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Wahl in Großbritannien Referendum? Bitte bald!

Rückt mit David Camerons Wahlsieg der EU-Austritt näher? Schon jetzt drängen viele Briten auf ein Referendum, im nächsten Jahr könnte abgestimmt werden. Zuletzt standen die Zeichen auf Annäherung.
Von Michael Streck

Am Abend der Wahl versammelten sich in der "London School of Economics" Professoren, Politik-Aficionados, Studenten und jede Menge Journalisten aus aller Welt zur "Election Night". Das hat gute Tradition. Spät in der Nacht sprach vor dem Auditorium der renommierte Europa-Experte Simon Hix. Er wunderte sich etwas über das allgemeine Entsetzen der kontinentaleuropäischen Medienvertreter und deren Unwohlsein wegen des bevorstehenden EU-Referendums.

In Wahrheit, referierte Hix, sei das Ergebnis aber mehr Befreiungsschlag als Bedrohung.

Tollpatschig gegen Jean-Claude Juncker

So kann man das in der Tat sehen. David Cameron ist ein erklärter EU-Freund. Angela Merkel, seine Vertraute, weiß das. Viele Europäer wissen das nicht. Sie erinnern sich an den vergangenen Sommer und Camerons tolpatschigen Versuch, Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionschef zu verhindern. Es endete für den Premier mit einer furiosen 2:26-Abstimmungsniederlage, die auf der Insel vom "Daily Telegraph" allerdings flott umgedeutet wurde in einen "triumphalen 2:26-Sieg".

Cameron, so die allgemeine Lesart, habe sich heldenhaft gegen den Unvermeidlichen gewehrt. Das Ganze spielte damals schon vor der Kulisse des Wahlkampfs und war zu einem guten Stück politisches Schaulaufen.

Provinzielle Nabelschau

Seitdem sind einige Monate vergangen, und die Rhetorik hat sich auf beiden Seiten des Kanals beruhigt. Von einem "treaty change", dem Umschreiben bestehenden EU-Rechts spricht in London offiziell niemand mehr. Vielmehr kam der prinzipiell eher europaskeptische Außenminister Philip Hammond im Herbst einigermaßen beglückt von einer Festlandreise zurück und sah auf dem Kontinent viel Zustimmung für britische Positionen. Tatsächlich sind sich Briten und auch Deutsche in vielen Bereichen einer vorsichtigen EU-Reform viel näher als es zuweilen scheint.

Im Wahlkampf dann spielte Europa bei Tories und Labour keine große Rolle. Bewusst nicht. Der Wahlkampf war ohnehin merkwürdig innengewandt und eine Nabelschau. Man könnte auch sagen: er war ein bisschen provinziell. Und spiegelte, dass Großbritannien – entgegen der eigenen Wahrnehmung - auf der internationalen Bühne keine Hauptrolle mehr spielt.

EU-Referendum vor 2017 möglich

Das Thema Europa wird nun schnell wieder Fahrt aufnehmen. Kaum war am Donnerstag die Hochrechnung raus, druckte der "Daily Express" auf der Titelseite die Schlagzeile "Now give us a vote on EU", "nun lass uns über die EU abstimmen".

Das Referendum wird kommen. Und zwar eher früher als später und gewiss vor Juli 2017, wenn Großbritannien turnusmäßig die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Zwei Jahre mag niemand auf die Abstimmung warten. Weder auf der Insel noch auf dem Kontinent. Je schneller, desto besser. Viel deutet bereits auf ein Referendum im kommenden Jahr hin.

Heute würden die Briten im Übrigen mehrheitlich für den Verbleib in der EU stimmen, wie Umfragen ergeben haben. Das ist die eine Wahrheit. Die andere ist: Was von Umfragen zu halten ist, haben wir Donnerstag erst erfahren.

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