Ex-Präsident bei der Waffenlobby Trump entlarvt die Scheinheiligkeit der Waffen-Argumentation – mit nur einem Absatz seiner NRA-Rede

Donald Trump spricht während des Leadership Forums auf der Jahrestagung der National Rifle Association
Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA, spricht während des Leadership Forums auf der Jahrestagung der National Rifle Association
© Michael Wyke/AP / DPA
Nur wenige Tage nach dem Schulmassaker in Uvalde, Texas, hält die Waffenlobby NRA im selben Bundesstaat ihre Jahresversammlung ab. Stargast: Ex-Präsident Donald Trump. Seine Lösung gegen Waffengewalt: mehr Waffen. Doch in seiner Rede entlarvt er sich und die Waffen-Argumentation.

Als Donald Trump unter Standing Ovations die Bühne betritt, geht er zunächst unter dem Jubel der Menge auf und ab, hält beide Daumen auf Hüfthöhe nach oben, nimmt ein ausführliches Bad in der Menge. Die Menge besteht aus Mitgliedern der amerikanischen Waffenlobby NRA, die dieses Wochenende in Houston, Texas, ihre Jahresversammlung abhält. Trump nennt sie "das Rückgrat unseres Landes". Davor gibt es grölende "USA, USA"-Rufe.

Das Jahrestreffen der National Rifle Association wird überschattet von einer der tödlichsten Schulmassaker in den USA in den vergangenen zehn Jahren. Nach ein paar Scherzen auf der Bühne (Trump nennt Kristi Noem eine "heiße Politikerin") kommt der ehemalige US-Präsident darauf zu sprechen. Er liest die Namen aller Getöteten von Uvalde vor, gefolgt jeweils von einem Gongschlag. Es sind 21 Namen, die Namen von 19 Kindern und zwei Erwachsenen.

It shall not be infringed – es darf nicht verletzt werden

Vor dem ehemaligen US-Präsidenten sprachen bereits die Gouverneurin von South Dakota, Kristi Noem, der Vizegouverneur des US-Bundesstaates North Carolina, Mark Robinson und der texanische Senator Ted Cruz. Sie alle bringen ihre Bestürzung über das Uvalde-Massaker zum Ausdruck, prangern an, dass es zu wenig Schutz für US-Schulen gebe, rufen zu Gebeten auf, danken Jesus Christus und der NRA für das Gute im Leben – und betonen, dass man sich niemals das Second Amendment wegnehmen lasse – it shall not be infringed, es darf nicht verletzt werden.

Seine Redezeit von rund 45 Minuten nutzt Trump vor allem, um die Waffengesetze in den USA zu verteidigen. Vor den größten Waffen-Enthusiasten des Landes ist es nicht schwer, in deren Kerbe zu schlagen. "Broken Families", zerbrochene Familien, seien ein Grund für die Häufung von Massakern, und dass die Schulen in den USA, gerade in ländlichen Gegenden und Kleinstädten, nicht besser gesichert würden. Mit: noch mehr Waffen. Auch mit Metalldetektoren und dem "Einsatz neuer Technologien", die sicherstellen, "dass keine unberechtigte Person die Schule mit einer Waffe betreten kann", so Trump.

Bewaffnete Polizei soll an jede Schule. Die Polizeidienststellen müssten besser geschult werden, um Angreifer gezielt ausschalten zu können. "Dies ist keine Frage des Geldes, sondern eine Frage des Willens", sagt Trump.

Um dies zu unterstreichen, bittet Trump einen Mann auf die Bühne, der einen potenziellen Angreifer in einer Kirche im Jahr 2019 erschossen hatte – er sei ein "wahrer texanischer Held", sagt Trump. Der ältere Herr betritt die Bühne, weißer Bart, schwarzer Cowboy-Hut: "Danke, Präsident Trump", sagt er, und fügt hinzu: "Sie sind immer noch mein Präsident", wofür er tosenden Applaus und einige Lacher erntet. Er spielt darauf an, dass der ehemalige Präsident die Wahl 2020 im Ergebnis nicht anerkennt. Der Mann mit Cowboy-Hut sagt über seine Heldentat: "Ich habe keinen Menschen getötet, ich habe das Böse ausgeschaltet." Er würde es jedoch niemandem wünschen, in dieselbe Situation zu kommen. Nur wenn, dann sind ja, zumindest hier, alle bestens vorbereitet, um zur Waffe zu greifen.

Donald Trump: "Der einzige Weg, einen bösen Typen mit einer Waffe zu stoppen …"

Das Publikum, die NRA, Trump – alle fühlen sich wohl und bestätigt in ihrem Auftrag, als gesetzestreue US-Bürger ihrer Nation zu dienen. Bis sich in einem Moment plötzlich ein Schlupfloch in der Waffen-Argumentation eröffnet. Nur mehr Waffen können Waffengewalt verringern. Ein Logikfehler, der sich enthüllt, während Trump noch spricht.

Er setzt an: "Es gibt kein Zeichen, dass Massenmörder mehr einlädt als ein Schild, das eine waffenfreie Zone verkündet." Er weiß, das höre sich gut an, ja, es klinge ganz wunderbar, doch das sei es nicht. Statistisch gesehen sei es "ein totales Desaster". "Waffenfreie Zone", zieht Trump das Ganze ins Lächerliche, "sie schauen auf das Schild und sagen: Da gehe ich jetzt hin." Und wenn dann jemand das Gebäude betrete, würden alle unschuldigen Menschen "entführt, getötet, gefoltert", so Trump. Schlimme Dinge würden passieren. "Wie das alte Sprichwort sagt", schließt er, wie beim Schlussplädoyer: "Der einzige Weg, einen bösen Mann mit einer Waffe zu stoppen" – der gesamte Saal stimmt mit ein – "ist ein guter Mann mit einer Waffe."

Video: NRA-Treffen: Trump will nach Amoklauf mehr Waffen an Schulen
NRA-Treffen: Trump will nach Amoklauf mehr Waffen an Schulen

Einzig nur: Der Saal, in dem Trump spricht, ist eine waffenfreie Zone. Alle Menschen, die hier per se und überhaupt mit Waffe anreisen, mit Waffe über die Messe spazieren, mit Waffe Burger essen gehen, damit die Wertvolle Pistole ja nicht im Hotelzimmer liegenbleibt: All diese Menschen, die dem Ex-Präsidenten gerade zustimmen und klatschen, durften nicht mit Waffe an dieser einen Veranstaltung teilnehmen. Sie mussten Stunden vor dem Eingang zur Halle warten, während sie durch Metalldetektoren huschten und schwerstbewaffnete Sicherheitsbeamte, die jeden Flughafen neidisch gemacht hätten, sie durchsuchten.

Dabei sind NRA-Mitglieder doch in Trumps Logik und Argumentation genau die gesetzestreuen Bürger, von denen er spricht. Die Helden. Die, die die Kinder schützen. An der Waffe ausgebildet, der Sicherheit des Landes dienend, mit langem Bart und "MAGA"-Cap, mit Rifle-Shirt und Cowboy-Stiefeln. Sie können die Massaker stoppen.

Nur halt bitte nicht, während Trump spricht. Vertrauen ja, aber in Grenzen. In allzu großer Sicherheit will sich Trump dann doch nicht mit diesen ganzen Waffenträgern wähnen.

rw