Der Auftritt von Donald Trump bei CNN hat dem Nachrichtensender harsche Reaktionen eingebracht. CNN habe dem ehemaligen Präsidenten mit der live übertragenen Bürgerbefragung im Bundesstaat New Hampshire eine Plattform gegeben, um unter dem Jubel eines ihm überwiegend wohlgesonnenen Publikums seine Lügen und Verschwörungserzählungen zu verbreiten, monieren die Kritiker. Der TV-Abend verlief genau so, wie viele zuvor befürchtet hatten, kommentierte stern-USA-Korrespondentin Leonie Scheuble die Veranstaltung. "Mit Lügen, Hetze und Beschimpfungen auf offener Bühne – und einem Trump, der bekommen hat, was er wollte: Aufmerksamkeit."
Sogar der Sender selbst veröffentlichte auf seiner Internetseite eine vernichtende Analyse der eigenen Sendung. "Es ist schwer zu erkennen, wie Amerika mit dem Lügenspektakel, das am Mittwochabend auf CNN ausgestrahlt wurde, gedient wurde", urteilt der hauseigene Medienreporter Oliver Darcy.
Doch wenn man genau hinsieht, erkennt man durchaus, wie die Trump-Show Amerika zumindest an einigen Stellen gedient haben könnte. Denn sowohl Moderatorin Kaitlan Collins als auch die Bürger konfrontierten Trump während der Townhall-Veranstaltung natürlich mit Fragen zu wichtigen politischen Themen. Und Trumps Antworten – oder auch Nichtantworten – lassen durchaus Rückschlüsse auf die Positionen des Bewerbers für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner zu. Hier sind sie:
Trump über Russlands Krieg gegen die Ukraine
Trump vermied klare Aussagen. Auf die Frage, ob er der Ukraine weiter Geld und Waffen zur Verfügung stellen würde, sollte er 2024 wieder Präsident werden, antwortete er ausweichend: "Ich möchte, dass Europa mehr Geld zur Verfügung stellt, weil sie uns auslachen. Sie denken, wir sind ein Haufen Idioten." Der 76-Jährige behauptete, die US-Regierung verschenke so viel Ausrüstung, dass keine Munition für die eigenen Truppen mehr übrig sei.
Ob er der Ukraine oder Russland den Sieg wünsche, wollte Trump nicht sagen. "Ich sehe das nicht unter dem Gesichtspunkt von siegen und verlieren. Ich sehe das unter dem Gesichtspunkt, ihn (den Krieg) zu beenden", erklärte der Ex-Präsident, der sich in der Vergangenheit immer wieder anerkennend über Kremlchef Wladimir Putin geäußert hatte. "Ich will, dass alle aufhören zu sterben."
Erneut gab Trump vor, er könne den seit mehr als 14 Monaten anhaltenden Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden. Beide Konfliktparteien hätten Stärken und Schwächen, sagte er. Auf die Frage von Moderatorin Collins, ob Putin ein Kriegsverbrecher sei, entgegnete Trump: "Wenn Sie sagen, dass er ein Kriegsverbrecher ist, wird es viel schwieriger sein, einen Deal zu machen."
Das Recht auf Abtreibung
Trump wich der Frage aus, ob er im Falle seiner Rückkehr ins Weiße Haus ein bundesweites Abtreibungsverbot unterzeichnen würde. "Ich werde so verhandeln, dass die Leute zufrieden sind", entgegnete er. Wiederholt betonte der Republikaner, er werde "tun, was richtig ist", ohne zu erklären, was das sei.
Zum Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA, der im vergangenen Jahr das bestehende Abtreibungsrecht gekippt hat, sagte Trump, es habe den Abtreibungsgegnern "Verhandlungsspielraum" verschafft. Drei der Richter, die sich der Mehrheitsentscheidung angeschlossen haben, habe er ernannt, so Trump. "Das war ein großartiger Sieg, und die Leute fangen jetzt an, es zu verstehen."
Mehrfach behauptete Trump fälschlicherweise, dass Demokraten und Befürworter der Abtreibungsrechte ein "Baby im neunten Schwangerschaftsmonat töten" wollten.
