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"Anne Will" Keine Koalition mit der AfD - AKK stellt klar: "CDU wird in der gesellschaftlichen Mitte bleiben"

Der Fall Lübcke und die AfD: Annegret Kramp-Karrenbauer gab bei Anne Will der Partei eine indirekte Mitschuld an dem Mord
Der Fall Lübcke und die AfD: Annegret Kramp-Karrenbauer gab bei Anne Will der Partei eine indirekte Mitschuld an dem Mord
© NDR/Wolfgang Borrs
Der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke schlägt hohe Wellen. Ist der Staat auf dem rechten Auge blind? Haben Politik und Behörden aus dem NSU-Skandal nichts gelernt? Bei den Gästen von Anne Will zeigte sich vor allem eines: Ratlosigkeit. 
Von Jan Zier

Nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ist wieder die Zeit der heeren Worte und Selbstvergewisserungen angebrochen: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht von einem "Alarmzeichen für die Demokratie", und sogar der CSU-Innenminister Horst Seehofer findet, dass sich diese Tat "gegen uns alle" richtet. Wieder andere, wie etwa der Wirtschaftsminister Peter Altmaier, haben politische Morde von Rechtsextremen nach dem NSU "nicht mehr für möglich" gehalten und lösen mit ihrem naiven Erstaunen bei anderen nur Erstaunen aus. "Hass, Drohungen, Gewalt - wie kann sich unsere Demokratie wehren?" fragt deshalb auch Anne Will. Am Ende wird es darauf keine klare Antwort geben.

Wer hat diskutiert?

  • Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU-Parteivorsitzende
  • Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag
  • Henriette Reker, Oberbürgermeisterin der Stadt Köln und Attentatsopfer
  • Markus Hartmann, Oberstaatsanwalt und Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen
  • Annette Ramelsberger, Gerichtsreporterin der "Süddeutschen Zeitung"

Wie lief die Diskussion?

Annegret Kramp-Karrenbauer, zuletzt wiederholt durch unglückliche Wortwahl aufgefallen, äußert in bemerkenswerter Klarheit Kritik am Verfassungsschutz und auch jenen Teilen ihrer Partei, die eine Koalition mit der AfD herbeireden wollen, so wie der ehemalige Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen (CDU) oder führende Kräfte der sachsen-anhaltinischen CDU, die "das Nationale mit dem Sozialen versöhnen" wollen. "Wir haben noch nicht genügend Leeren aus dem NSU gezogen", sagt die Parteichefin nun, auch mit Blick auf die Arbeit des Verfassungsschutzes in den vergangenen Jahren.

Einer Koalition mit der AfD erteilte sie eine klare Absage. Am Mordfall Lübcke trage die AfD wegen ihrer grundsätzlichen Haltung und aktuellen Äußerungen eine "indirekte Verantwortung". Und auch einem Rechtsruck der CDU, wie ihn bisweilen jene fordern, sie sich selig an Alfred Dregger und Franz-Josef Strauß erinnern: "Die CDU wird in der gesellschaftlichen Mitte bleiben", so Kramp-Karrenbauer. Dort verortet sie sich auch selbst, obwohl sie selbst 2015 die "Ehe für alle" in die Nähe von Polygamie und Inzest rückte, wozu sie heute nichts mehr sagen will, bei Anne Will.

Zugleich sprechen Henriette Reker, aber auch Markus Hartmann von einer "neuen Qualität der Verrohung", gerade auch bei Äußerungen im sozialen Medien – denn jene, die Hass verbreiteten, seien keineswegs isolierte Gruppen und minderbemittelte Einzeltäter: "Das ist ein relativer Querschnitt der Bevölkerung", so Hartmann. Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sieht im Umgang mit dem Rechtsextremismus eine "krasse Verharmlosung" und ein "Versagen des Verfassungsschutzes" am Werk. Sie will den Geheimdienst – nein, nicht auflösen, sondern "neu aufstellen". Derweil erwartet Annette Ramelsberger noch mehr solcher Taten wie jenen Mord an Walter Lübcke und spricht von einem "metastasierenden Gewaltgebilde". Justiz und Sicherheitsbehörden seien zwar nicht blind auf dem rechten Auge, aber doch "sehr sehbehindert". Oberstaatsanwalt Hartmann findet diese Diagnose "zu einfach" und sagt, dass ja schon einiges passiert.

Der besondere Moment

Als die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker - 2015 war sie von einem Rechtsextremisten niedergestochen worden - gefragt wird, wie sie mit den neuerlichen Morddrohungen gegen sie umgeht, sagt sie nur: "Das kommt öfter" vor, und dass derlei Post dann eben "in den Geschäftsgang" gehe. Nein, ängstlich sei sie nicht; nur betroffen. Aber nach dem Mord an Walter Lübcke sieht sie eine "neue Qualität" der rechten Gewalt:

"Dahinter steht eine Organisation." Gemeint ist die 2012 gegründete Neonazi-Organisation "Combat 18" ("Kampfgruppe Adolf Hitler"), also der bewaffnete Arm des verbotenen Netzwerks "Blood & Honour". Und das war Vorbild des NSU. Auch der mutmaßliche Mörder von Walter Lübcke, der Rechtsextremist Stephan E., soll Combat 18 nahe stehen.

Die Erkenntnisse

  • Laut offiziellen Zahlen gab es seit 1990 insgesamt 84 Tote durch rechtsextreme Gewalttaten – andere Recherchen sprechen hingegen von mindestens 169 Toten. Zum Vergleich: In den letzten 18 Jahren, sagte Annette Ramelsberger, habe es zwei Morde mit explizit linksextremen Hintergrund gegeben. Der Verfassungsschutz geht von 12.700 gewaltorientierten Rechtsextremisten in Deutschland aus.
  • Allein in Hessen gibt es derzeit 38 Ermittlungsverfahren gegen Polizisten wegen rechter Umtriebe.
  • Es gibt "kein Defizit an Strafnormen", sagt Oberstaatsanwalt Markus Hartmann. Die rechtliche Beurteilung von Hass-Postings im Netz findet er indes "sehr komplex". Derweil fordert Annegret Kramp-Karrenbauer einen "digitalen Gewaltschutz" - ohne näher zu erläutern, was sie damit meint.

  • Katrin Göring-Eckardt will lieber eine Zentralstelle, zuständig für Cybercrime und eine bessere Zusammenarbeit der Behörden.

Fazit

Am Ende herrschten wieder einmal Betroffenheit und Ratlosigkeit vor, vor allem bei den Politikerinnen in der Runde.

"Anne Will": Keine Koalition mit der AfD - AKK stellt klar:  "CDU wird in der gesellschaftlichen Mitte bleiben"

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