Nach Urteil in den USA "Wir sollten vorwärts gehen, nicht rückwärts": Abtreibung soll nach EU-Parlament Grundrecht werden

In den USA wurde das Recht auf Abtreibung gekippt. In der EU soll es nun verankert werden.
In den USA wurde das Recht auf Abtreibung gekippt. In der EU soll es nun in der Grundrechtecharta verankert werden.
© Jose Luis Magana
Nachdem in den USA das Recht auf Abtreibung gekippt wurde, will das EU-Parlament dieses in die Grundrechtecharta der Europäischen Union aufnehmen. Man wolle in puncto Frauenrechte vorwärts gehen, heißt es in der Erklärung.

Nach der Aufhebung eines US-Grundsatzurteils zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen hat das Europäische Parlament die Aufnahme des Rechts auf Abtreibung in die EU-Grundrechtecharta gefordert. In die Charta solle der Satz "Jeder hat das Recht auf sichere und legale Abtreibung" aufgenommen werden, forderte die Mehrheit der Abgeordneten am Donnerstag in Straßburg in einer nicht bindenden Entschließung. Demnach sollen die Mitgliedstaaten sich nun damit befassen.

Die im Jahr 2000 verabschiedete Grundrechtecharta der EU ist rechtlich bindend und hat den gleichen Stellenwert wie die Verträge der EU. Die Aufnahme des Rechts auf Abtreibung in die Charta erfordert nach den derzeitigen EU-Verträgen die Einstimmigkeit der Mitgliedsländer, die derzeit nicht besteht. Die Abgeordneten forderten in ihrer Entschließung daher auch eine Möglichkeit zur Änderung der Verträge.

EU-Abgeordnete kritisieren Abtreibungsurteil in den USA

Viele der Parlamentarier verurteilten "erneut aufs Schärfste die Rückschritte bei den Rechten von Frauen und der sexuellen und reproduktiven Gesundheit" weltweit, "auch in den USA und in einigen EU-Mitgliedstaaten".

"Die Entscheidung des Obersten US-Gerichtshofs ist ein herber Rückschlag für die Rechte der Frauen und unser aller Selbstbestimmung", erklärte die SPD-Europaabgeordnete Maria Noichl. Die Grünen-Abgeordnete Terry Reintke sagte: "Ideologische Grabenkämpfe dürfen nicht länger auf dem Körper und der Gesundheit von Frauen ausgetragen werden."

"Starke Frauenrechte" seien "eine Errungenschaft, auf die ganz Europa stolz sein kann", hatte die EU-Gleichstellungskommissarin Helena Dalli bereits am Montag in Straßburg gesagt. "Wir sollten vorwärts gehen, nicht rückwärts." Die französische Abgeordnete Nathalie Colin-Oesterlé von der konservativen EVP-Fraktion hatte am Montag ebenfalls davor gewarnt, dass in Europa "die Frauenrechte auch bedroht" seien.

Am Donnerstag stimmten viele Abgeordnete der Konservativen und Christdemokraten - darunter EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) – gegen die Resolution.

Auch in der EU gelten teils strenge Abtreibungsgesetze

In den USA hatte der Oberste Gerichtshof des Landes am 24. Juni das seit fünf Jahrzehnten geltende Recht auf Abtreibung gekippt. Der mehrheitlich von konservativen Richtern besetzte Supreme Court hob das Grundsatzurteil "Roe v. Wade" aus dem Jahr 1973 auf, das Schwangerschaftsabbrüche landesweit grundsätzlich erlaubt hatte.

Doch auch in der EU gelten zum Teil strikte Abtreibungsgesetze: In Malta sind Schwangerschaftsabbrüche verboten – bei illegalen Abtreibungen droht den Betroffenen eine Gefängnisstrafe. Polen hatte sein strenges Abtreibungsgesetz im Herbst 2020 verschärft. Seitdem sind Abtreibungen nur nach Vergewaltigungen erlaubt oder wenn das Leben oder die Gesundheit der Mutter in Gefahr sind. Die Familie einer Anfang des Jahres gestorbenen Mutter hatte nach der Gesetzesänderung schwere Vorwürfe gegen behandelnden Ärzte erhoben. Demnach hätten diese wegen des strengen Abtreibungsgesetzes in Polen nicht gewagt, das Leben der Frau durch einen Schwangerschaftsabbruch zu retten.

In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch nach Paragraf 218 des Strafgesetzbuches grundsätzlich verboten. In den ersten zwölf Schwangerschaftswochen bleiben Abtreibungen aber straffrei, wenn es vorher eine Beratung gegeben hat, die Schwangerschaft durch ein Sexualdelikt wie einer Vergewaltigung entstanden ist oder gesundheitliche Gefahren bestehen.

DPA · AFP
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