Die einen sagten so, die anderen so. Donald Trump sagte: "Gestern war ein großer Tag, ein unglaublicher Tag."
Die Republikaner hätten Geschichte geschrieben, die Erwartungen übertroffen, beinahe einen "vollständigen Sieg" errungen. "Wir haben gestern Abend gesehen, wie Kandidaten, die ich unterstützt habe, enorme Erfolge erzielt haben", so Trump. Im Gegensatz zu jenen, die bei diesen "unglaublichen Zwischenwahlen" nicht den Schulterschluss zu ihm gesucht hätten. An sie gewandt: "Verabschiedet euch!"
Das war 2018. Schon vor vier Jahren feierte der damalige US-Präsident überschwänglich einen Triumph, der nicht unbedingt einer war. Die Republikaner verloren ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus und einige wichtige Gouverneursposten. Außerdem mussten auch Kandidaten, die Trump unterstützt hatte, ihre Sitze an Demokraten abgeben, teils in sicher geglaubten Gefilden.
Was Trump als "enormen Erfolg" auf ganzer Linie verbuchte, war es zumindest im Senat: Dort konnten die Republikaner ihre Macht seinerzeit sogar ausbauen. Damit war immerhin klar, dass Trump, der die Abstimmung auch zu einem Referendum über seine Person erklärt hatte ("Tut so, als ob ich auf dem Wahlzettel stehen würde"), nicht vollends eine Verirrung der Geschichte war. Viele Millionen Amerikaner konnten sich hinter seiner Politik voller Häme, Hass und Hetze versammeln. Folglich blieb eine Revolte in seiner Partei aus.
"Er wird zwar weithin gehasst und gefürchtet", hielt die "New York Times" damals fest, "aber auch als Fürsprecher seiner Wähler sehr beliebt." Und heute?
Heute stellt sich die Lage anders dar. Die Republikaner gelten als große Verlierer der Zwischenwahlen 2022, die Trump als einen der Gründe dafür ausmachen. Und seine Versuche, das missliche Ergebnis zum Erfolg umzudeuten und andere als Sündenbock zu brandmarken, wollen nicht so recht verfangen.
Die "rote Welle", die ein leichtes Plätschern war
"Im Grunde genommen ist es die dritte Wahl in Folge, in der uns Donald Trump den Sieg gekostet hat", sagte Larry Hogan zu CNN, republikanischer Gouverneur von Maryland, der einen Baseball-Vergleich bemühte, um seinen Unmut darüber auszudrücken: "Es ist wie drei Strikes und du bist raus." Die Zwischenwahlen hätten eine der "größten roten Wellen werden müssen, die wir je hatten", fügte Hogan erschüttert hinzu, der damit auf die Farbe der Republikaner anspielte.
Eine "große rote Welle" hatte auch Trump in Aussicht gestellt, doch auf seine vollmundige Ankündigung folgte allenfalls ein leichtes Plätschern. Zwar dürften die Republikaner das Repräsentantenhaus mit dünner Mehrheit erobern, es werden immer noch Stimmen ausgezählt, allerdings bleibt der Senat definitiv in demokratischer Hand, nach einer Stichwahl im Dezember möglicherweise sogar fester als zuvor.
Das enttäuschende Ergebnis wird auch Trump angelastet. Eine Vielzahl der handverlesenen Kandidaten, die er im diesjährigen Rennen um den Kongress unterstützte, enttäuschten an den Wahlurnen. Und das obwohl die Ausgangslage einen perfekten Sturm für die Republikaner verheißen hatte: Die Zustimmungswerte für Präsident Joe Biden sind niedrig, die Inflation im Land ist hoch und es ist eine ungeschriebene Regel der sogenannten "Midterms", dass die Partei, die den Präsidenten stellt, dabei ordentlich Federn lassen muss.
Es kam anders. War das der "dritte Strike" für Trump? Der eine Fehlschlag zu viel, nach den durchwachsenen Zwischenwahlen 2018 und der verlorenen Präsidentschaftswahl 2020?
Seiner Ansicht nach: natürlich nicht. Zwar steht Trump in den eigenen Reihen zunehmend unter Beschuss, und auch konservative Medien, die ihn einst bis zur Selbstaufgabe unterstützt hatten, machen ihn für das Wahlresultat verantwortlich. "Republikaner: Trump ist euer Problem. Wacht auf", schrieb etwa die "National Review". Doch weder will der Ex-Präsident die Wahl als Niederlage verstanden wissen, noch etwaige Schuldzuweisungen hinnehmen.
Stattdessen zeigt Trump einmal mehr, dass er ein schlechter Verlierer ist, indem er behauptet, keiner zu sein – seine Abwahl als US-Präsident führt er schließlich bis heute auf Wahlbetrug zurück, was erwiesener Unfug ist.
Donald Trump, der Erfolgsgarant?
So ließ Trump nach den Zwischenwahlen am Dienstag, die er als "GROSSARTIGEN ABEND" bezeichnete, unter anderem ein vierseitiges Memo verbreiten, in dem seine angeblich "beispiellosen" Verdienste im Jahr 2022 ausbuchstabiert werden. Besondere Erwähnung finden darin auch die angeblichen Erfolge seiner Günstlinge, die Trumps Lüge von der "gestohlenen" Präsidentschaftswahl verbreitet hatten – und vielerorts durchfielen.
