Kaum ein Wort befeuert die Corona-Debatte in Deutschland so sehr wie die Impfpflicht. Jede Woche gehen in mehreren deutschen Städten tausende Menschen gegen die drohende Pflicht auf die Straße. In aktuellen Umfragen spricht sich hingegen eine deutliche Mehrheit für eine allgemeine Corona-Impfpflicht aus.
Auch in der Bundesregierung ist man sich nicht einig. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat eine Impfpflicht "bis Anfang Februar, Anfang März" anvisiert. Gleichzeitig rücken beim Koalitionspartner FDP immer mehr von der Idee ab. Viele Liberale stellen sich angesichts der hochansteckenden Omikron-Variante, die mutmaßlich aber weniger gefährlich ist, die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Für Gesundheitsminister Karl Lauterbach steht jedoch fest, dass Deutschland nur mit einer Impfpflicht eine angemessene Impfquote erreichen kann – aktuell liegt diese bei rund 73 Prozent.
Ein Blick ins Ausland zeigt, dass auch andere Länder den Pflicht-Weg einschlagen, wie beispielsweise Indonesien und Turkmenistan. Als erstes EU-Land plant Österreich die Einführung für Februar. Andere Staaten wie Frankreich, Italien oder Griechenland setzen hingegen auf eine Teil-Impfpflicht. Ein Überblick.
Hier gilt bereits die allgemeine Impfpflicht
Indonesien ist bisher das bevölkerungsreichste Land, indem eine allgemeine Corona-Impfpflicht gilt. Die Präsidialrepublik mit rund 273 Millionen Einwohnern hat im Februar 2021 eine Impfpflicht für alle Bürger ab 18 Jahren eingeführt. Doch wegen logistischer Probleme und Impfstoffknappheit liegt die Impfquote in dem Inselstaat gerade einmal bei fast 43 Prozent. Trotzdem gilt: Wer sich nicht impfen lässt, dem drohen Geldstrafen und gekürzte Sozialleistungen.
In der abgeschotteten Diktatur Turkmenistan,wo es nach offiziellen Zahlen bislang keinen einzigen Coronafall gibt, ist die Lage nicht viel besser. Die autokratische Regierung hat hier im Juli vergangenen Jahres eine Impfpflicht für alle Menschen über 18 Jahre eingeführt hat. Nach WHO-Angaben waren bis Dezember aber erst 53 Prozent der Bevölkerung geimpft. Ungeimpften drohen Kündigungen und Geldstrafen.
Seit Februar letzten Jahres gilt im Vatikan eine Impfpflicht für die rund 800 Einwohner und alle Angestellten. Der Kirchenstaat ist ein besonderer Fall: Was der Papst sagt, ist de facto Gesetz. Papst Franziskus, ein überzeugter "Pro Vax", sprach in einer Videobotschaft vom Impfen als einen "Akt der Liebe" – Liebe zu sich selbst und vor allem Liebe zum Nächsten. Für die Angestellten kommt der päpstliche Appell daher quasi einer Impfpflicht gleich.
Eine allgemeine Corona-Impfpflicht ab 18 gilt außerdem in dem zentralasiatischen Land Tadschikistan sowie im Inselstaat Mikronesien im westlichen Teil des Pazifischen Ozeans. Auch in Ecuador ist eine Impfpflicht für alle ab fünf Jahren geplant. Wann diese eingeführt wird, ist jedoch unklar.
Österreich will als erstes EU-Land Vorreiter werden
Als erstes Land in der EU plant Österreich am 1. Februar die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ab 18 Jahren. Wer bis dahin nicht geimpft ist, wird Mitte Februar per Brief an die Pflicht erinnert. Einen Monat später werden 600 Euro Bußgeld fällig, danach können sogar bis zu 3600 Euro drohen, so der Plan. Das Gesetz gilt für alle Menschen mit Wohnsitz in Österreich. Ausnahmen sind nur für Schwangere und Menschen vorgesehen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Genesene sollen für 180 Tage von der Pflicht entbunden sein.
