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Haushaltsstreit Wie die EU Italien mit Hilfe von Spekulanten in die Knie zwingen will

Regierung Rom
Die Regierung in Rom, namentlich Ministerpräsident Giuseppe Conte (M.), sein Vize Luigi Di Maio (l.) und Innenminister Matteo Salvini, bei einer Parlamentsdebatte 
© Giuseppe Lami/Ansa/AP / DPA
Brüssel und Rom streiten über hohe Schulden. Die EU-Politik will den Italieners deshalb die Mechanismen der Finanzmärkte auf den Hals hetzen, um die rechtspopulistische Regierung umzustimmen - ein gefährlicher Plan.

Sein Ruf ist mies. Geldgierig. Rücksichtslos. Egoistisch. Er stürzt Unternehmenschefs, treibt Häuserpreise in die Höhe und lässt Staaten taumeln. Der Spekulant ist bei vielen Menschen ungefähr so beliebt wie eine Küchenschabe auf einer Buttercremetorte. Bleib bloß weg.

Sicher, einige nette Vertreter der Spezies gibt es auch. Schrullige Opas wie der US-Milliardär Warren Buffet, der für seine Anlagetipps ("Wenn es Gold regnet, stell einen Eimer vor die Tür und keinen Fingerhut.") als ein übers Wasser wandelnder Guru gerühmt wird. Oder George Soros, der gegen das britische Pfund gewettet und gewonnen hat, sich nun geläutert gibt und überall die Demokratie retten will. Geht es aber ums Spekulieren sagt Soros: "Ich bin sehr auf tierische Instinkte angewiesen."

Der Spekulant als Lichtgestalt?

Das Tier rauslassen. Darum geht es den Jungs an den Börsen. Muss man das bejubeln? Nein. Und dennoch könnte sich der Blick auf die Herren des Geldes ändern. Eine Imagekorrektur deutet sich an, der Spekulant könnte zur Lichtgestalt aufsteigen, zum weißen Ritter, der den Euro vor dem Untergang bewahrt.
Glauben Sie nicht?
Ist auch kaum zu verstehen. Aber nicht wenige Politiker, Ökonomen und Journalisten meinen das ernst. Wirklich.
Es geht um Italien.
Die populistische Regierung von Lega und Fünf-Sterne-Bewegung will weniger sparen und sich mehr verschulden. Brüssel, Berlin und andere Regierungen empören sich, weil die Italiener damit Haushaltsregeln brechen. Einige Experten erinnern an Griechenland, sehen das Gespenst einer neuen Euro-Krise, fürchten gar, dass am Ende der Euro tot und Deutschland bankrott ist.

Was Italien fehlt: Wachstum, Jobs

Weniger düster betrachtet sind manche Argumente der Italiener nicht so schlecht. Das Land wächst seit Jahren kaum, obwohl diverse Regierungen seit 2011 vieles reformiert haben (spätere Rente, weniger Kündigungsschutz, mehr Privatisierung, Druck auf Arbeitslose, höhere Zuzahlungen bei Krankheit). Es stimmt auch nicht, dass sich das Sehnsuchtsland der Deutschen zuletzt nur dem "dolce far niente" hingegeben hat – dem süßen Nichtstun. Die hohen Schulden von 2,3 Billionen Euro entstanden vor allem in den 80er Jahren, in den letzten 20 Jahren liefern die Regierungen fast nur "Primärüberschüsse", was heißt: Der Staat nahm mehr Geld ein, als er ausgab, bevor er Kredite bediente. Mit dieser Tugend können nicht viele Länder glänzen. Ach ja, einen Exportüberschuss von 50 Milliarden Euro gibt es ebenfalls, und die Preise steigen langsamer als bei uns.  Was Italien fehlt sind Wachstum und Jobs. Und eine Idee.  
Diese Idee will Italiens Regierung liefern. Etwa mit einen Bürgergeld für Arme, ein Art Hartz IV à la Romana. Im Süden kennen sie so etwas nicht, in der Not hilft die Familie - oder eben die Mafia. Die Regierung verteilt daneben ein paar Steuervorteile und will die Leute wieder früher in den Ruhestand schicken – was, okay, keine so brillante Idee ist, wenn die Menschen älter werden.

