Griechenland-Krise Die Protagonisten des Machtkampfes in Athen

  • von Kai Beller
Die Vertrauensabstimmung hat Griechenlands Ministerpräsident Papandreou gewonnen. Doch was folgt? Das Machtgefüge - erklärt anhand der drei wichtigsten Personen.

Giorgos Papandreou hat es noch einmal geschafft. Sogar mit einer Stimme aus der Opposition überstand er in der Nacht die Vertrauensfrage im Parlament von Athen. Seine Regierung dürfte dennoch Geschichte sein. Gestärkt durch das Votum liegt es nun in seinem Interesse, eine Koalition unter Führung seiner Pasok-Partei zu zimmern - ohne vorgezogene Neuwahlen. Mit all seinen Abgeordneten hinter ihm dürfte ihm das leichter fallen als bei einem verlorenen Votum. Ministerpräsident wird er wohl dennoch nicht bleiben.

Oppositionsführer Antonis Samaras sieht die Lage anders und ließ sich über einen Sprecher zitieren: "Die einzige Lösung sind Neuwahlen."

Eine wichtige Rolle bei der künftigen Machtverteilung spielt auch der Finanzminister und innerparteiliche Rivale von Papandreou, Evangelos Venizelos.

Vieles deutet darauf hin, dass es zu einer Übergangsregierung und anschließend auch zu einer Neuwahl kommt. Sicher ist jedoch auch das nicht. Wir erklären die komplizierte Gemengelage und Konfliktlinien anhand der Hauptakteure.

Giorgos Papandreou

Giorgos Papandreou ist ein Premier auf Abruf: Er soll mit mehreren seiner Kritiker im eigenen Kabinett, die von Finanzminister Evangelos Venizelos angeführt werden, eine Vereinbarung zum Rücktritt getroffen haben, die laut Nachrichtenagentur Reuters wie folgt aussieht: Die Minister helfen ihm zunächst, die Verrauensabstimmung zu gewinnen. Danach soll der Ministerpräsident Platz für eine Koalitionsregierung mit der bisherigen Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) machen. Papandreou ließ verlauten, er hänge nicht an seinem Posten.

Der erste Teil der Verabredung scheint nach Plan verlaufen zu sein. Nun hängt es an Papandreou, wie er mit dem zweiten umgeht.

Der Rückhalt für Papandreou in seiner sozialistischen Pasok ist geschwunden: Der linke Flügel der Partei sträubt sich angesichts des breiten Bürgerprotests dagegen, den Sparkurs - Gegenleistung für das neue Hilfspaket - zu verschärfen. Seinen Vorschlag, das Volk über die Pläne abstimmen zu lassen, zog Papandreou zurück. "Wenn wir einen Konsens haben, brauchen wir kein Referendum", sagte er. "Ich bin auch zufrieden ohne Referendum. Es war nie Selbstzweck."

Der Premier soll im Kabinett eingeräumt haben, dass der Ruf nach einem Volksentscheid ein Fehler gewesen sei. "Venizelos sagte ihm, er müsse nun einen würdevollen Abtritt machen - um seiner selbst willen und seiner Partei willen", zitierte die Nachrichtenagentur Reuters einen Insider. Ein Minister, der an der Sitzung teilnahm, sagte demnach, eine Einigung mit der Nea Dimokratia sei schwierig, weil Samaras viele Bedingungen stelle.

Evangelos Venizelos

Evangelos Venizelos gehört wie Papandreou der Pasok an. Der Minister ist in der Partei schärfster Widersacher des Regierungschefs. Seit 2007 ringen die beiden Politiker in einem erbitterten Duell um die Führung in der Pasok. Offenbar um den Nebenbuhler einzubinden, machte Papandreou seinen Kontrahenten im Juni zum Kassenwart.

Diese Strategie hat sich inzwischen gerächt: Venizelos hat sich zum Anführer des Aufstands gegen den Ministerpräsidenten aufgeschwungen. Zunächst hatte er den Plan für das Referendum unterstützt, seine Meinung nach einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy aber geändert. Zahlreiche Minister und Abgeordnete der Sozialisten schlossen sich ihm an.

Venizelos nimmt den Machtkampf auch deshalb erneut auf, weil er durch die Schuldenkrise zuletzt fürchten musste, sich seine über Jahre hinweg aufgebaute Karriere zu ruinieren. Seit er das Finanzministerium übernommen hat, stürzten seine Beliebtheitswerte ab. Nun scheint sich das Blatt für den "Bulldozer", wie ihn viele Griechen wegen seiner massigen Statur und seiner Durchsetzungskraft nennen, gewendet zu haben. Venizelos schickt sich an, Papandreou in der Pasok zu entmachten. Im Visier hat er auch den Posten als Regierungschef für sich selbst.

Antonis Samaras

Seit dem Ausbruch der Schuldenkrise fährt der Chef der konservativen Nea Dimokratia einen knallharten Oppositionskurs. Zu sämtlichen Sparplänen der Regierung hat er Nein gesagt. Ein Angebot von Papandreou zur Bildung einer gemeinsamen Regierung schlug er im Frühjahr aus. Stattdessen fordert Antonis Samaras gebetsmühlenartig vorgezogene Neuwahlen als Ausweg aus der Krise.

Laut Umfragen könnte die ND aus einem Urnengang als stärkste Partei hervorgehen. Samaras würde Regierungschef, anstatt sich unter den gegenwärtigen Mehrheitsverhältnissen mit der Rolle des Juniorpartners begnügen zu müssen. Doch auf ein gutes Ergebnis wie früher, als sie noch auf einen Stimmenanteil von 40 Prozent und mehr kam, kann die ND nicht hoffen. Eine Umfrage sagte ihr jüngst knapp 22 Prozent voraus.

Samaras und seine Partei gelten vielen Griechen als Teil der politischen Klüngelwirtschaft, die für das Schuldendesaster mitverantwortlich ist. Es waren konservative Regierungschefs, die mit ihrer Ausgabenpolitik den Staatsapparat aufblähten und das Land damit tiefer in den Schuldensumpf trieben. Samaras war als Wirtschafts-, Außen- und Kulturminister Teil dieses Systems. Nach seiner Wahl zum Parteivorsitzenden 2009 trieb er die ND nach rechts. Als die frühere Außenministerin Dora Bakoyannis im Frühjahr 2010 für die Sparpläne der Regierung stimmte, wurde sie aus Fraktion und Partei ausgeschlossen. Insgesamt fünf Abgeordnete kündigten Samaras die Gefolgschaft.

Dass der konservative Hardliner nach einer Regierungsübernahme eine andere Politik als der Sozialist Papandreou betreiben würde, glauben in Griechenland nur wenige. Von Papandreous Referendumsankündigung zum Schwur gezwungen, erklärte sich Samaras zum ersten Mal bereit, das Hilfspaket der EU mitzutragen. Allerdings halten das viele für ein Lippenbekenntnis. Denn Samaras knüpft sein Ja an einen Rücktritt des Ministerpräsidenten.

FTD