In den westafrikanischen Staaten liegen die Nerven wegen der Ebola-Epidemie zunehmend blank: Bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften in Guinea wurden nach Behördenangaben vom Wochenende dutzende Menschen verletzt, als Händler gegen eine Desinfektions-Kampagne auf einem Markt protestierten. Auch die Nachbarstaaten Guinea-Bissau und Liberia fuhren ihre Schutzvorkehrungen hoch. Unterdessen werden die Rufe nach mehr Hilfe westlicher Industrienationen lauter.
Nach Angaben der Regionalregierung in Guineas zweitgrößter Stadt N'Zerekore wurden dort am Donnerstag und Freitag mindestens 55 Menschen bei den Ausschreitungen verletzt, die Hälfte von ihnen Sicherheitskräfte. Es gebe zwei Lager, sagte Regionalgouverneur Lancei Conde am Samstag: "Diejenigen, die an die Existenz von Ebola glauben und diejenigen, die meinen, die Epidemie werde eingeschleppt." Nach Angaben der Stadtpräfektur griffen Demonstranten die Rettungsstelle des örtlichen Krankenhauses sowie Fahrzeuge der Hilfsorganisation Unicef und eines Arztes an.
Die Ebola-Epidemie hatte sich seit März von Guinea auf Sierra Leone und Liberia ausgebreitet, bevor sie auch in Nigeria und jüngst auch im Senegal auftrat. Das Virus wird durch Körperflüssigkeiten übertragen. Es löst hämorraghisches Fieber, Durchfall, Erbrechen sowie innere Blutungen aus und führt in vielen Fällen zum Tod.
Westafrika braucht Experten und Ausrüstung
Guinea-Bissau rief eine nationale Hygiene-Kampagne ins Leben, bei der künftig an jedem letzten Samstag im Monat öffentliche Plätze im ganzen Land gereinigt und desinfiziert werden sollen. Gekleidet in Sportklamotten griff Präsident José Mário Vaz in der Hauptstadt Bissau selbst zur Kehrschaufel. "Die Situation ist ernst, und die Gefahr ist real", sagte der Staatschef. "Die ganze Nation muss zum Handeln mobilisiert werden, da Ebola schon unsere Nachbarländer erreicht hat." Auch Soldaten packten bei der Säuberungskampagne mit an, Märkte wurden vorübergehend geschlossen.
Liberias Hafenaufsichtsbehörde kündigte an, ankommenden Schiffsbesatzungen jegliche Landgänge zu verwehren, solange die Ebola-Epidemie nicht unter Kontrolle sei. Am internationalen Flughafen des Landes wird schon jetzt bei allen an- und abreisenden Passagieren die Körpertemperatur gemessen, um Erkrankte rechtzeitig zu entdecken. Insgesamt haben sich nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO seit Jahresbeginn mehr als 3000 Menschen mit dem Virus angesteckt, 1552 von ihnen überlebten die Infektion nicht.
Humanitäre Hilfsorganisationen könnten die Epidemie alleine nicht mehr in den Griff bekommen, warnte Brice de le Vigne von Ärzte ohne Grenzen. Dem "Spiegel" sagte der Projektabteilungsleiter, die benötige Hilfe könne nur von reichen Industrienationen mit professionellem Katastrophenschutz, der notwendigen Logistik und organisatorischen Disziplin kommen: "Deutschland, Frankreich, die USA, Großbritannien - diese Länder müssen schnellstens Experten und Ausrüstung nach Westafrika schicken." Gebraucht würden Spezialisten, die Krankenstationen aufbauen könnten, sowie Fachleute, die mit der Bekämpfung von Chemiekatastrophen in Schutzanzügen vertraut seien.
Streik in großer Ebola-Klinik in Sierra Leone
Das Gesundheitspersonal in einem der beiden Ebola-Behandlungszentren Sierra Leones ist nach dem Tod von mittlerweile fast 30 Kollegen in Streik getreten. Die Klinik verfüge nur über eine Krankentrage und diese sei kaputt, schilderte Abteilungsleiter Ishmael Mehemoh die Arbeitsbedingungen seiner Mitarbeiter in dem Krankenhaus. Auf ihr seien sowohl Patienten als auch Leichen transportiert worden, wodurch sich das Ansteckungsrisiko erhöht habe. Krankenpfleger und Bestatter erklärten zudem, die Regierung habe ihre Wochenlöhne in Höhe von 50 Dollar nicht mehr bezahlt.
In dem einzigen anderen Ebola-Behandlungszentrum des Landes hatte die Weltgesundheitsorganisation WHO kürzlich das Labor geschlossen und Mitarbeiter abgezogen, nachdem dort einer ihrer Mitarbeiter mit der tödlichen Krankheit infiziert wurde.
Dutzende Festnahmen aus Furcht vor Ebola in Nigeria
Aus Furcht vor einer Ebola-Ausbreitung hat die Polizei in Nigeria 39 Bürger aus Sierra Leone und der Demokratischen Republik Kongo festgenommen. Zur Begründung hieß es, die Menschen kämen aus Ländern, in denen das gefährliche Virus aufgetreten sei, berichtete die Zeitung "Vanguard" am Sonntag.
Polizisten und Beamte der Einwanderungsbehörde hätten bei einer Razzia zwei Hotels in der Wirtschaftsmetropole Lagos durchsucht und dort vier Bürger aus Sierra Leone und 35 aus der Demokratischen Republik Kongo gefasst. Anschließend seien sie unter Beobachtung gestellt worden. Der Polizeieinsatz sei nach dem Anruf eines Anwohners ausgelöst worden.
Zuvor hatte Nigerias früherer Präsident Olusegun Obasanjo kritisiert, dass Länder wie Liberia angesichts der Ebola-Ausbreitung nicht strengere Kontrollen von Reisenden eingeführt hätten. Aus Nigeria, mit rund 170 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Afrikas, sind bislang nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation 6 Ebola-Tote und 17 Erkrankungsfälle bekanntgeworden. In den Statistiken werden bestätigte und Verdachtsfälle erfasst.
USA testen neuen Ebola-Impfstoff an Menschen
Ein neuer Ebola-Impfstoff soll schon in den nächsten Tagen in den USA erstmals an Menschen getestet werden. Das Mittel sei vom US-Institut für Allergien und ansteckende Krankheiten (NIAID) und dem Pharmahersteller GlaxoSmithKline gemeinsam entwickelt worden, teilte die US-Gesundheitsbehörde NIH (National Institutes of Health) mit. Die Versuche seien so gestaltet, dass sich die Teilnehmer nicht mit der lebensgefährlichen Erkrankung anstecken könnten. Zu Beginn solcher Tests geht es etwa um die Verträglichkeit eines Mittels.
Eigentlich hätten die Versuche erst später stattfinden sollen, aufgrund der sich rapide ausbreitenden Ebola-Epidemie wurden sie jedoch vorgezogen. "Es gibt einen dringenden Bedarf für einen schützenden Ebola-Impfstoff und es ist wichtig, sicherzustellen, dass eine Impfung sicher ist", sagte NIAID-Direktor Anthony Fauci.
Getestet werden soll in der Nähe der US-Hauptstadt Washington an 20 gesunden Erwachsenen zwischen 18 und 50 Jahren. So wollen die Forscher herausfinden, ob die Impfung, die an Affen bereits erfolgreich ausprobiert wurde, sicher ist und welche Reaktion des Immunsystems sie hervorruft. Während der 48 Wochen dauernden Testzeit werden die Teilnehmer regelmäßig ärztlich untersucht. Bei dem Impfstoff wird ein verändertes Adenovirus als Plattform benutzt.