtig gemein und egoistisch. Er sagt dann verletzende Dinge, schiebt mir die Schuld zu für alles, was ihn unzufrieden macht. Ich habe schon oft darüber nachgedacht, mich zu trennen, aber ich habe Angst vor dem Alleinsein. Ich wohne in einer ländlichen Gegend, im Moment ist Winter und Corona, und außer meinen Schulfreundinnen, die weit entfernt wohnen, habe ich kaum Kontakt. Meine Tochter lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in England.
Ich dachte mir, dass ich nach einer Trennung ganz alleine in meinem Haus sitze und unglücklich bin, und dass es mir dann um so schwerer fällt, einen neuen Mann kennen zu lernen. Doch leider wird Stefans Trinkverhalten immer schlimmer. Kürzlich ist er in eine Polizeikontrolle geraten mit 1,5 Promille. Sein Führerschein ist eingezogen worden und es läuft ein Verfahren gegen ihn.
Meine Tochter (Ärztin) hat mir jetzt noch einmal den Kopf gewaschen und mir klargemacht, welche Folgen Alkoholabhängigkeit hat und was für eine Zukunft mir droht, wenn ich weiter mit Stefan zusammen bleibe. Sie hat Recht. Nur bin ich in meinem Leben immer von einem Mann zum nächsten gegangen und habe mich eigentlich immer erst getrennt, wenn ich einen neuen Partner hatte. Oder ich habe ganz schnell einen neuen Mann gefunden. Mir graut es vor dem Alleinsein.
Was raten Sie mir?
Viele Grüße,
Elke Z.
Liebe Elke Z.,
ich muss Ihnen zustimmen: Sie haben wirklich kein Glück mit Männern! Nur aus meiner Sicht geht es auch nicht in erster Linie um Glück, sondern um eine sorgfältige Auswahl. Es hört sich so an, als wenn Sie die Männer nicht genau anschauen und näher kennenlernen, bevor Sie eine Beziehung mit ihnen eingehen. Worauf achten Sie denn eigentlich?
Ich kenne viele Frauen, die sich von äußeren Eigenschaften wie Körpergröße, Haaren, körperlicher Fitness beeindrucken lassen. Und einige Frauen lassen sich bei der Partnersuche von Statussymbolen wie beruflicher Position, Titel, Einkommen, Haus, Auto, Boot etc. blenden.

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe
Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben.
Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.
Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.
Mal Hand aufs Herz: Gehören Sie auch zu den Frauen, die viel Wert auf Äußerlichkeiten legen? Wie war es mit Ihren Eltern: Hatten Sie einen Vater - und wenn ja, was hat er Ihnen vorgelebt? Wie war Ihre Mutter und was hat Sie Ihnen in Bezug auf Partnerschaften/Männer erzählt oder vorgelebt?
Oft prägen die Eltern die Vorlieben der Tochter in Bezug auf die Partnerwahl, indem z.B. eine Mutter bei ihren wechselnden Partner von dessen tollem Aussehen schwärmt oder andere Männer aufgrund ihrer beruflichen Position abwertet ("der hat ja nichts erreicht"). Haben Sie sich mal überlegt, was wirklich wichtig ist, um sich sicher und glücklich zu fühlen?
Sie geraten immer wieder an Männer, die psychische Probleme haben: An Ihren geltungssüchtiger Ehemann, der illegale Geschäfte macht und dabei die Familie riskiert (und verliert). An einen erfolgreichen Geschäftsmann, der abwertend und launisch ist. Und zuletzt an einen Mann mit einem Alkoholproblem.
Sie wurden und werden als Partnerin dieser Männer immer wieder klein gemacht oder Ihre Bedürfnisse und Interessen werden zumindest in Teilen missachtet. Ihre Familie wird zerstört, Sie bekommen Schulden und Gerichtsverfahren an den Hals, Sie müssen sich vor Launen in Acht nehmen und sich beschimpfen lassen, und letztlich haben Sie in Stefan einen Partner, der gesundheitliche Probleme riskiert, Stimmungsschwankungen hat und in seinem Verhalten nicht berechenbar ist.
Es hört sich so an, als wenn Sie unbewusst ein bestimmtes Muster bei der Männersuche verfolgen und mit traumwandlerischer Sicherheit immer wieder kleingemacht und missachtet werden. Kommt Ihnen das aus Ihrer Kindheit bekannt vor? Hat sich einer Ihrer Elternteile Ihnen gegenüber oder sich Ihre Eltern miteinander so verhalten?
Man nennt das Muster, sich immer wieder in Partnerschaften die furchtbaren Erfahrungen aus der Kindheit zu suchen, "Wiederholungszwang". Dahinter steckt die Hoffnung, dass man unbewältigte Erfahrungen aus der Kindheit als Erwachsener endlich lösen kann. Grob vereinfacht: Mein Vater hat getrunken und die Familie terrorisiert, also bin ich mit einem Alkoholiker zusammen und versuche, ihn zu heilen oder zumindest zu kontrollieren.
Wie wäre es, wenn Sie sich die Schäden Ihrer bisherigen Beziehungen noch deutlicher vor Augen führen? Vielleicht gelingt es Ihnen ja, zu dem Schluss zu kommen, dass Sie ohne einen Partner, der Sie abwertet oder gefährdet, besser dran sind. Auch wenn der Anfang sicher hart ist, vor allem im Winter und im Lockdown.
Können Sie sich vornehmen, mal eine Zeitlang (mindestens sechs Monate) ohne eine Beziehung zu sein? Das verliert den Schrecken, wenn man sich genau überlegt, wie man die Zeit nutzen will. Vielleicht können sie einen Zeitplan aufstellen und Ihre Tochter oder eine Schulfreundin mal länger besuchen, Online- Kurse machen (Sprache, Instrument, Sport) und den Tag genau planen. Das machen Sie bislang ja auch, wenn Sie Tage ohne Stefan verbracht haben. Für viele Menschen, die Angst vor Einsamkeit haben, ist ein Hund oder eine Katze auch ein guter Gefährte.
Eine Therapie würde bestimmt auch helfen, um dieses bisher unbekannte Lebensmodell auszutarieren und sich genau vorzustellen.
Ich hoffe, dass Sie den Mut haben, sich aus destruktiven Beziehungen zu befreien und sich zu überlegen, wie Sie den Partner auswählen wollen, mit dem Sie Ihren Lebensabend verbringen möchten.
Herzliche Grüße
Julia Peirano