Im Zusammenhang mit Recherchen von vier nordeuropäischen Fernsehsendern sind neue Erkenntnisse ans Licht gekommen: Wie unter anderem der dänische Sender Danmarks Radio (DR) berichtete, sollen zwei russische Fischereischiffe auch in Spionagemission unterwegs gewesen sein.
Zuvor hatten DR, NRK (Norwegen), SVT (Schweden) und Yle (Finnland) über mutmaßliche Spionage und Auskundschaftung von kritischer Infrastruktur in Nord- und Ostsee durch russische Schiffe berichtet. Die Recherchen sind Teil der Dokumentation "Schattenkrieg", die alle vier Sender ausstrahlen.
Die zwei russischen Fischereischiffe "Lira" und "Ester" sind nach Informationen von DR in den vergangenen Jahren in den Gewässern der autonomen Färöer-Inseln unterwegs gewesen und haben dort auch in Häfen angelegt. Im November seien beide Schiffe dann von dort aus in die norwegische Stadt Kirkenes gefahren, wo die Polizei die beiden Fahrzeuge routinemäßig inspizierte.
"Russland braucht zivile Schiffe zur Unterstützung militärischer Zwecke"
Bei der Untersuchung seien militärische Funkgeräte entdeckt worden. Bilder davon gingen demnach an den norwegischen Geheimdienst PST. An Bord der "Lira" sei das Funkgerät in einem verschlossenen Raum unter Deck gefunden worden, berichtete NRK. An dem Gerät habe eine Person gesessen. Auch an Bord der "Ester" wurde nach Angaben von NRK ein solches Funkgerät gefunden.
"Die Funkgeräte können militärische Nachrichten und Informationen übermitteln und umgekehrt empfangen", sagte Johan Roaldsnes, Leiter des PST in der Finnmark in Nordnorwegen, den Fernsehsendern. "Russland braucht diese zivilen Schiffe zur Unterstützung militärischer Zwecke."
Roaldsnes, sagte, Funde wie diese erhärteten den Verdacht, dass Spionage von gewöhnlichen Fischereifahrzeugen aus betrieben wird.
Russische Spionageaktivitäten könnten spalten, mahnt Experte
Seit mehreren Jahrzehnten haben die Färöer-Inseln, wo die beiden im Verdacht stehenden Fischereischiffe aktiv waren, einen Vertrag mit Russland beziehungsweise der ehemaligen Sowjetunion. Dieser besagt, dass russische Schiffe rund um die Färöer-Inseln fischen dürfen und umgekehrt. Die Färöer sind ein autonomer Teil des Königreichs Dänemark und als Nicht-EU-Mitglied auch nicht an etwaige Sanktionen gegen Russland gebunden. Die Färöer tragen zwar viele der EU-Sanktionen mit, haben aber bei dem Fischereivertrag mit Russland eine Ausnahme gemacht. Dies führte zu Diskussionen auf den Inseln und auch in Dänemark. (Mehr dazu können Sie hier lesen.)
Die mutmaßlichen Spionageaktivitäten der Fischereischiffe könnten allerdings eine Bedrohung für die Färöer und die Gemeinschaft des dänischen Königreichs darstellen, meinte der ehemalige Chef der Marine und Konteradmiral Nils Wang: "Man muss sich darüber im Klaren sein, dass alle Bewegungen und das tägliche Leben auf den Färöer-Inseln ständig von den russischen Schiffen überwacht werden, die sich in diesem Gebiet aufhalten. Und es gibt immer russische Schiffe in färöischen Gebieten", sagte er DR.
Dennoch sei er vom Fund der militärischen Funkgeräte nicht überrascht. Er sei sicher, dass es "noch viel mehr" von solchen Schiffen gibt.
Dänische Politiker wollen Fischereiverträge diskutieren
Mehrere dänische Politiker reagierten bestürzt auf die Recherchen. Der Chef der Konservativen Volkspartei, Søren Pape Poulsen, nannte die Vorkommnisse "absolut verrückt" und forderte ein Ende der Fischereiverträge zwischen Russland und den Färöer: "Das ist überhaupt keine färöische Angelegenheit. Die Fischereiabkommen sind mir vollkommen egal, wenn es um diese Angelegenheit geht. Denn wenn ein ziviles Schiff militärische Ausrüstung an Bord hat, geht es nicht mehr um Handel. Es geht um Außen- und Sicherheitspolitik und damit eine Angelegenheit der dänischen Regierung", sagte er DR.
Der Vorsitzende der links-liberalen Partei Radikale Venstre, Martin Lidegaard sagte dem Sender, dass die mutmaßliche Spionage Russlands in den Gewässern Dänemarks und der Färöer "Spaltungen im dänischen Reich" schürten. Er forderte, die Fischereiverträge zum Tagesordnungspunkt bei Gesprächen zwischen Kopenhagen und den Färöern zu machen: "Das wirft völlig neue sicherheitspolitische Fragen auf, sodass die dänische Regierung nach meiner klaren Einschätzung reagieren und einen Dialog mit den Färöern darüber führen muss, wie sie damit umgehen will."
Quellen: Danmarks Radio, NRK