An diesem Donnerstag soll nun der Nationalrat über den Gesetzesentwurf abstimmen, eine Mehrheit gilt als sicher: Von den Oppositionsparteien lehnt nur die FPÖ das Vorhaben ab. Zeitlich könnte sich der Start der Impfpflicht allerdings noch nach hinten verschieben, da die Verwaltung des Impfregisters mit Millionen Daten kompliziert ist und der Aufwand für die Behörden als immens gilt.
Andere Länder setzen auf Teil-Impfpflicht
Mehrere andere Länder haben stattdessen bereits eine Teil-Impfpflicht beschlossen. Im Gegensatz zur allgemeinen Impfpflicht umfasst diese nur bestimmte Alters- oder Berufsgruppen.
So gilt beispielsweise in Frankreich seit Mitte September eine Corona-Impfpflicht für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Krankenhäusern, Alten- oder Pflegeheimen, Pflegediensten, Rettungsdiensten, Polizei, ÖPNV und Feuerwehr. Wer sich nicht an die Regel hält, wird ohne Gehalt freigestellt. Von Mitte Januar an soll auch ein negativer Test nicht mehr ausreichen, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Zugang zu Gastronomie, Bars, Kinos und Co. will die französische Regierung nur noch Geimpften gewähren. Ausgenommen sind Kinder unter zwölf Jahren, der Genesenen-Status ist noch nicht abschließend geklärt.
In Italien sind seit dem 8. Januar alle über 50-Jährigen zu einer Impfung verpflichtet. Wer sich bis Anfang Februar noch nicht mindestens einmal hat impfen lassen, dem droht ein Bußgeld in Höhe von 100 Euro. Der Appell scheint zu wirken: Seither nimmt die Anzahl der Erstimpfungen in der Altersgruppe stark zu. Zudem gibt es eine Impfpflicht im Gesundheitswesen, im Bildungsbereich, bei der Polizei sowie beim Militär. Für alle anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gilt seit Oktober vergangenen Jahres außerdem der "Green Pass": Wer zur Arbeit will, muss einen Nachweis über eine Impfung, Genesung oder negative Testung vorlegen.
Seit diesem Montag ist in Griechenland eine Impfpflicht für Personen über 60 Jahren in Kraft. Bereits seit Mitte August gilt zudem eine Impfpflicht für das Personal von Altersheimen und seit September für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen. Wer sich nicht an die Regeln hält, wird ohne Gehalt freigestellt.
Deutschland geht einen Sonderweg
Der Blick über die Grenzen zeigt, dass alle Staaten, die bislang eine Impfpflicht eingeführt oder angekündigt haben, mit direkten Beschlüssen vorgegangen sind. Egal ob in Indonesien oder Österreich, die Gesetze kamen direkt von der Regierung.
Im Gegensatz dazu setzt die deutsche Bundesregierung auf eine Mehrheit im Parlament. Nach dem Willen von Kanzler Scholz und der Ampel-Koalition soll das Gesetz aus der Mitte des Parlamentes heraus erarbeitet und anschließend ohne Fraktionszwang zur Abstimmung gestellt werden. Die Sozialdemokraten planen dazu Ende Januar einen ersten konkreten Vorschlag, die Grünen wollen hingegen keinen eigenen Antrag stellen. Aus der FDP gibt es bisher nur einen Antrag des Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Kubicki, in dem eine Impfpflicht abgelehnt wird.
Fest steht bislang also nur, dass ab dem 15. März eine Impfpflicht für Personal im medizinischen und pflegerischen Bereich gelten soll. Die Debatte über eine allgemeine Corona-Impfpflicht dauert hingegen weiter an.
Quellen: "Süddeutsche Zeitung", "Business Insider", mit DPA-Material