Die Schuldenobergrenze
Trump empfahl seiner Partei, im Schuldenstreit mit der Regierung einen Zahlungsausfall des Landes in Kauf zu nehmen: "Ich sage den republikanischen Kongressabgeordneten und Senatoren da draußen: Wenn sie euch keine massiven Ausgabenkürzungen geben, dann müsst ihr einen Zahlungsausfall machen. Und ich glaube nicht, dass es zu einem Zahlungsausfall kommen wird, weil ich glaube, dass die Demokraten auf jeden Fall nachgeben werden, weil man das nicht haben will. Aber es ist besser als das, was wir im Moment tun, weil wir Geld ausgeben wie betrunkene Matrosen."
Die Republikaner wollen eine Anhebung der Schuldenobergrenze nur im Gegenzug für milliardenschwere Kürzungen der Staatsausgaben billigen. Sie wollen dabei zentrale Elemente der Reformpolitik von Präsident Joe Biden zurücknehmen, unter anderem milliardenschwere Subventionen für erneuerbare Energien und einen Erlass bestimmter Schulden aus Studiengebühren. Demokraten und Republikaner streiten bereits seit Monaten über eine Anhebung der Schuldenobergrenze, um einen drohenden Zahlungsausfall zu verhindern. Die Zeit drängt: Ohne Kompromiss droht den USA Anfang Juni die Zahlungsunfähigkeit, mit potenziell verheerenden wirtschaftlichen und finanziellen Folgen weit über das Land hinaus.
Trump wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt – diese juristischen Probleme hat er noch am Hals

Die heute 79-jährige Carroll hatte Trump beschuldigt, sie im Frühjahr 1996 in der Umkleidekabine des New Yorker Luxus-Kaufhauses Bergdorf Goodman vergewaltigt zu haben. Öffentlich machte die langjährige Kolumnistin des Magazins "Elle" ihren Vorwurf erst 2019, als Trump Präsident war. Trump bezichtigte Carroll der Lüge und erklärte, sie sei nicht sein "Typ".
Strafrechtlich waren die Vorwürfe verjährt, doch zivilrechtlich konnte Carroll gegen den Milliardär vorgehen, und so verklagte Carroll Trump in New York wegen Verleumdung und im vergangenen November in einer zweiten Klage wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung selbst sowie erneut wegen Verleumdung. Sie verlangte Schmerzensgeld und Schadenersatz in nicht genannter Höhe. Weil es sich um einen Zivilprozess und nicht um ein Strafverfahren handelte, drohte Trump keine Gefängnisstrafe.
Für die Geschworenen war der Fall offenbar klar: Nach weniger als dreistündigen Beratungen sprachen sie Carroll fünf Millionen Dollar (rund 4,5 Millionen Euro) zu – zwei Millionen Dollar wegen sexuellen Missbrauchs und drei Millionen Dollar wegen Verleumdung. Ihr Urteil sei für alle Frauen, die ähnliches erlebt hätten, sagte die Autorin nach der Entscheidung. Es gehe ihr nicht um das Geld. Sie habe ihren Namen reinwaschen wollen. Und sie hätte Trump gerne im Zeugenstand vor Gericht gesehen.
Trumps Anwalt Joe Tacopina kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Er verwies unter anderem darauf, dass Carroll Trump stets Vergewaltigung zur Last gelegt habe, die Geschworenen aber lediglich sexuellen Missbrauch anerkannt hätten. Trump selbst reagierte erbost auf den Ausgang des Zivilprozesses. "Dieses Urteil ist eine Schande, eine Fortsetzung der größten Hexenjagd aller Zeiten", wetterte der 76-jährige auf seiner Onlineplattform Truth Social. Mit Blick auf Carroll erklärte Trump: "Ich habe überhaupt keine Ahnung, wer diese Frau ist."
Vor dem Urteil hatte der Ex-Präsident fälschlicherweise behauptet, er habe sich in dem Verfahren nicht "verteidigen" dürfen. Trump war dem Prozess aus eigenen Stücken ferngeblieben, zu einem Erscheinen vor Gericht war er nicht verpflichtet. Trump war während des Prozesses sogar zu einem Golfplatz in Schottland gereist, der ihm gehört.
