Düstere Bilanz "Eine Shit Show": Alexandria Ocasio-Cortez rechnet mit dem US-Kongress ab

Alexandria Ocasio-Cortez mit einer US-Flagge
Nach drei Jahren als Kongress-Abgeordnete desillusioniert: die junge US-Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez
© Alex Wong / Getty Images
Sie ist eine der jungen wilden US-Demokrat:innen und gehörte zu den Lieblingsfeinden von Donald Trump. Nach drei Jahren als Kongress-Abgeordnete zieht Alexandria Ocasio-Cortez Bilanz. Sie fällt düster aus.

Ihr Kürzel AOC ist längst zu einer Art Markenzeichen geworden. Als prominenteste Stimme der "Squad", einer Gruppe junger, linker US-Demokratinnen, hat sich Alexandria Ocasio-Cortez einen Namen bis hin nach Europa gemacht – auch, weil sie als streitbare Abgeordnete eine Lieblingsgegnerin von Ex-Präsident Donald Trump war. Nach drei Jahren als Abgeordnete im Kongress hat die New Yorkerin jetzt in einem ausführlichen Interview eine Bilanz gezogen. Dabei lässt sie an dem Parlamentsbetrieb auf dem Capitol Hill in Washington kein gutes Haar.

"Ehrlich gesagt, es ist eine Shit Show. Es ist jeden Tag skandalös", findet AOC gegenüber dem Magazin "The New Yorker" drastische Worte. Der Gesetzgebungsprozess bestehe vor allem aus schlecht ausgearbeiteten Plänen und verpassten Gelegenheiten, etwas zu gestalten. US-Präsident Joe Biden trete viel zu zurückhaltend auf, die Republikaner seien undemokratisch und die Medien sensationsgeil.

Alexandria Ocasio-Cortez: Manche haben sich daran gewöhnt

Es gebe sicherlich Kolleg:innen, die sich an all' das gewöhnt hätten oder längst desensibilisiert seien, aber sie sei schon manches Mal erstaunt darüber, was sie im Kapitol erlebe. "Mit einigen der mächtigsten Menschen des Landes in einem Raum zu sein und zu sehen, wie sie Entscheidungen treffen – manchmal sind sie einfach nur anfällig für Gruppendenken und Selbsttäuschung." Als Beispiel beschrieb sie die Verabschiedung des parteiübergreifenden Infrastrukturgesetzes – ein wichtiges Projekt der Biden-Regierung. Nach einer monatelangen Pattsituation aufgrund von Forderungen, zunächst den viel weiter gefassten Build Back Better Act zu verabschieden, löste Nancy Pelosi, die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, schließlich den Knoten und das Infrastrukturprogramm wurde verabschiedet. Der Build Back Better Act mit einer Vielzahl an Bildungs-, Klima- und Familienleistungen komme aber seither nicht voran.

Ocasio-Cortez kann die Freude über den politischen Erfolg für Joe Biden in dieser Form nicht nachvollziehen: "Die Leute reden sich wirklich ein, dass die Verabschiedung des Infrastrukturplans (...) die einzig wichtige Entscheidung der Präsidentschaft ist – mehr als die Wahlrechte, mehr als der Build Back Better Act selbst, in dem das Gros des tatsächlichen Planes des Präsidenten enthalten ist", so AOC. Zu sehen, wie sich die Abgeordneten-Kolleg:innen zu Entscheidungen durchringen, sei ein "faszinierender psychologischer Moment".

Sorge um die Demokratie in den USA

Der Zustand der beiden politischen Parteien in den USA macht der 32-Jährigen Sorgen. Bei ihrer eigenen Partei sehnt sie einen Generationswechsel herbei, und sie wünscht sich mehr Mut im politischen Handeln. "Ich wünschte, unsere Partei wäre in der Lage, eine mutige Führung zu unterstützen, die die Ursachen [für die Probleme des Landes] angehen kann", so Alexandria Ocasio-Cortez. Auch Joe Biden sei zu zurückhaltend – selbst wenn aufgrund der nur hauchdünnen demokratischen Mehrheit manches schlicht "außerhalb der Kontrolle des Präsidenten" liege. Bidens Zurückhaltung in innenpolitischen Fragen trage dazu bei, dass die Situation der Demokraten im Jahr der Zwischenwahlen nicht gut sei. Als Beispiel nennt sie das Zögern in der Frage, Studentendarlehen zu streichen. Dies verprelle eine wichtige Wählergruppe, dabei liege das "ganz in seiner Macht", so Ocasio-Cortez.

Eine starke demokratische Partei hält die junge New Yorkerin für wichtig auch wegen der Art und Weise, wie sich die Republikaner nach der Amtszeit von Donald Trump entwickeln. Gehe es nach der GOP, der Grand Old Party, gebe es ein "sehr reales Risiko", dass die USA in etwa einem Jahrzehnt kein demokratischer Staat mehr sei. "Was wir riskieren, ist eine Regierung zu haben, die sich vielleicht als Demokratie ausgibt, und vielleicht versucht, so zu tun, als ob sie es wäre, es aber nicht ist", so Ocasio-Cortez. Den Beginn dieser Entwicklung erlebe man bereits, sagt AOC, und führt Angriffe auf das Wahlrecht immer da an, wo "die republikanische Macht durch sich verändernde Wählerschaften und Demografie" bedroht sei. "Es ist eine weiße, nationalistische, reaktionäre Politik, die beginnt, zu einer kritischen Masse anzuwachsen."

Kandidiert AOC bald für den Senat?

Was ihre eigene Zukunft angeht, lässt sich AOC in dem Interview nicht in die Karten schauen. Gerüchte, sie könne schon bald für den Senat kandidieren, kommentiert sie nicht. Sie setze sich unablässig für die Interessen der arbeitenden Menschen ein, und das könne sie auch raus aus einem Amt hin zum Aktivismus bringen. Doch trotz aller Kritik, trotz aller Frustration über die Abläufe im Kapitol und trotz ihres Hangs, manchmal sehr zynisch zu sein, habe die tägliche Arbeit in Washington einen Wert. "Ich lehne den totalen Zynismus ab, dass das, was hier passiert, fruchtlos ist."