Gerät einer der erprobtesten Demokratien der Welt wegen Abstimmungsproblemen ins Schlingern? Auf Grund einer unterfinanzierten Behörde, deren Angebot kaum etwas mit Wählen zu tun hat? Wegen der US-Post sorgt sich das Land um die Zuverlässigkeit der Präsidentschaftswahl – und die Krise hat einen Namen: Louis DeJoy. Sogar der zuständige Ausschuss des Repräsentantenhauses ist angesichts der Zustände beim US Postal Service (USPS) hellhörig geworden und hat den Behörden-Chef für Ende August vorgeladen.
Briefwahl wegen Corona-Pandemie
Mit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr sind eine Reihe von Bundesstaaten für die Vorwahlen auf die Stimmabgabe per Post ausgewichen – um zu verhindern, dass die Menschen in Schlangen vor den Wahllokalen stehen müssen. Mancherorts führte das zu Problemen: In Kalifornien waren rund 100.000 Wahlbriefe ungültig, unter anderem, weil sie zu spät zugestellt worden waren. Insgesamt betrafen die Mängel nur 1,5 Prozent der abgegebenen Stimmen, dennoch sind solche Vorfälle Wasser auf die Mühlen der Briefwahl-Kritiker – von denen gibt es einige. Allen voran Donald Trump.
Der US-Präsident wettert schon seit Monaten gegen die Art der Abstimmung, für ihn ist sie eine Einladung zu großflächigem Wahlbetrug. Dafür gab es bislang zwar keine Anhaltspunkte, doch sowohl die regierenden Republikaner als auch die oppositionellen Demokraten fürchten, dass sich die US-Post als Nadelöhr erweisen könnte. Und selbst die USPS räumt mögliche Kapazitätsengpässe ein – wo wieder Behörden-Chef DeJoy ins Spiel kommt.
Briefsortiermaschinen verschwunden
An ihn gerichtet schreibt die Demokratin Carolyn Maloney, die Ausschussvorsitzende, es gebe "alarmierende" Enthüllungen über den Umfang und die Schwere betrieblicher Veränderungen, die weder mit dem Kongress, der Postaufsichtsbehörde oder der Vereinigung der Gouverneure abgestimmt seien. Konkreter Anlass ist etwa eine Meldung, nach der in jüngster Zeit Briefsortiermaschinen in großer Zahl verschwunden sein sollen – ungefähr zu dem Zeitpunkt, als das Weiße Haus begonnen hat, der Post die Briefwahl-Fitness abzusprechen.
Für die Oppositionsführerin ist die Sache daher klar: Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, wirft Donald Trump vor, die USPS zu schwächen , um sich am Wahltag, dem 3. November, seine Wiederwahl zu sichern: "Wir sehen im ganzen Land die verheerenden Auswirkungen der Kampagne des Präsidenten zur Sabotage der Wahl, indem er die Post manipuliert, um den Wählern das Wahlrecht zu entziehen." Und DeJoy habe sich bei diesen Bemühungen wie ein Komplize Trumps verhalten, so Pelosi.
Post-Chef mit Interessenskonflikten
DeJoy wurde im Mai dieses Jahres für das Amt des sogenannten "Postmaster General" vorgeschlagen. Schon seine Ernennung durch Trump war wegen möglicher Interessenskonflikte umstritten. Der 1957 geborenen Unternehmer ist als Logistiker zwar vom Fach, allerdings hatte er sein Berufsleben für die Post-Konkurrenz gearbeitet. Kritiker wie eine Briefzustellergewerkschaft fürchten deshalb, dass DeJoy seine Position dafür benutzt, die USPS für seine Geschäftsinteressen zu nutzen. So behielt er trotz Bedenken Aktien im zweistelligen Millionenwert der Frachtfirma XPO, bei der er einst als Vorstand gearbeitet hatte und die wiederum ein Subunternehmer der US-Post ist.
Obwohl er offiziell erst seit Mitte Juni im Amt ist, hat der Post-Chef bereits eine Reihe von umstrittenen Umstrukturierungen angestoßen: Die Führungsebenen wurden ausgedünnt, Angestellte sollen keine Überstunden mehr machen, öffentliche Briefkästen wurden abgebaut. Dafür nimmt DeJoy in Kauf, dass die Briefzustellung länger dauert. Grund für die Maßnahmen ist der Geldmangel der US-Post. Neben der privaten Konkurrenz sind es vor allem die Krankenkassenkosten für Mitarbeiter sowie deren Rentenansprüche, die das Budget belasten. Solche Einschränkung hatten zwar auch Vorgänger von DeJoy angedroht, doch mit der Ausweitung der Briefwahl könnte die Einschränkung des Service ernsthafte Auswirkung auf die Präsidentschaftswahlen haben.
Die US-Opposition spricht angesichts des Umbaus von einer "vorsätzlichen Sabotage" der US-Post. Die Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, hat wegen der absehbaren Schwierigkeiten sogar die Abgeordneten aus der Sommerpause nach Washington beordert. Geplant war, dass sie ihre Arbeit am 8. September wieder aufnehmen sollten, doch die Probleme der Post duldeten keinen Aufschub, argumentierte sowohl sie als auch Chuck Schumer, ihr Parteikollege im Senat, der zweiten Parlamentskammer.
Gesetzgeber soll US-Post retten
Konkret will Pelosi die Abgeordneten über ein Gesetz abstimmen lassen, das betriebliche Veränderungen bei der Post verhindern soll. Ob der republikanische Mehrheitsführer Mitch McConnell im Senat auf die Bitte eingehen wird, ist unwahrscheinlich. Bislang standen die Senatsrepublikaner eisern hinter ihrem Präsidenten. Und der verteidigte den Generalpostmeister gegen alle Kritik: DeJoy wolle die Post lediglich wieder "großartig" machen, nachdem diese jahrzehntelang "Abermilliarden Dollar" eingebüßt habe, so Trump.
Quellen: "New York Times", DPA, AFP, "The Hill", "Wall Street Journal"