Nach Berichten über eine massive Ausspähung von EU-Vertretungen durch US-Geheimdienste hat die Europäische Kommission eine Sicherheitsüberprüfung in allen EU-Büros weltweit veranlasst. Kommissionspräsident José Manuel Barroso habe eine "umfassende sofortige Sicherheitsüberprüfung" angeordnet, sagte Kommissionssprecherin Pia Ahrenkilde Hansen am Montag in Brüssel. Die Berichte über Lauschangriffe auf die EU-Büros in Washington und New York seien "verstörend" und verlangten "volle Aufklärung".
"Klarheit und Transparenz ist es, was wir von unseren Partnern und Verbündeten erwarten, und das ist es, was wir von den USA erwarten", fügte die Sprecherin hinzu. Kommissionssprecher Michael Mann stellte heraus, dass die Enthüllungen auf das Jahr 2010 zurückgingen und die EU-Vertretungen in Washington und New York seitdem umgezogen seien. Mittlerweile sei "ein vollkommen neues Sicherheitssystem" in ihren Räumlichkeiten installiert worden.
Vorerst keine Verhandlungen mit den USA
Die Abhörpraktiken ihres Geheimdienstes bringt die Regierung von US-Präsident Barack Obama unter massiven Druck. "Wir können ein solches Verhalten unter Partnern und Verbündeten nicht akzeptieren", sagte Frankreichs Staatschef François Hollande am Montag. In EU-Kreisen in Brüssel wurde Washington "Vertrauensbruch" vorgeworfen, nachdem über Abhöraktionen in Vertretungen der EU, Frankreichs, Italiens und anderer Länder berichtet worden war.
"Wir verlangen, dass das sofort aufhört", forderte Hollande. Solange Washington keine Garantien zur Einstellung der Spionageaktivitäten abgebe, könne es keine "Verhandlungen oder Transaktionen" zwischen den USA und Frankreich oder der EU geben.
Im Juli sollen die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU beginnen. Auch EU-Kommissarin Viviane Reding hatte am Sonntag damit gedroht, die Verhandlungen ruhen zu lassen, sollten die Berichte zutreffen.
"Sehr dornenreiche Angelegenheit"
Die britische Zeitung "The Guardian" hatte berichtet, die NSA habe unter anderem die diplomatischen Vertretungen von Frankreich, Italien und Griechenland in Washington und bei den Vereinten Nationen ausgespäht. Demnach installierte der Geheimdienst in den Vertretungen Wanzen und zapfte Kabel an. Insgesamt seien in den NSA-Dokumenten 38 Überwachungsziele genannt worden, darunter auch die Türkei. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte zuvor bereits über NSA-Lauschangriffe auf EU-Einrichtungen berichtet.
Die italienische Außenministerin Emma Bonnino erklärte in Rom, ihre Regierung verlange von Washington "Aufklärung einer sehr dornenreichen Angelegenheit". Zugleich äußerte sie sich "zuversichtlich", dass die US-Regierung die notwendigen Informationen lieferten. Das griechische Außenministerium erklärte, es prüfe derzeit die Berichte und werde dann entsprechende Erklärungen verlangen. Die Bundesregierung reagierte "mit Befremden" auf die Berichte.
Brüssel erwartet "einen politischen Schaden"
"Wenn es wahr ist, dass die Amerikaner ihre Verbündeten ausgespäht haben, wird es einen politischen Schaden geben", hieß es aus EU-Kreisen in Brüssel. Die Spähangriffe gingen offenbar "weit über die Anforderungen für die nationale Sicherheit hinaus".
US-Außenminister John Kerry wies Kritik an den Spähprogrammen zurück. Die Sammlung von Informationen über andere Länder sei "nicht unüblich", sagte Kerry nach einem Treffen mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton in Brunei. Zu den Berichten über das Ausspionieren europäischer Einrichtungen wollte er sich jedoch vorerst nicht äußern. Am Sonntag hatte die US-Regierung angekündigt, "über ihre diplomatischen Kanäle" auf die Vorwürfe reagieren zu wollen. Dieser Austausch könne in "einigen Wochen" beginnen.