Irak "Good will"-Aktion der US-Streitkräfte

Im Irak sind die Verhandlungen der Volksgruppen über eine neue Verfassung gescheitert, doch der Machtpoker geht weiter: Mit der Freilassung von 1000 Gefangenen aus dem berüchtigten Gefängnis Abu Ghreib soll die sunnitische Minderheit milde gestimmt werden.

Die US-Streitkräfte im Irak lassen nach eigenen Angaben vom Samstag etwa 1000 Gefangene aus dem berüchtigten Gefängnis Abu Ghreib bei Bagdad frei. Die bisher umfangreichste Freilassungsaktion habe am Mittwoch begonnen. Die Auswahl sei von einer irakisch-amerikanischen Kommission getroffen worden und umfasse Häftlinge, denen keine schweren Verbrechen wie Bombenanschläge, Folter, Mord oder Geiselnahmen zur Last gelegt würden. Das US-Militärgefängnis war im vergangenen Jahr nach Berichten über die Erniedrigung und Misshandlung irakischer Gefangener durch amerikanisches Wachpersonal zum Skandalfall geworden. Es wird berichtet, dass Sunniten die Entlassungen im Zusammenhang mit dem Verfassungsstreit gefordert hätten.

Die schiitischen und kurdischen Unterhändler einigten sich zwar auf einen Entwurf, den sie am (morgigen) Sonntag dem Parlament vorlegen wollten, die Sunniten protestierten jedoch. Sie forderten ihre Anhänger auf, beim geplanten Referendum am 15. Oktober gegen die Verfassung zu stimmen. Parlamentspräsident Hadschim al Hassani sagte am Samstag, die Schiiten und Kurden seien auf Forderungen der Sunniten eingegangen. Die Schiiten hatten nach einer persönlichen Intervention von US-Präsident George W. Bush einen letzten Kompromissvorschlag vorgelegt. Bush hatte den schiitischen Unterhändler Abdul Asis al Hakim in einem Telefonat zu Zugeständnissen an die Sunniten gedrängt. Regierungssprecher Laith Kubba deutete aber bereits an an, dass die Verhandlungen hoffnungslos festgefahren waren. "Dies ist das Ende des Weges", sagte er im Sender Al Arabija.

Der schiitische Vorsitzende des Verfassungskonvents, Scheich Hamam Hammudi, erklärte, man wolle vor dem Referendum fünf Millionen Exemplare des Entwurfs in der Bevölkerung verteilen. Schiiten und Kurden stellen 80 Prozent der irakischen Bevölkerung und setzen offenbar darauf, die Verfassung in der Volksbefragung durchsetzen zu können. Sollten jedoch zwei Drittel der Wähler in insgesamt drei der 18 Provinzen das Dokument ablehnen, kann es nicht in Kraft treten. Die Sunniten sind in mindestens vier Provinzen in der Mehrheit.

Freigekommene meistens Sunniten

Auf Druck der irakischen Regierung entließen die US-Streitkräfte fast 1.000 Gefangene aus dem Gefängnis Abu Ghreib bei Bagdad. Die US-Streitkräfte erklärten am Samstag, die freigelassenen Gefangenen hätten sich nicht schwerer Straftaten schuldig gemacht, jeder Gewalt abgeschworen und "gelobt, gute Bürger eines demokratischen Iraks zu sein". Ihre Entlassung sei ein bedeutendes Ereignis auf dem Weg zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Vertreter der sunnitischen Minderheit hatten gefordert, tausende Häftlinge zu entlassen, die seit Monaten ohne Anklage in dem Gefängnis einsitzen. Der sunnitische Unterhändler im Verfassungskonvent, Saleh al Mutlak, hatte am Donnerstag nach einem Treffen mit Staatspräsident Dschalal Talabani, gesagt, hunderte Gefangene sollten vor dem für den 15. Oktober geplanten Referendum über die Verfassung freigelassen werden. Bei den meisten handele es sich um Sunniten.

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