Irak Köpfung vor laufender Kamera

Im Irak haben Extremisten einen entführten Amerikaner vor laufender Kamera enthauptet. Bilder davon sind auf einer El Kaida nahe stehenden Website zu sehen. Die Ermordung sei die Rache für die Folterungen irakischer Gefangener durch US-Militärs.

Die Nachricht von der Enthauptung eines Amerikaners hat in den USA Entsetzen ausgelöst. Die Bluttat und ihre Schaustellung im Internet habe den Senat in einen Schock versetzt, sagte Senator John Warner am Dienstag in Washington. Damit bestätige sich die Sorge, dass die Misshandlung von Häftlingen in amerikanischer Haft zu Racheakten führen könnte. Mitglieder einer extremistischen Gruppe bezeichneten die Enthauptung als Vergeltung für die Misshandlung gefangener Iraker.

Familie wirft US-Regierung Mitschuld vor

Die US-Regierung kündigte die unnachgiebige Verfolgung der Täter an. "Mit unseren Gedanken und Gebeten sind wir bei der Familie" des Opfers, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan. Diese warf den US-Streitkräften und der Regierung von Präsident George W. Bush jedoch vor, eine Mitschuld am Tod des 26-jährigen Nick Berg zu tragen. Dessen Vater Michael Berg sagte am Dienstag, sein Sohn hätte längst wieder in den USA sein können, wenn er nicht an einer Kontrollstelle in Mossul von irakischen Polizisten festgenommen und dann 13 Tage in US-Gewahrsam gewesen wäre. Erst nach einer Klage der Familie vor einem Gericht in Pennsylvania wurde Berg am 6. April freigelassen.

Zuletzt hörte die Familie am 9. April von ihrem Sohn, der als Geschäftsmann in Irak war und dort Antennenanlagen reparierte. Nick Berg sagte damals, er werde über Jordanien in die USA zurückkehren. Am vergangenen Samstag wurde seine enthauptete Leiche an einer Landstraße bei Bagdad gefunden. Die Familie war bereits davon unterrichtet, als am Dienstag Bilder von der Enthauptung auf einer Web-Site islamischer Extremisten gezeigt wurden. Für den Tod soll eine Gruppe verantwortlich sein, die dem Terrornetz El Kaida nahe steht.

"Kein Respekt vor dem Leben"

Diese Bilder zeigten die wahre Natur der Feinde der Freiheit, sagte Regierungssprecher McClellan. "Sie haben keinen Respekt vor dem Leben unschuldiger Männer, Frauen und Kinder", erklärte er in Little Rock am Rande eines Wahlkampfauftritts von Bush.

Der US-Sender CNN berichtete unter Berufung auf Regierungsquellen es gebe noch 200 bis 300 weitere Fotos und Videoclips, die Misshandlungen durch US-Soldaten zeigten. Nach der Hinrichtung eines US-Bürgers im Irak durch Islamisten werde befürchtet, dass eine Veröffentlichung neuer Bilder von Misshandlungen weitere Übergriffe auf Amerikaner zur Folge haben könnte.

Fotos sollen unter Verschluss gehalten werden

Die US-Regierung will die zuletzt aufgetauchten Dokumente über die Misshandlung irakischer Häftlinge unter Verschluss halten. Eine Veröffentlichung würde nur die Sensationsgier der Medien bedienen, sagte Vizepräsident Dick Cheney am Dienstag in Washington. Für den Senat wurde eine Regelung getroffen, die es den Abgeordneten erlaubt, die Fotos und Filmaufnahmen am Mittwoch drei Stunden lang in einem abgeschlossenen Raum im Kapitol einzusehen.

Die Regelung sieht vor, dass die Senatoren keine Kopien des Materials anfertigen dürfen, wie der Vorsitzende des Streitkräfteausschusses, John Warner, mitteilte. Anschließend gehen die Dokumente wieder an das Verteidigungsministerium zurück. Sie wurden am Montag auch US-Präsident George W. Bush gezeigt, der danach Abscheu über die Vorfälle äußerte. Cheney sagte, bei der Entscheidung über eine Veröffentlichung neuer Fotos müsse auch die Sicherheit der Soldaten in Irak berücksichtigt werden. Einen endgültigen Beschluss hat das Weiße Haus aber noch nicht gefasst.

Zum Abschluss einer eintägigen Anhörung in der Folteraffäre, die Ende April durch Medienberichte bekannt wurde, sagte Warner, einige der Fotos mit Misshandlungen seien den Familien von Gefangenen gezeigt worden, um diese unter Druck zu setzen. Dazu habe auch ein Foto gehört, das einen Gefangenen zeigt, dem Damenunterwäsche über den Kopf gezogen war. Ziel sei es gewesen, die Häftlinge zur Enthüllung von Informationen zu veranlassen, sagte Warner. Bei den Beratungen im Senat lag den Abgeordneten der 6.000 Seiten umfassende Bericht des Generalmajors Antonio Tabuga vor. Darin werden zahlreiche "sadistische, abscheuliche und mutwillig kriminelle Missbräuche" im Gefängnis von Abu Ghraib bei Bagdad festgestellt.

Meinungsverschiedenheiten über die letzte Verantwortung

In der Anhörung des Senats wurde deutlich, dass es erhebliche Meinungsverschiedenheiten über die letzte Verantwortung für die Zustände in Abu Ghraib gibt. Nach Angaben Tagubas hatte der militärische Geheimdienst der USA auch die Aufsicht über die Militärpolizisten, die mit der Häftlingsaufsicht beauftragt waren. Der Staatssekretär für Geheimdienstfragen im US-Verteidigungsministerium, Stephen Cambone, bezeichnete dies jedoch als unrichtig. Die Verantwortung für die Behandlung der Häftlinge sei allein bei der Militärpolizei geblieben. Mehrere der sieben bislang angeklagten Aufseher in Abu Ghraib haben angegeben, dass sie der Auffassung gewesen seien, Anweisungen von Mitarbeitern des Militärgeheimdienstes auszuführen, die Gefangenen vor Verhören gefügig zu machen.