Italiens Pläne sind nicht so dämlich

Andrerseits: Jede Regierung, die die Leute länger arbeiten lassen will, bestrafen die Wähler mit Entzug ihrer Stimme. Diese Erfahrung kennt die SPD; ihr Niedergang begann auch durch die Rente mit 67, einem Lieblingsprojekt ihres damaligen Übervaters Franz Müntefering. Dass Politiker auf den Unmut der Wähler reagieren, kann ihnen keiner ernsthaft vorwerfen. Das ist ihr Job. Wozu wählen wir sie sonst?
Alles zusammengenommen sind Italiens Pläne nicht so dämlich, wie viele behaupten. Nur um eine sachliche Debatte einzelner Ideen geht es nicht. Die Regierung in Rom will gar nicht diskutieren, sie will sich – Zack! - inszenieren, als David, der dem Goliath Brüssel die Stirn bietet. Der Rest von Europa hält dagegen und sagt: "Wir lassen uns nicht einfach auf der Nase herumtanzen." Fürchten sie doch, dass wenn sie einknicken, noch mehr Wähler zu den Populisten überlaufen.

Nun sollen die Spekulanten helfen

Die Strategen in Brüssel und anderswo haben auch schlechte Karten. Die EU-Kommission kann mahnen und wie jetzt Strafen androhen, doch der Weg dahin ist lang und steinig. Bleiben die starken Männer der Regierung, Lega-Chef Matteo Salvini und Luigi di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung bockig, können die EU-Beamten am Ende nur mit den Schultern zucken. 
In dieser verfahrenen Lage sollen die Spekulanten helfen und zwar so: Die internationalen Geldgeber, also Banken, Versicherer, Investmentfonds, Superreiche verkaufen wegen mangelnden Vertrauens ihre italienischen Staatsanleihen. Weil mehr solcher Papiere veräußert werden, sinkt deren Wert, die Kurse der Anleihen fallen, und durch einen komplizierten Mechanismus – den wir nicht weiter vertiefen, wir planen doch kein volkswirtschaftliches Proseminar - steigt der Zins für diese Anleihen.
Der steigende Zins sorgt nun für Ärger. Für neue Kredite muss die Regierung mehr zahlen, daneben dient der Zins für Staatsanleihen als Kompass für andere Kredite. Er macht alle teurer; Darlehen für Verbraucher, Unternehmen, Häuslebauer und Anleihen von Firmen. Die italienischen Banken geraten weiter in Not, denn die vielen Staatsanleihen in ihren Tresoren verlieren an Wert, wodurch die Banken weniger Eigenkapital haben, sich Geld besorgen müssen und weniger Kredite vergeben. Ziemlich übel das alles. Denn Italiens Geldhäuser haben viele faule Kredite in den Büchern.

Lenkt die Regierung am Ende ein?

Eine Krisenspirale setzt sich in Gang. Höhere Zinsen bedeuten mehr Druck auf Firmen, mehr Druck auf Hausbesitzer, mehr Druck auf Verbraucher, mehr Druck auf Banken. Am Ende, hoffen sie in Brüssel, ist der Druck so hoch, dass die Regierung einlenkt.
Richtig aufgegangen ist die Strategie noch nicht. Dabei haben ausländische Investoren seit Februar Staatsanleihen im Wert von 69 Milliarden Euro verkauft, die Zinsen für Staatsanleihen haben sich fast verdoppelt. Doch in den Umfragen halten die Wähler Salvini und Co. weiter die Treue. Das kann sich natürlich ändern, dann hätten die Strategen in Brüssel, Berlin und Paris gewonnen.

Sie folgen Stimmungen, weniger Fakten.

Es kann aber auch gewaltig schiefgehen. Vielleicht verlieren die Spekulanten nicht nur das Vertrauen in Italien, vielleicht auch in Griechenland,  Spanien, Portugal oder gar in die Euro-Zone. Die Jungs an den Börsen sind wie eine Horde Büffel, mal laufen sie in die eine Richtung, mal in die andere, und warum sie den Kurs wechseln, weiß keiner. Sie folgen Stimmungen und Gefühlen, weniger den Fakten.
Hoffen wir, dass die Sache gut ausgeht und die Streithähne in Rom und Brüssel sich einigen. Andernfalls retten die Spekulanten nicht die gemeinsame Währung, sondern beerdigen sie. Die europäische Einigung, eines der erfolgreichsten Projekte der Nachkriegsgeschichte, könnte dann sofort einen Nachruf bestellen. Den Untergang des Euros wird sie nicht überleben.   

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