Viruskrankheit Erster Fall von Affenpocken in Deutschland bestätigt

Virusinfektion: Gesundheitsminister zu erstem Affenpocken-Fall in Deutschland: "Ausbruch kann eingegrenzt werden"
Sehen Sie im Video: Gesundheitsminister Lauterbach sieht in Deutschland keine hohe Dunkelziffer bei Affenpocken.




STORY: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Freitag in Berlin zum ersten Fall von Affenpocken in Deutschland: "In München ist ein Patient mit Affenpocken diagnostiziert worden. Ich habe mich mit meinem Amtskollegen Holetschek darüber im Detail ausgetauscht. Er hat auch die Presse informiert. Die Nachricht ist nicht überraschend, denn es war nur eine Frage der Zeit, bis Affenpocken auch in Deutschland nachgewiesen werden. Durch die Meldungen von Infektionen weltweit und durch die schnelle Information auch durch das Robert Koch Institut waren Ärzte und Patienten in Deutschland sensibilisiert. Aufgrund der bisher vorliegenden Erkenntnisse gehen wir davon aus, dass das Virus nicht leicht übertragbar ist und dass dieser Ausbruch eingegrenzt werden kann. Das kann gelingen, wenn wir jetzt sehr schnell handeln. Wir haben im Übrigen gestern durch einen Zufall einen Ausbruch von Leoparden-Pocken als Gesundheitsminister hier geprobt. Und da haben wir uns intensiv damit beschäftigt, wie durch schnelles Handeln ein solcher Ausbruch beherrscht werden kann. Ich glaube, wir sind da gut vorbereitet. Wir werden jetzt die Kontakte des Infizierten nachverfolgen. Wir werden Fachkreise und die Bevölkerung genau informieren. Das Robert Koch Institut hat eine entsprechende Seite bereits eingerichtet. Und der ständige Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hoch pathogene Erreger, kurz Stakop, hat bereits die Kliniken informiert. Schließlich werden wir das Virus noch genauer analysieren. Es gibt bei diesem Virus zwei Varianten eine Kongo-Variante und eine westafrikanische Variante. Wir werden im Laufe des Tages erfahren, ob es sich um die westafrikanische Variante handelt, wovon jetzt zumindest auszugehen ist. Das wäre die Variante, die auch weniger schwer verläuft. Und wir werden die Bevölkerung also zeitnah informieren, sodass wir auch hier gut vorbereitet sind."
Nun auch Deutschland, Frankreich und Australien: Die Zahl erfasster Affenpocken-Fälle steigt weiter. Wie lange die Krankheit schon unbemerkt in westlichen Ländern kursierte, ist noch unklar. Erste Verbände warnen vor der Stigmatisierung Betroffener.

Erstmals ist auch in Deutschland ein Fall von Affenpocken bestätigt worden. Das Virus sei am Donnerstag bei einem Patienten nachgewiesen worden, teilte das Institut für Mikrobiologie am Freitag in München mit. Der Patient habe charakteristische Hautveränderungen gehabt.

"Es war nur eine Frage der Zeit, bis Affenpocken auch in Deutschland nachgewiesen werden", teilte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu dem Fall mit. Durch die Meldungen aus anderen Ländern seien Ärzte und Patienten in Deutschland sensibilisiert. "Aufgrund der bisher vorliegenden Erkenntnisse gehen wir davon aus, dass das Virus nicht so leicht übertragbar ist und dass dieser Ausbruch eingegrenzt werden kann." Dafür sei aber schnelles Handeln nötig. "Wir werden jetzt das Virus genauer analysieren und prüfen, ob es sich um eine ansteckendere Variante handelt."

Erreger stammt aus Afrika

Im Zuge der gestiegenen Aufmerksamkeit für die Erkrankung werden in immer mehr Ländern Fälle der eigentlich selten auftretenden Affenpocken nachgewiesen. Am Freitag meldete auch Frankreich einen ersten Fall, zudem wurde das Virus in Australien und damit einer weiteren Weltregion entdeckt. In welchem Umfang sich der aus Afrika stammende Erreger bereits international verbreitet hat, ist noch offen. Gesundheitsbehörden zufolge verursacht das Virus meist nur milde Symptome, kann aber auch schwere Verläufe nach sich ziehen.

Er gehe bei der Vielzahl von Fällen in westlichen Ländern davon aus, dass das Virus schon seit einer Weile unbemerkt im Umlauf war, sagte der Mediziner Norbert Brockmeyer. Durch die gestiegene Aufmerksamkeit sei mit vermehrten Nachweisen zu rechnen, sagte der Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft der Deutschen Presse-Agentur. STI steht für sexuell übertragbare Infektionen.

