Der allerletzten Chance folgt die allerallerletzte Chance, folgt die allerallerallerletzte Chance: So geht das seit Monaten im Schuldenstreit. Griechenland gegen den Rest Europas. An diesem Donnerstag aber könnten die gröbsten Klippen zur Rettung des Landes und des Euros tatsächlich umschifft sein. Die neueste Reformliste aus Athen liegt vor, fast alle Geldgeber sind grundsätzlich zufrieden. Leider nur fast alle. Dem Internationalen Währungsfonds gehen die Vorschläge angeblich nicht weit genug. Athens Regierungschef Alexis Tsipras vermutet bereits dunkle Mächte hinter der Ablehnung: "Entweder wollen sie keine Einigung - oder sie dienen speziellen Interessen in Griechenland", sagte er.
Natürlich hängt eine Einigung im Schuldenstreit nicht allein von einer Institution ab, dazu mischen zu viele Akteure mit. Und nicht alle von ihnen haben im Laufe der Zeit eine gute Figur gemacht.
Ein Überblick über die wichtigsten Entscheider und ihre Rollen:
Angela Merkel und Wolfgang Schäuble
Die klare Devise der Kanzlerin und ihres Finanzministers: Keine Leistung ohne Gegenleistung, europäische Solidarität gegen griechische Anstrengung. Merkel betont stets, dass sie Athen im Euro halten will. Für sie ist der Verbleib auch eine persönliche Angelegenheit, sie möchte ihren Namen nicht mit dem Ausscheiden eines Eurolandes aus der Währungsunion oder gar aus der EU verbunden wissen. Schäuble bekräftigt, Europa und die Eurozone funktionieren nur, wenn Regeln eingehalten werden. Die Verhandlungen sind inzwischen Chefsache. In der Unionsfraktion gilt Schäuble aber als Garant, dass es nicht zu viele Zusagen an Athen gibt.
Alexis Tsipras
Der griechische Regierungschef pocht auf eine Lockerung der strikten EU-Sparvorgaben. Der charismatische und redegewandte Politiker hat viele Gesichter: Auf EU-Gipfelebene gibt er gerne den Einsichtigen, zu Hause in Athen dagegen wetterte er gegen genau die Partner, denen er zuvor noch freundlich die Hände geschüttelt hat. Allerdings ist er in einer Zwickmühle gefangen. Um weiter Gelder für sein hochverschuldetes Land zu bekommen, muss er in Brüssel Zugeständnisse machen, die meist das genaue Gegenteil dessen sind, was er seinen Wähler und seinem Regierungsbündnis versprochen hat.
Gianis Varoufakis
Offiziell wurden die Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern zunächst von ihm geführt. Der linke Wirtschaftsprofessor löste aber mehrfach Eklats aus, provozierte mit markigen Sprüchen und nervte seine Kollegen in der Eurogruppe mit philosophischen Vorträgen, statt sich auf konkrete Zahlen festzulegen. Viele Fachleute stimmen mit seinen Positionen zwar grundsätzlich überein, glauben aber auch, dass die Umsetzung seiner Vorschläge erst dann beginnen kann, wenn die akute Gefahr für Griechenland gebannt ist.
Jeroen Dijsselbloem
Der niederländische Finanzminister ist der offizielle Repräsentant der Eurogruppe - also der 19 EU-Länder, die die Gemeinschaftswährung eingeführt haben. Er übernahm den schwierigen Job mitten in der Euro-Schuldenkrise 2013 - und galt im internationalen Politikgeschäft anfangs als überfordert. Die Eurogruppe ist sehr daran interessiert, ihr Mitglied Griechenland in der Währungsunion zu halten.
Mario Draghi
Der italienische Wirtschaftswissenschaftler ist als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) eine der Schlüsselfiguren bei der Griechenland-Rettung. Draghi hat mehrmals verkündet, den Euro "mit allen Mitteln" zu retten. Kritiker werfen ihm daher vor, die Befugnisse der Notenbank überdehnt zu haben. Unter seiner Führung pumpte die Notenbank billiges Geld in das Bankensystem, schaffte die Zinsen im Euroraum quasi ab und schuf ein Kaufprogramm, um notfalls unbegrenzt Anleihen von Euro-Krisenstaaten zu erwerben. Zwar hatte die EZB im Februar beschlossen, künftig keine griechische Anleihen als Sicherheit für frisches Geld zu akzeptieren, den Banken des Landes werden aber weiterhin Nothilfen in zweistelliger Milliardenhöhe gewährt. An Draghi und der EZB wird die Lösung im Schuldenstreit nicht scheitern.
Christine Lagarde
Die Französin steht seit Juli 2011 an der Spitze des Internationalen Währungsfonds (IWF). Die Juristin erwarb sich während der Finanzmarkt- und Euro-Turbulenzen einen Ruf als umsichtige Krisenmanagerin. Ohne den IWF geht bei der Griechenland-Rettung nichts. Allein das aktuelle Hilfsprogramm ist 28 Milliarden Euro schwer. Allerdings gilt die Institution auch als besonders harter Brocken. Knapp 70 Staaten hat der IWF bereits aus der Pleitepatsche geholfen - zu einem hohen Preis. Kritiker bemängeln, dass die Hilfe immer zu großen sozialen Verwerfungen geführt haben. Im Fall Griechenlands räumte der Währungsfonds jüngst schwere Versäumnisse ein: Das erste Hilfsprogramm 2010, so das selbstkritische Urteil, habe das Vertrauen der Investoren nicht wiederhergestellt, auch sei die Wirtschaft noch viel tiefer in die Rezession gestürzt als erwartet, während die Arbeitslosigkeit in immense Höhen geschnellt seien.
Jean-Claude Juncker
Der EU-Kommissionspräsident bezeichnet sich als Freund von Alexis Tsipras, doch der Grieche stellt die Freundschaft immer wieder auf eine harte Probe. Nichtsdestotrotz versucht Juncker mit aller Macht, die EU und den Euro zusammenzuhalten und übernahm in den vergangenen Monaten die Vermittlerrolle. Ein Versuch, die Basis für eine Abmachung der Eurogruppe über das griechische Reformpaket zu legen, scheiterte aber. Als früherer Euroretter und Eurogruppenchef gilt Juncker als einer der wenigen, die bei der Griechenland-Rettung jedes Detail verstehen.