Das Problem der Zuwanderung
Trump warf seinem Nachfolger Biden eine verheerende Politik vor und verwies dabei auch auf die Schwierigkeiten an der Grenze zu Mexiko. "Wir sind in vielerlei Hinsicht ein Dritte-Welt-Land geworden", warnte er. Mit dem Auslaufen einer umstrittenen Abschieberegelung in der Nacht auf Freitag würden "Millionen" Migranten über die 3100 Kilometer lange Südgrenze der Vereinigten Staaten ins Land kommen.
An der Grenze rechnen viele Verantwortliche mit einem Ansturm von Geflüchteten und Migranten, wenn die Abschieberegelung ausläuft. Der sogenannte "Title 42" hatte seit März 2020 unter Verweis auf die Corona-Pandemie eine sofortige Abweisung von Asylsuchenden ermöglicht. Diese könnten ihr Ende als Beginn einer gelockerten Grenzpolitik interpretieren. Laut CNN schätzt die US-Regierung, dass sich mehr als 150.000 Migranten mit dem Ziel USA im Norden Mexikos aufhalten.
Stolz verteidigte Trump die Politik während seiner Amtszeit, Kinder an der Grenze zwischen den USA und Mexiko von ihren Eltern zu trennen. Als dieses Vorgehen zum ersten Mal aufgedeckt worden war, hatte er es noch bestritten. Jetzt erklärte er, diese Grausamkeit sei notwendig, um Familien davon abzuhalten, illegal die Grenze zu überschreiten.

Den Sturm auf das US-Kapitol
Trump verharmloste bei seinem TV-Auftritt erneut den Angriff auf den Kongresssitz am 6. Januar 2021 durch seine Anhänger. Über die Menge, zu der er vor der Attacke gesprochen hatte, und aus der dann viele in Richtung Kapitol marschierten, sagte der Ex-Präsident, sie habe geglaubt, die Wahl sei "manipuliert" gewesen. "Sie waren stolz. Sie waren mit Liebe in ihrem Herzen da. Das war unglaublich, und es war ein wunderschöner Tag", sagte Trump.
Infolge der Attacke waren fünf Menschen gestorben. Mehr als 1.000 Teilnehmer der Erstürmung wurden bisher angeklagt und mehr als 600 verurteilt. Sollte Trump die Wahl im nächsten Jahr gewinnen, können sie auf ihre Freilassung hoffen: "Ich bin geneigt, viele von ihnen zu begnadigen", kündigte Trump an. Auf die Frage, ob er auch Mitglieder der rechtsextremen Proud Boys begnadigen würde, antwortete er: "Ich müsste mir ihren Fall ansehen."
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Die Präsidentschaftswahlen 2020 und 2024
Wenig überraschend räumte Trump seine Niederlage 2020 gegen Biden nicht ein. Stattdessen verbreitete er gleich zu Beginn der Sendung die vielfach widerlegte Lüge vom Wahlbetrug. Auf die erste Frage von Collins, warum er wieder gewählt werden sollte, antwortete der 76-Jährige: "Es war eine manipulierte Wahl", das könne jeder sehen, "es sei denn, man ist eine sehr dumme Person". Trotz mehrfachen Einschreitens von Collins wiederholte Trump seine Falschbehauptung im Laufe der Bürgerbefragung mehrmals.
Auch in Hinblick auf die Präsidentenwahl 2024 verhießen Trumps Antworten nichts Gutes. Auf die Frage, ob er das Wahlergebnis akzeptieren werde, entgegnete Trump: "Wenn ich denke, dass es eine ehrliche Wahl ist, würde ich das auf jeden Fall tun." Collins hakte noch einmal nach: "Werden Sie sich verpflichten, die Ergebnisse der Wahl unabhängig vom Ausgang zu akzeptieren?" Woraufhin Trumps erklärte: "Wenn ich denke, dass es eine ehrliche Wahl ist, wäre es mir eine Ehre."
Quellen: CNBC, Associated Press, CNN, "New York Times", "Washington Post"