Ägyptische Terrormiliz schwört IS Treue Dschihad-Franchising zahlt sich nicht aus

Die ägyptische Terrormiliz ABM hat sich offiziell zum Mitglied des Islamischen Staates erklärt. Was die Dschihadisten vom Sinai als Erfolg feiern, dürfte ihen vor allem eines bescheren: Ärger.

Ja, wir schwören dem Islamischen Staat und seinem Kalifen die Treue." - "Bei Allah, bist du verrückt geworden? Das tun wir nicht!" - "Und ob, Bruder! Ich schwör. Steht auch schon auf Twitter." In etwa so muss man sich wohl die Diskussionen vorstellen, die den Führungszirkel der ägyptischen Islamistenmiliz Ansar Beit al Maqdis (ABM) in den vergangenen Tagen erschüttert haben.

Am Montagfrüh nun hieß es in einer Audio-Botschaft der Gruppe im Internet: "Die Entstehung des Islamischen Staates ist wie eine neue Morgenröte." Ist die Gruppe damit dem im Irak und in Syrien ausgerufenen Islamischen Staat (IS) als Mitglied zuzurechnen? Nach heutigem Stand muss man wohl sagen: Vorläufig ja. Nur: Was bedeutet das?

Armee geht brutal vor

Das Operationsgebiet von ABM liegt Hunderte Kilometer südwestlich des IS-Territoriums auf der Sinai-Halbinsel und im nördlichen Ägypten. Hier hat die Truppe, die sich dem Widerstand gegen das Kairoer Militär-Regime um Putsch-General Abdel Fatah al Sisi verschrieben hat, seit 2011 eine Serie von Anschlägen verübt.

Der mit Abstand blutigste fand Ende Oktober nahe der Stadt al-Arisch statt. Die Radikalen hatten einen Lastwagen zur fahrenden Bombe umgerüstet und damit einen Armee-Checkpoint gerammt. Nachrückende Truppen nahmen sie mit panzerbrechender Munition unter Feuer. Anschließend richteten sie verwundete Truppen auf offener Straße hin. Am Ende des Gemetzels waren 30 Soldaten tot. Es waren die schwersten Verluste der ägyptischen Armee in Friedenszeiten.

Staatschef al Sisi nutzt das Blutbad nun, um die tief gespaltene Nation hinter sich zu scharen. Ägyptens Medien werden genötigt, im Sinne des größeren Kampfes gegen die Islamisten nur noch positiv über die seit dem Putsch 2013 ins Zwielicht geratene Armee zu berichten. Militärgerichte übernehmen weite Teile der Zivilgerichtsbarkeit. Unterdessen gehen Kairos Truppen rücksichtlos gegen die Zivilbevölkerung vor, die sie der Unterstützerschaft für ABM verdächtigen. Weite Teile der Stadt Rafah an der Grenze vom Sinai zum Gaza-Streifen machte die Armee dem Erdboden gleich, um den Waffenschmuggel an ABM zu unterbinden. Die Bewohner hatten 48 Stunden Zeit, ihre Häuser zu verlassen.

Streit über die richtige Strategie

Vor diesem Hintergrund ist der Online-Zwist der ägyptischen Islamisten zu sehen, was den Treueschwur an die Brüder vom IS betrifft. Hardcore-Ideologen in den Reihen von ABM wollen der Eskalation von Seiten der Armee offenbar ihrerseits eine neue Eskalationsstufe entgegensetzen. Den unter den Stämmen des Sinai verwurzelten Kadern hingegen ist das nicht geheuer. Sie fürchten neue Vergeltungsaktionen der Armee gegen die eigene Verwandtschaft. Man kann die Zögerlichen unter den Dschihadisten nur allzu gut verstehen. Denn der öffentliche Treueschwur an den IS und seinen Kalifen Abu Bakr al Baghdadi ist für ABM nur von sehr begrenztem, symbolischen Nutzen.

Für einen kurzen Moment darf sich die Sinai-Miliz nun im Glanz der aktuell erfolgreichsten Dschihad-Unternehmung weltweit sonnen. Vielleicht bringt die Aktion ABM auch einen gewissen Zulauf aus Kreisen ägyptischer IS-Sympathisanten. Vor allem wird sie ihnen eines bescheren: eine Menge Ärger.

Der Fahndungsdruck durch die ägyptische Armee wird nach der Meldung vom Anschluss weiter wachsen. Denn die darf sich bei ihrem Feldzug auf dem Sinai nun der Unterstützung großer Teile der 80-Millionen-Nation sicher sein, nach dem Motto: Je brutaler, desto besser. Was heute wie ein genialer PR-Coup der Dschihadisten wirkt, dürfte sich schon bald als eine ziemliche schlechte Idee herausstellen - geboren aus einer Mischung aus Übermut und Verzweiflung.

Schon Bin Laden warnte vor Treueschwüren

Die ABM-Kämpfer - sie wären nicht die ersten, denen das Dschihad-Franchising mehr Nach- als Vorteile einträgt. Erst wenige Wochen sind vergangen, seit im ostlibyschen Derna ABMs Brüder im Geiste einen salafistischen Freistaat ausriefen, samt Anschluss an den IS. Der Lohn: Luftangriffe durch Kampfjets aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Womit sich die Geschichte schon zum x-ten Mal wiederholte. Hatte doch Dschihad-Ikone Osama bin Laden schon 2010 gewarnt (damals an die Adresse der somalischen al-Schabaab-Miliz, die unbedingt Mitglied von al-Kaida werden wollte): "Wenn ihr das öffentlich erklärt, werden eure Feinde zahlreich gegen euch mobilisieren. So ist es schon den Brüdern im Irak und in Algerien ergangen." Das war so etwas wie das Vermächtnis des Terrorpaten. Doch im Kampfgetümmel auf den Schlachtfeldern des Dschihad verhallte es ungehört.

Die Radikalen vom Sinai werden in den kommenden Wochen und Monaten zu ihrem Schrecken feststellen: Mit den Abzeichen des internationalen Dschihad verhält es sich genauso wie mit den Che-Guevara-T-Shirts der internationalen Linken. Sie überstreifen und sich dabei gut fühlen kann jeder. Wie lange das Hochgefühl anhält, steht auf einem anderen Blatt.