Was folgt aus dieser Präsidentschaftswahl in den USA? Noch ist nicht klar, ob Donald Trump im Amt bleibt oder ob sein demokratischer Herausforderer Joe Biden ins Weiße Haus einziehen kann. Donald Trump hat sich dennoch praktisch schon zum Sieger erklärt. Was bedeutet diese undurchsichtige Lage? Einschätzungen des USA-Experten Florian Böller.
Herr Böller, die Wahl ist viel knapper verlaufen, als laut Umfragen erwartet wurde? Wie beurteilen Sie Verlauf und Ausgang der Wahl? Was hat Sie besonders überrascht?
Florian Böller: Dass die Wahlen knapp verlaufen, gerade in den "Swing States", ist keine große Überraschung. Es war immer ein plausibles Szenario, dass die Wahlen in den Staaten des Mittleren Westens – um die großen Seen herum – sowie Pennsylvania entschieden werden können. Zum jetzigen Zeitpunkt sind noch viele Stimmen nicht ausgezählt, insbesondere Briefwahlstimmen, und wir wissen noch nicht, wie knapp das Resultat am Ende sein wird. Überraschend ist vielleicht am ehesten der relativ schnell klar gewordene Sieg Trumps in Florida.
Donald Trump hat sich vorzeitig zum Wahlsieger erklärt. Wie beurteilen Sie diesen Bruch der demokratischen Tradition in den USA?
Das ist in der Tat ein Tabubruch - aber einer mit Ansage. Trump setzt nun das um, was er im Vorfeld angekündigt hat. Bislang zeigt sich aber kein großer Effekt und selbst engste Vertraute wie Vizepräsident Pence folgen ihm in dieser Rhetorik nicht.

Trump hat von Wahlbetrug gesprochen und angekündigt, die weitere Auszählung von Briefwahlstimmen gerichtlich stoppen lassen zu wollen. Ist es rechtlich überhaupt möglich, korrekt abgegebene Stimmen nicht berücksichtigen zu lassen?
Nein. Aber es gibt natürlich rechtliche Möglichkeiten, umstrittene beziehungsweise knappe Wahlergebnisse anzufechten, um etwa eine Nachzählung zu erzwingen oder diese zu stoppen – siehe Florida im Jahr 2000. Außerdem ist ein Streit um die Regelung der Briefwahlen entbrannt, der auch vor verschiedenen Gerichten ausgefochten wird. Es ist nicht auszuschließen, dass bestimmte Fälle auch vor dem Supreme Court landen. Allerdings ist es nicht möglich, diesen direkt anzurufen, wie Trump es suggeriert hat. Außerdem wird teilweise kontrovers diskutiert, welche Briefwahlstimmen für ungültig erklärt werden – beispielsweise, wenn Formalien nicht eingehalten wurden wie eine fehlende Unterschrift.
Stehen die USA angesichts der Ankündigung Trumps vor einer Verfassungskrise?
Nein, allein durch Trumps Aussagen nicht. Es ist noch zu früh diese Frage zu beantworten.
Viele Beobachter haben vor einer Hängepartie nach der Wahl gewarnt. Was bedeutet ein solches Machtvakuum? Glauben Sie, dass es tatsächlich zu Unruhen kommen kann?
Vereinzelte Ausschreitungen sind möglich, aber ich sehe noch keine Gefahr von Unruhen. Das hängt aber entscheidend vom weiteren Verlauf ab, und insbesondere wie deutlich der Abstand in den zentralen "Swing States" am Ende ausfällt.
Unabhängig vom Ergebnis: Die Wahl belegt, dass die USA ein zutiefst gespaltenes Land sind. Was bedeutet das für die kommenden vier Jahre? Gibt es eine Chance, diese Polarisierung zu überwinden?
Nein. Trump ist nicht die Ursache, sondern ein Symptom der Polarisierung, die bereits seit mindestens Mitte der 1990er-Jahre wächst und inzwischen zu einer politischen Blockade in vielen Bereichen geführt hat. Die Stichworte: Waffengesetze, Gesundheit, Immigration, Klima. Es gibt wenig Hinweise, dass diese Polarisierung überwunden werden kann. Das hatte bereits Obama gefordert und versucht – und ist gescheitert, da die Republikaner zu keinerlei Kompromissen bereit waren. Doch auch unter den Demokraten gibt es eine ideologische Schärfung des Profils.
Selbst wenn Biden gewinnen sollte: Gehen die Demokraten nicht trotzdem beschädigt aus dieser Wahl heraus? Haben Biden und die Demokraten überhaupt die Kraft, das Land zu einen?
Ein Wahlsieg Bidens, auch ein knapper, hätte eine wichtige Signalwirkung. Aber: Ohne eine Mehrheit auch im Senat hätte Biden kaum Möglichkeiten, Reformgesetze durchzusetzen.
Florian Böller ist Juniorprofessor für Transatlantische Beziehungen an der TU Kaiserslauten und Mitglied der USA-Expertengruppe der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.