Atomstreit Iran provoziert mit neuen Raketentests

Mit einem Manöver seiner Elitetruppen hat der Iran seine Politik der Provokationen gegenüber dem Westen fortgesetzt. Das staatliche Fernsehen zeigte demonstrativ den Abschuss von Kurzstreckenraketen.

Der Iran geht wenige Tage vor einem Treffen mit Vertretern des Weltsicherheitsrates in der Atomfrage auf Konfrontationskurs zur Weltgemeinschaft. Nach der jüngsten Ankündigung, das umstrittene Atomprogramm noch auszuweiten, heizte das Mullah-Regime die Stimmung am Sonntag mit neuen Raketentests weiter an. Trotz aller Provokationen stehen die Zeichen in der westlichen Welt noch immer auf Dialog. Doch werden Stimmen nach schärferen Sanktionen und einem Militärschlag lauter. Selbst das traditionell befreundete Russland rückt inzwischen von Teheran ab. Die Entwicklung der vergangenen Tage macht die ohnehin schwierige Ausgangsposition für das Treffen der fünf ständigen Vertreter des Weltsicherheitsrats und Deutschlands mit dem Iran am Donnerstag in Genf noch komplizierter.

Ungeachtet aller Kritik erprobte der Iran laut dem staatlichen iranischen Sender Press TV am Sonntag eine neue Kurzstreckenrakete sowie Abschussanlagen. Die Tests waren am Tag zuvor angekündigt worden. Teheran wolle mit dem jährlichen Manöver die Fähigkeit der Streitkräfte zur Abschreckung erhalten und verbessern, berichtete die Nachrichtenagentur ISNA. Israel forderte nach der Verschärfung des Atomstreits "lähmende Sanktionen". "Wenn nicht jetzt, wann dann", sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu laut israelischen Medienberichten in Telefongesprächen mit US-Politikern. Der ultra-rechte Außenminister Avigdor Lieberman sagte im israelischen Rundfunk, die neue Anlage zur Urananreicherung sei "ohne jeden Zweifel" für militärische und nicht für friedliche Mittel vorgesehen.

Atomstreit spitzt sich zu

Nach Ansicht des Leiters des Französischen Instituts für Strategische Analyse, François Géré, ist der Iran bereits in der Lage, Atombomben zu bauen. Die "wahrscheinlichste These" sei, dass Teheran die neue Anlage geheim halten wollte, um dort schwach angereichertes Uran aus der international kontrollierten Anlage in Natans bombenfähig zu machen, sagte er dem "Parisien". Der Atomstreit hat sich in den vergangenen Tagen wegen des Baus der zweiten, zuvor öffentlich unbekannten iranischen Anlage zur Urananreicherung zugespitzt. Bisher war nur die Anlage in Natans bekannt. Der Iran beteuert, das atomare Material nur für zivile Zwecke nutzen zu wollen. Westlichen Geheimdiensten sollen die Pläne schon länger bekannt sein. Die Weltgemeinschaft fordert schnellen Einblick in die Anlage. Die Regierung um US-Präsident Barack Obama will für Inspektoren Zugang "innerhalb von Wochen", berichtete die "New York Times" am Samstag unter Berufung auf Regierungsbeamte. Inspektoren müssten Kontakt zum Personal und vollen Einblick in die Dokumente erhalten, hieß es.

Teheran kündigte an, internationale Inspekteure in seine neue Anlage zu lassen. Es werde eine "Inspektion der neuen Fabrik in angemessener Zeit geben", sagte der Leiter der iranischen Atomenergiebehörde, Ali Akbar Salehi, am Samstag im staatlichen Fernsehen. Obama hatte Teheran bereits am Samstag in seiner wöchentlichen Radio- und Internetbotschaft vor gravierenden Konsequenzen gewarnt, sollte die iranische Führung bei ihrem Atomprogramm nicht einlenken. Zugleich bot er einen ernsthaften Dialog an. Einen Militärschlag wollen die USA und Großbritannien inzwischen nicht mehr ausschließen. "Es ist immer begrüßenswert, wenn der Iran die Entscheidung trifft, die internationalen Regeln und Bestimmungen einzuhalten, vor allem bezüglich der IAEA", sagte US-Außenministerin Hillary Clinton in New York. Sie hoffe, dass Teheran bei dem anstehenden Treffen "mit uns teilt, was es alles zu tun bereit ist und uns einen Zeitplan gibt, nach dem es vorgehen will."

Teheran zeigt sich wenig kompromissbereit

Am Donnerstag kommen Vertreter aus den USA, Frankreich, Russland, Großbritannien, China und Deutschland in Genf mit Gesandten aus dem Iran zusammen, um Auswege aus dem verfahrenen Atomstreit auszuloten. Teheran zeigt sich wenig kompromissbereit und will nur über globale Herausforderungen sprechen, nicht aber über das eigene Atomprogramm. Die neue Anlage mit Platz für rund 3000 Zentrifugen befindet sich rund 100 Kilometer südlich der Hauptstadt Teheran nahe der heiligen Stadt Ghom und ist laut Experten frühestens in drei bis sechs Monaten betriebsbereit. Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad sprach von rund 18 Monaten bis zur Inbetriebnahme. Über die Kritik an dem späten Bekanntwerden des Projektes zeigte sich der Iran verwundert. Seiner Ansicht nach wäre das Land erst ein halbes Jahr vor Inbetriebnahme verpflichtet gewesen, die Existenz zu melden, sagte Irans Atom-Chef Salehi.

Die IAEA hat ihre Melderegeln aber 2007 verschärft. Eine Anlage muss bereits im Stadium der Planung noch vor Baubeginn bekanntgemacht werden. Iran sieht sich an die Klausel nicht gebunden. "Dies war ein geheimes Vorhaben, das ist das Schwierigste in dieser Situation", sagte Russlands Präsident Dmitri Medwedew laut Agentur Interfax am Samstag nach dem G20-Treffen im amerikanischen Pittsburgh. Er schloss nicht aus, dass die Vetomacht im Gegensatz zu früher Sanktionen im Weltsicherheitsrat unterstützen könnte. Wie der US-Sender CNN unter Berufung auf US-Regierungskreise berichtete, haben die USA ihre Geheimdiensterkenntnisse über den Bau der zweiten Anlage schon seit geraumer Zeit mit Russland und China geteilt. Damit habe Präsident Obama die Länder dazu bewegen wollen, möglichen Sanktionen gegen das Land zuzustimmen.

Diplomaten hatten am Freitag berichtet, dass in der Anlage Platz für rund 3000 Zentrifugen sei. Das sei etwa die Menge, die man benötige, um innerhalb eines Jahres das Material für eine Atombombe herzustellen, allerdings nicht genug für einen Atomreaktor. Kritiker betonten daher, dass das Projekt einen militärischen Charakter habe. In die erste Anlage in Natans passen laut Experten rund 50.000 Zentrifugen, wovon inzwischen etwa 8000 aufgestellt sein sollen.

DPA · Reuters
DPA/Reuters