Donald Trump kann sich freuen. Die Popularitätskurve des US-Präsidenten ist in den vergangenen Tagen inmitten der Coronakrise nach oben gegangen und liegt je nach Umfrage zwischen 45 und 50 Prozent. In der jüngsten Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Gallup, die am Dienstag veröffentlicht wurde, erreichte Trumps Zustimmungsrate 49 Prozent, das sind fünf Prozentpunkte mehr als noch am Anfang dieses Monats. Es ist erst das zweite Mal in seiner Amtszeit, dass der 73-Jährige in einer Gallup-Umfrage diesen Wert erreicht. Das erste Mal war Anfang Februar dieses Jahres, als das Amtsenthebungsverfahren gegen ihn lief und er kurz vor seinem Freispruch stand.
US-Bürger honorieren Trumps Krisenmanagement
Ein Grund für Trumps Popularitätsschub liegt in der Krise an sich. Denn schon immer haben sich die Amerikaner um ihren Präsidenten geschart, wenn die Nation bedroht war. Jeder Regierende im Weißen Haus, von Franklin Roosevelt bis zu George W. Bush, sah seine Zustimmung nach einem bedeutenden nationalen Ereignis um mindestens zehn Punkte steigen, wie Gallup berichtet. Den bemerkenswertesten derartigen Effekt erlebte demnach Bush nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, als sein Wert um 35 Punkte nach oben schoss.
Eine weitere Erklärung für Trumps Aufwind dürfte sein, dass die Unterstützung der US-Bürger für sein Vorgehen im Kampf gegen die Corona-Pandemie aktuell relativ groß ist und sich das auch in seinen allgemeinen Zustimmungswerten niederschlägt. Bei Gallup bewerteten 60 Prozent der Befragten den Umgang des Präsidenten mit der Krise im Allgemeinen positiv und nur 38 Prozent negativ. Und auch in allen anderen Umfragen der letzten Tage war die Zustimmung in der Frage größer als die Missbilligung.
Doch genau da könnte für Trump auch das Problem liegen. Die Gallup-Umfrage wurde vom 13. bis 22. März durchgeführt, etwa zu der Zeit, als der US-Präsident begann, ernsthafter auf das Coronavirus zu reagieren, nachdem er die Auswirkungen des Ausbruchs zunächst kräftig heruntergespielt hatte. Und die anderen für ihn positiven Erhebungen fanden zwischen dem 16. und 24. statt. In dieser Zeit trat Trump fast täglich bei den Briefings seiner Coronavirus-Task-Force vor die Öffentlichkeit und leitete eine Reihe von Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie in den Vereinigten Staaten ein.
Trumps Umschwung zu einem besorgten, tatkräftigen Krisenmanager wurde von der Bevölkerung offenbar honoriert. Doch zuletzt ließ der Präsident durchblicken, dass es mit dieser Rolle schnell wieder vorbei sein könnte. "Wir fangen an, das Licht am Ende des Tunnels zu sehen", verkündete er am Dienstagabend im Weißen Haus, obwohl die Zahlen der Corona-Infizierten und -Toten in den Vereinigten Staaten weiter in rasantem Tempo steigen. Womöglich aus Angst vor einer Abwahl im November, sollte die US-Konjunktur in der Coronakrise in die Knie gehen, will Trump das Land bis Ostersonntag – also bis zum 12. April – wieder weitgehend im Normalbetrieb sehen. Die Folgen der Schutzmaßnahmen gegen Covid-19 seien verheerender als die Auswirkungen der Pandemie, argumentiert er. "Man wird mehr Menschen verlieren, indem man das Land in eine massive Rezession oder Depression stürzt", sagte Trump am Dienstag dem Sender Fox News. "Mehr Menschen werden sterben. Man wird Tausende Selbstmorde haben. Alles mögliche wird passieren. Man wird Instabilität haben."
Coronakrise bringt Donald Trump in die Zwickmühle
Wie dieser erneute Rollenwechsel des Präsidenten bei den Bürgern ankommt, geht aus den letzten Umfragen noch nicht hervor. Angesichts der oben beschriebenen Zusammenhänge dürfte Trumps Zickzackkurs aber nicht auf allzu große Begeisterung stoßen, zudem es sich dabei um ein hochriskantes Manöver handelt: Laut einer Studie des Imperial College in London aus der vergangenen Woche würden in den USA ohne Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 geschätzte 2,2 Millionen Menschen an dem Virus sterben.

Trump befindet sich in einer Zwickmühle: Die Coronavirus-Pandemie hat die wirtschaftliche Aktivität im Land in vielen Branchen weitgehend lahmgelegt und schon jetzt für eine Explosion der Arbeitslosenzahlen gesorgt. Wie das US-Arbeitsministerium am Donnerstag mitteilte, haben sich in der Woche vom 15. bis 21. März 3,28 Millionen Menschen zusätzlich arbeitssuchend gemeldet. Das ist die höchste Zahl an Neumeldungen seit Beginn dieser Messung. Der bisherige Rekord lag bei 695.000 Neumeldungen im Oktober 1982. Sollte die Konjunktur aufgrund der Schutzmaßnahmen für länger einbrechen, würden ihr Trumps Chancen auf eine zweite Amtszeit vermutlich in den Abgrund folgen.
Wenn der US-Präsident aber die Rettung der Wirtschaft über die Gesundheit der Menschen stellt, und nicht ausreichend energisch und ausdauernd genug gegen die Corona-Pandemie vorgeht, muss er sich im schlimmsten Fall vorwerfen lassen, für den Tod hunderttausender US-Bürger verantwortlich zu sein. Auch das dürfte ihn mit großer Wahrscheinlichkeit seine Wiederwahl kosten. Darauf deutet auch eine aktuelle Umfrage von "Survey USA" hin: In der Erhebung von Dienstag und Mittwoch erklärten 79 Prozent der Befragten US-Bürger, es sei wichtiger, die Infektionswelle abzuflachen, als die Amerikaner wieder an die Arbeit zu bringen.
"Wenn ich Trump wäre, würde ich sechs Monate im Voraus an den Herbst denken", schreibt Nate Silver, Chefredakteur der US-Nachrichtenseite "FiveThirtyEight" über das Dilemma des Präsidenten. "Das heißt, ich würde einen breit angelegten Konjunkturplan wollen, der normalen Amerikanern und kleinen Unternehmen hilft, sich während der wochen- oder monatelangen Betriebsschließungen über Wasser zu halten." Trump sollte zudem versuchen, die Krankheit so weit wie möglich auszumerzen, auch wenn das längere Kontaktbeschränkungen für die Bürger bedeute, rät Silver dem Präsidenten. Und er sollte ein Forschungsprojekt über Behandlungen, Tests und Überwachung starten, damit das Coronavirus besser beherrschbar sei, bis die Wissenschaflter irgendwann einen Impfstoff entwickelt hätten.
"Ehrlich gesagt ist das nicht so kompliziert, und die Anreize für Trump sind klar justiert", stellt Silver fest. "Je besser es Amerika im November geht, desto wahrscheinlicher ist es, dass er wiedergewählt wird."
Quellen: Gallup, "RealClear Politics", "Survey USA", "FiveThirtyEight", CNBC