Affenpocken: Fälle in USA, Kanada, Großbritannien, Spanien

In Frankreich ist Behördenangaben zufolge ein 29-Jähriger im Großraum Paris betroffen, der zuvor nicht in ein Land gereist war, in dem das Virus zirkuliert. Kontaktpersonen würden ermittelt und bekämen Verhaltensregeln genannt, um eine Weiterverbreitung des Virus zu verhindern, hieß es. In Australien wurde der Erreger bei einem etwa 30 Jahre alten Mann bestätigt, der kürzlich aus Großbritannien zurückgekehrt war, wie es von der zuständigen Gesundheitsbehörde hieß. Er befinde sich in einem Krankenhaus in Isolation, seine Kontakte würden nun ermittelt.

Zuvor waren bereits aus zahlreichen anderen Ländern wie Großbritannien, Spanien, Schweden und den USA Fälle gemeldet worden. Ein Großteil oder womöglich sogar alle Fälle bisher betreffen Männer, vielfach hatten sie den Angaben zufolge sexuelle Kontakte zu Männern. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte bereits am Mittwoch zu einer rigorosen Nachverfolgung aller Kontakte von Betroffenen aufgerufen. Kliniken und Bevölkerung müssten für die Symptome sensibilisiert werden.

Menschen mit vielen sexuellen Kontakten stark gefährdet

Am stärksten gefährdet für eine Ansteckung sind Brockmeyer zufolge Menschen, die sexuelle Kontakte zu vielen verschiedenen Menschen haben. Das Virus könne aber grundsätzlich auch bereits bei engem Körperkontakt übertragen werden, insofern hält der Mediziner auch in der Allgemeinbevölkerung Vorsicht für ratsam. Anlass zu großer Sorge gebe es aber nicht. "Die Affenpocken werden gut kontrollierbar sein."

Von wissenschaftlicher Seite gelte es zu prüfen, wie ansteckend das kursierende Virus sei und ob es sich um eine mutierte, ansteckendere Variante handle, sagte Brockmeyer. "Es ist ja leider so, dass wir in Deutschland eine Riesenpopulation haben, die nicht gegen Pocken geimpft worden ist – insbesondere im sexuell aktiven Alter." Das Potenzial an Infektionen durch den Erreger sei damit deutlich größer als etwa noch vor 20 Jahren. Je nach weiterer Entwicklung müsse man Pockenimpfungen in Erwägung ziehen. Die Pocken gelten seit 1980 als weltweit ausgerottet, seither wird nicht mehr dagegen geimpft. Prinzipiell wäre ein wohl gut wirkender Impfstoff aber verfügbar.

Die Deutsche Aidshilfe warnte angesichts der Affenpocken-Fälle bei schwulen Männern vor falschen Schlussfolgerungen und Stigmatisierung. "Natürlich gibt es bei den Affenpocken oberflächliche Ähnlichkeiten zu HIV damals – es ist wieder eine Erkrankung aus Afrika, die auch schwule Männer betrifft. Aber in vielen anderen Punkten passt der Vergleich nicht", sagte Aidshilfe-Sprecher Holger Wicht.

Infektiologe: Weniger krankmachend als die Pocken

Das Virus, das die Affenpocken auslöst, sei im Unterschied zu HIV in den 80er Jahren länger bekannt, zudem heile die Erkrankung von selbst aus. "Uns ist sehr wichtig, dass hier nicht Panik und unangemessene Ängste entstehen." Es gebe bei der Einschätzung der Krankheitsschwere noch Ungewissheiten – etwa darüber, wie gut Immungeschwächte – dazu können zum Beispiel auch langjährig unbehandelte HIV-Infizierte zählen – die Erkrankung verkraften.

Der Charité-Infektiologe Leif Sander beschrieb die Affenpocken bei Twitter als weniger krankmachend als die Pocken, es sei aber "dennoch eine ernste und in Einzelfällen tödliche Erkrankung". Die Krankheit trägt den Namen Affenpocken, nachdem der Erreger 1958 erstmals bei Affen in einem dänischen Labor nachgewiesen wurde. Fachleute vermuten, dass das Virus eigentlich in Hörnchen und Nagetieren zirkuliert, Affen und Menschen gelten als sogenannte Fehlwirte.

AFP
rw

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