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"Anne Will" SUVs verbieten? Verkehrsminister Scheuer will keinen Rückfall in "Trabi-Zeit"

"Anne Will" - die Gäste
Diskutierten bei "Anne Will" über Klima und Verkehr: Elisabeth Raether (Co-Leiterin des Politikressorts der "Zeit"), Stefan Wolf (Vorstandsvorsitzender der ElringKlinger AG und Mitglied im Vorstand des Verbandes der Automobilindustrie), Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), Anne Will (Moderatorin), Andreas Scheuer (CSU) und Marion Tiemann (Greenpeace Deutschland) (v.l.n.r.)
© NDR/Wolfgang Borrs, 
Verkehrsminister Andreas Scheuer selbst saß auf der Couch bei „Anne Will“. Er sprach sich trotz Klimaprotesten für freie Fahrt auf Deutschlands Straßen aus. Greenpeace-Aktivistin Marion Tiemann schäumte – und ging zu persönlichen Angriffen über.
Von Simone Deckner

Alle reden übers Klima – "Anne Will" auch. Am Freitag soll das so genannte Klimaschutzpaket mit 53 Maßnahmen verabschiedet werden. Am gleichen Tag werden Zehntausende zum Klimastreik auf den Straßen erwartet, denen die Maßnahmen nicht weit genug gehen. Die Proteste bei der IAA in Frankfurt waren da nur ein Vorgeschmack. Genug Gesprächsstoff also beim Thema "Verzichten, verteuern, verbieten – muss Klimapolitik radikal sein?"

Dabei führt kein Weg am Auto vorbei. Als "Symbol für den Kulturkampf um Klima und Nachhaltigkeit" bezeichnete es die Redaktion von "Anne Will". Reizthema SUVs. Seit dem tödlichen Unfall in Berlin wird über diese Fahrzeugklasse so heftig gestritten wie über keine andere: Von "panzerähnliche Schleudern" sprechen die Kritiker, von "bequemen, sicheren Fahrzeugen" die Befürworter.

Die gleichen, unvereinbaren Gegensätze zeigten sich auch bei "Anne Will". Hier Verkehrsminister Andi Scheuer (CSU) und Automobilindustrie-Vertreter Stefan Wolf, die sich beide strikt gegen Auto-Verbote aussprachen. Auf der anderen Seite die Greenpeace-Aktivistin Marion Tiemann und die "Zeit"-Journalistin Elisabeth Raether, die "mehr Platz für Menschen statt für Autos" forderten. Dazwischen saß Cem Özdemir, schlug eine CO2-Steuer für SUVs vor und versuchte ansonsten eine Stunde lang mit zusammen gekniffenen Augenbrauen Kollege Scheuer zu irritieren, während der ihn ständig kumpelhaft als "lieber Cem" auszubremsen versuchte.

Es diskutierten:

  • Andreas Scheuer (CSU), Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur
  • Marion Tiemann, Klima-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland
  • Cem Özdemir (Grüne), Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Deutschen Bundestag
  • Elisabeth Raether, Co-Leiterin des Politikressorts der "Zeit"
  • Stefan Wolf, Vorstandsvorsitzender der ElringKlinger AG und Mitglied im Vorstand des Verbandes der Automobilindustrie (VDA)

Scheuer strikt gegen Verbote von SUVs

"Müssten sie nicht radikal umsteuern?", wollte Anne Will vom Verkehrsminister wissen. Scheuer fand, sein Ministerium tue doch schon sehr viel. "Der Ausbau des ÖPNV ist bei uns im Mittelpunkt", sagte er. Will widersprach, argumentierte, dass der ÖPNV hierzulande immer teurer geworden sei, zudem "lächerlich wenig" für den Radverkehr ausgegeben werde im internationalen Vergleich. Das Auto stehe nach wie vor im Zentrum von Scheuers Verkehrspolitik, warum das so sei? "Das ist wieder so ein typischer Berliner Blick", ging Scheuer zum Gegenangriff über. Der "Landwirt aus Freiburg und der Handwerker aus Brandenburg" könnten ja "nicht einfach auf die S-Bahn umsteigen", machte der Verkehrsminister sich für eine weitere Sicht auf die Verkehrspolitik stark.

SUV-Verbote oder eine Obergrenze für Geländewägen in Innenstädten seien mit ihm nicht zu machen: "Meine Politik ist nicht, eine Fahrzeugklasse vorzuschreiben", so der CSU-Politiker. Dann holte Scheuer zu einem mindestens irritierenden Vergleich aus: Solche Vorschriften und Verboten erinnerten ihn an vergangene DDR-Zeiten und die damalige Planwirtschaft. Da habe der Staat ja auch vorgegeben, welches Auto man zu fahren habe. Scheuer: "Ich will die Trabi-Zeit hinter mich bringen".

"Merkel muss den SUV-Wahn regeln"

"Die CSU hat ja sonst keine Probleme mit Verboten", schaltete sich Greenpeace-Verkehrsexpertin Marion Tiemann ein, seltsam, dass es nur bei der Klimapolitik "ohne klaren Regeln funktionieren soll." Die Klimaprotesler, so Tiemann weiter, gingen ja nicht "aus Jux und Dollerei" auf die Straße, sondern aus "einer Not heraus". Kanzlerin Angela Merkel müsse "den SUV-Wahn regeln", wurde Tiemann dann immer parolenhafter und schoss sich auf Scheuer ein, dem sie unterstellte, er interessiere sich nicht dafür, in welcher Welt ihre Nichte ("ich werde selbst Tante") aufwachsen würde. Scheuer, angesäuert: "Ihre Worte und Slogans sind wirklich von Arroganz geprägt. Ich habe auch eine Tochter!"

Cem Özdemir versuchte es mit einem konkreten Vorschlag: "Wer einen SUV kauft, zahlt mehr für den CO2-Ausstoß. Ich bin für ein Bonus-Malus-System über die Kfz-Steuer. Wer keinen SUV kauft, wird entlastet", so der Grünen-Politiker. "Es gibt Menschen, die gerne SUVs fahren", argumentierte Industrievertreter Wolf. Es gäbe auch "ganz kleine SUVs", zudem sei es "ein Irrglaube, dass ein großer SUV auch immer einen großen Co2-Ausstoß habe." Greenpeace-Aktivistin Tiemann warf er vor, sie "verteufele" die Autos, wer wie sie einen Ausstieg aus Benzin und Dieseltechnologie bis zum Jahr 2025 fordere, der müsse sich auch vor "zehntausend meiner Mitarbeiter stellen, die dann keinen Job mehr haben". 

Elisabeth Raether, die "Zeit"-Journalistin gab zu bedenken, dass "die Verkehrsteilnehmer in der Stadt nicht gleichberechtigt sind: Das Auto hat ein Vorrecht". Zu Scheuer gewandt sagte sie: " Sie werden nicht um Verbote und Verteuerungen herum kommen." Es sei aber auch seine Aufgabe, solche Maßnahmen nicht rundheraus abzulehnen: "Es ist ein gemeinschaftliches Projekt, so müssten sie es kommunizieren", forderte sie von dem CSU-Politiker. Zehn Minuten vor Schluss fiel dann Raethers Mikrofon aus. Es dauerte etwas, bis für Ersatz gesorgt war. "Vielleicht, weil wir zu viel geredet haben?", scherzte Anne Will. Dass sich die Runde nicht mal bei einem einzigen Aspekt annähern konnte, zeigte aber: Genutzt hat das viele Reden wenig.

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