EU-Haushalt Geberländer wollen nach EU-Erweiterung nicht mehr zahlen

Brief an Brüssel: Deutschland und fünf weitere Geberländer in der EU haben sich nach dem gescheiterten Verfassungsgipfel gegen eine Ausweitung der EU-Ausgaben nach der Erweiterung der Union auf 25 Länder ausgesprochen.

Nach dem geplatzten Verfassungsgipfel von Brüssel kommt auf EU-Kommissionspräsident Romano Prodi schon wieder eine schlechte Neuigkeit zu: Diesmal haben sich Deutschland und fünf weitere Geberländer gegen eine Ausweitung der Ausgaben nach der EU-Erweiterung ausgesprochen. Bundeskanzler Gerhard Schröder und die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Schweden und Österreich ließen am Montag ein entsprechendes Schreiben an EU-Kommissionspräsident Romano Prodi in Brüssel überreichen. Prodi wies den Sparaufruf noch am Abend als unrealistisch zurück.

"Kein Schluck mehr aus der Pulle"

Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte der ARD-«Tagesschau»: "Man kann bei der Erweiterung nicht nach dem Muster verfahren: Jeder behält, was er hat, und für die neuen Länder kommt was oben drauf." Es müsse vielmehr beim bisherigen Finanzrahmen der EU bleiben. Die alten EU-Mitglieder, die bisher von der EU profitiert hätten, müssten jetzt an die ärmeren Länder abgeben. "Es darf nicht nach dem Prinzip verfahren werden: Immer noch ein Schluck mehr aus der Pulle. Die Pulle ist nicht so voll", sagte der Kanzler.

Künftige Sicherheitspolitik wird mehr kosten

EU-Kommissionspräsident Prodi erklärte jedoch, ohne ausreichende Finanzmittel sei es unmöglich, die politischen Ziele der EU-Staaten zu erfüllen. Wunder seien nicht seine Spezialität. Natürlich werde die Kommission die Vorschläge der sechs EU-Staaten ernsthaft prüfen. Allerdings sei zu bedenken, dass die EU künftig beispielsweise mehr Geld für ihre Außen- und Sicherheitspolitik sowie für den Grenzschutz ausgeben wolle. Die Kommission werde ihre Finanzplanung für den Zeitraum von 2007 bis 2013 im Januar vorlegen.

EU-Kommission will 14,5 Milliarden Euro mehr

Nach Angaben aus Berliner Regierungskreisen sollen die Ausgaben der EU nach dem Willen dieser Länder von 2007 an auf dem gegenwärtigen Niveau stabilisiert werden. Sie dürften auf jeden Fall nicht mehr als ein Prozent des europaweiten Bruttoinlandsprodukts betragen. Dies bedeutete immer noch Ausgabenerhöhungen von 7,5 Milliarden, hieß es in Berlin. Nach den bisherigen Vorstellungen der EU-Kommission sollen die Ausgaben dagegen um 14,5 Milliarden Euro steigen können. Dies würde die Hauptgeberländer besonders stark zusätzlich belasten.

Brief "kein taktisches Mittel"

In der Bundesregierung wird bestritten, dass dieser Schritt der sechs Länder ein "taktisches Mittel" sei, um die Verfassungsverhandlungen wieder in Gang zu bringen. Der Brief sei seit vier Wochen in Vorbereitung, und Deutschland sei auch nicht der Initiator gewesen. Andererseits wird auf den "sachlichen Bezug" verwiesen, dass es nun ein "unübersichtliches" Abstimmungsverfahren im EU-Rat geben wird.

"Unübersichtliches" Abstimmungssystem

Nach dem bald geltenden Abstimmungssystem sind die Möglichkeiten von kleineren und mittleren Ländern größer, etwa Finanzvorstellungen großer Länder wie Deutschland zu durchkreuzen. Die Entscheidung über die EU-Verfassung war unter anderem am Widerstand Polens gescheitert. Polen und andere Beitrittsländer erwarten größere Zahlungen aus der EU-Kasse.

Kein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten

Unterdessen wurde in der Bundesregierung bekräftigt, dass ein Europa der mehreren Geschwindigkeiten derzeit nicht Ziel deutscher Politik sei. Außenminister Joschka Fischer sagte nach einer Sitzung des Europa-Ausschusses des Bundestages, es werde sich im kommenden Jahr zeigen, ob es zu einem zweiten Anlauf bei der EU-Verfassung kommt. Deutschland wolle kein Auseinandertreiben Europas in verschiedene Kerne. Sollte sich die EU aber nicht auf einen Verfassungstext einigen, "dann werden die Probleme nicht auf ihre Lösung warten, dann wird es um ein Europa der mehreren Geschwindigkeiten gehen". Die Vertreter der Fraktionen unterstützen diese Haltung der Bundesregierung weitgehend.

Opposition sieht Mitschuld

CDU-Chefin Angela Merkel und der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle gaben unterdessen der Bundesregierung eine Mitschuld am Brüsseler Debakel. Die Regierung habe viel zu einseitig auf Gemeinschaftsaktionen mit Frankreich gesetzt.

DPA