Als am Sonntag bekannt wurde, dass die Republikaner die Mehrheit im Senat verfehlt haben, teilte Trump mit: "Es ist Mitch McConnells Schuld". Der Minderheitsführer der Republikaner im Senat habe "die Zwischenwahlen vermasselt", etwa, indem er finanziell auf die falschen Kandidaten gesetzt habe. Es ist davon auszugehen, dass Trump damit auf seine Schützlinge anspielte, denen McConnell die Qualität abgesprochen hatte. Obendrein behauptete Trump wiederholt, und ohne jeden Beleg, dass es zu Wahlbetrug gekommen sei.
Trump sucht größtmöglichen Abstand zum bisherigen Wahlergebnis, schließlich droht es seine öffentliche Wahrnehmung als Erfolgsgarant der Republikaner zu schmälern. Und das ausgerechnet jetzt. Für diesen Dienstag hatte der frühere Präsident eine "sehr große Mitteilung" angekündigt. Es wurde weithin erwartet, dass es sich dabei um die Ankündigung für seine Präsidentschaftskandidatur 2024 handelt.
Das macht namhafte Republikaner offenkundig nervös, die ihren Ex-Präsidenten unter dem Eindruck der missglückten Midterms dazu anhielten, seine Ankündigung zu verschieben. Wohl vergebens, glaubt Wahlkampf-Stratege Liam Donovan. Er betonte allerdings im Radiointerview bei WMAC, dass eine Kandidatur Trumps nicht bedeuten würde, dass er keine parteiinterne Konkurrenz bekomme. "Die potenziellen Trump-Konkurrenten halten derzeit ihr Pulver trocken", meint Donovan.
"Trumps Kandidatur ist aus dieser Perspektive wahrscheinlich eine gute Sache"
Insbesondere Ron DeSantis, Gouverneur in Florida, gilt als möglicher Rivale. Der 44-Jährige wurde bei den Zwischenwahlen mit deutlicher Mehrheit in seinem Amt bestätigt, ging damit gestärkt aus dem großen Wahltag hervor – obwohl oder gerade weil er sich im Wahlkampf nicht auf Trumps Unterstützung verlassen hatte.
Einer aktuellen YouGov-Umfrage zufolge, die das US-Portal "Axios" nach der Zwischenwahl in Auftrag gegeben hat, wünschen sich mehr US-Wähler einen Präsidentschaftskandidaten DeSantis (24 Prozent) statt Trump (20 Prozent). Auch unter den Wählern der Republikaner hat Floridas Gouverneur mit 41 Prozent die Nase vorn und Trump (39 Prozent) das Nachsehen.
Der "Trump mit Hirn", wie der Rechtsausleger auch genannt wird, könnte dem Original also gefährlich werden. Das veranschaulicht auch die Reaktion von ebendiesem, der DeSantis nach seinem historischen Wahlsieg mit "nicht besonders schmeichelhaften" Enthüllungen drohte, sollte er für die Präsidentschaft kandidieren, ihn als "unehrlich" bezeichnete und über einen Berater verbreiten ließ, dass er "bereit für Krieg" sei. Wohlgemerkt: DeSantis hat seine mögliche Kandidatur noch gar nicht erklärt.

Zwei Jahre nach seinem Amtsausscheiden teilen zwar weniger Amerikaner seine Meinungen, als sie diese befürworten, doch aussichtslos ist Trumps mögliche Präsidentschaftskandidatur deswegen nicht. Zuletzt ergab eine Umfrage der "New York Times", dass immerhin noch 30 Prozent der Wähler durchaus Ansichten vertreten, die als Pro-Trump gelesen werden könnten. Zumal es derzeit keine Anzeichen dafür gebe, dass sich auch die republikanische Basis von Trump abwenden würde, wie die Zeitung notiert.
Für die Demokraten könnten das gute Nachrichten sein – zumindest kurzfristig.
Denn in Georgia, wo das Rennen um den dortigen Senatssitz am 6. Dezember in einer Stichwahl entschieden wird, tritt mit dem ehemaligen Football-Star Herschel Walker ebenfalls ein handverlesener Kandidat Trumps an. Sollte Walker gegen den Amtsinhaber verlieren, würden die Demokraten ihre Mehrheit im Senat sogar noch ausbauen.
Adrianne Shropshire, Leiterin der Organisation BlackPAC, sagte zur "New York Times": "Die Wähler in Georgia haben Trump 2021 abgelehnt. Seine Präsenz erinnert sie jetzt nur noch daran, warum."
Andere blicken bereits über das Senatsrennen in Georgia hinaus, durchaus in der Hoffnung, dass Trump 2024 als Präsidentschaftskandidat der Republikaner antritt.
"Als Amerikaner ist die Idee einer weiteren Trump-Kampagne und all seiner Lügen und Spaltungen und seiner Bemühungen, die amerikanische Demokratie zu untergraben, eine absolute Horrorshow", sagte Senator Bernie Sanders aus Vermont. "Andererseits muss ich sagen, dass als Politiker, der sehen will, dass 2024 kein Republikaner ins Weiße Haus gewählt wird, seine Kandidatur aus dieser Perspektive wahrscheinlich eine gute Sache ist."