Der Senator Carl Levin befragte Taguba, ob er die Auffassung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) teile, wonach die Misshandlungen Teil einer systematischen Praxis gewesen seien. "Ja", antwortete der General, "gemessen an den Beweismitteln, die uns vorgelegt wurden und was wir zusammengetragen und geprüft haben." Die noch andauernden Ermittlungen ergaben nach Angaben Tagubas bisher, dass sieben Militärpolizisten und bis zu 17 ihrer Vorgesetzten direkt oder indirekt an den Misshandlungen beteiligt waren.

Unterdessen will der US-Fernsehsender CBS am Mittwochabend (Ortszeit) von US-Soldaten aufgenommene Videoaufnahmen aus Gefangenenlager im Irak zeigen. Das Video belege chaotische Zustände im Gefängnis von Abu Ghreib und in Camp Bucca im Südirak, hieß es am Dienstag in einem Vorabbericht. Die Soldaten seien mit den Tausenden von Gefangenen völlig überfordert gewesen. Ständig habe es Ausbruchsversuche und Aufstände gegeben, doch die höheren Befehlshaber hätten die Zustände nach Angaben der Soldaten ignoriert.

Rumsfeld verwehrt sich gegen Vertuschungsvorwürfe

US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat Vorwürfe aus den Reihen der Opposition zurückgewiesen, sein Ministerium habe im Zusammenhang mit der Misshandlungsaffäre im Irak Vertuschung betrieben.

Rumsfeld sagte am Dienstag vor Mitarbeitern im Verteidigungsministerium in Washington, das Militär und nicht die Medien hätten die Missbrauchsfälle aufgedeckt. Wer daher von einer Kultur der Einschüchterung und des Verschleierns rede, müsse extrem vorsichtig mit solchen Anschuldigungen sein, fügte er warnend hinzu. Im Zuge der Affäre waren gegen Rumsfeld Rücktrittsforderungen von oppositionellen Demokraten erhoben worden. Sie warfen dem Minister vor, den Kongress und den US-Präsidenten zu spät über die Misshandlungsfälle im Irak informiert zu haben. Die demokratische Fraktionschefin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, hatte Rumsfeld vorgeworfen, er habe von Anfang an versucht, die Sache zu vertuschen.

Rumsfeld, einer der Chef-Strategen des Irak-Krieges, hatte sich zu seiner Verantwortung für die Vorfälle bekannt, einen Rücktritt mit Unterstützung von Präsident George W. Bush aber abgelehnt. In der Presse erschienene Fotos von Misshandlungen irakischer Gefangener in dem von den USA geführten Gefängnis Abu Ghraib bei Bagdad hatten die Affäre ins Rollen gebracht und weltweit Empörung ausgelöst.

El Sadr macht US-Truppen Angebot

Die radikalen Schiiten im Süden Iraks haben den USA ein Ende ihres Aufstands angeboten, dies aber von mehreren Bedingungen abhängig gemacht. So müssten sich die US-Truppen aus Nadschaf und der Nachbarstadt Kufa zurückziehen und die Fahndung nach Schiitenführer Muktada el Sadr einstellen. Im Gegenzug würde dessen Miliz El Mahdi die Waffen niederlagen.

Das Angebot ist das Ergebnis einer Versammlung von 40 Stammesführern in Nadschaf. Bevor der Vorschlag den USA offiziell vorgelegt wird, sollen noch die Geistlichen in Nadschaf darüber befinden, wie ein führender Berater El Sadrs, Kais el Chasali, mitteilte. El Sadr hat sich seit Anfang April in Nadschaf verschanzt. Die US-Behörden haben wegen eines Attentats auf einen gemäßigten schiitischen Geistlichen in Nadschaf im April 2003 einen Haftbefehl gegen ihn erlassen.

Im nördlich von Nadschaf gelegenen Kerbela kam es am Mittwoch zu heftigen Kämpfe zwischen der Miliz El Sadrs und US-Truppen. Ein Schwerpunkt der Kämpfe war nach Berichten von Augenzeugen die Muchaijam-Moschee, die den Anhängern El Sadrs als Stützpunkt dient.

Saddam Hussein soll Ende Juni übergeben werden

Ex-Diktator Saddam Hussein soll vor der Übergabe der Macht an die Iraker Ende Juni der Bagdader Justiz übergeben werden. Das berichtet der arabische Sender El Dschasira. Auch rund hundert weitere frühere Funktionäre des gestürzten Regimes sollten übergeben werden, heißt es. Saddam wird von der US-Armee an einem unbekannten Ort gefangen gehalten. Wann der Prozess gegen ihn beginnen soll, ist noch offen. Unklar ist auch, ob das Verfahren gegen Saddam der erste Prozess sein wird.

Außenminister Joschka Fischer beendet heute seinen USA-Besuch. Er trifft mit Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice zusammen. Bei dem Gespräch im Weißen Haus in Washington wird es erneut um die Lage im Irak gehen. Gegenüber Außenminister Colin Powell hatte Fischer bereits klare Konsequenzen aus dem Folterskandal im Irak gefordert. Freunde und Verbündete Amerikas seien bestürzt über die Berichte von Misshandlungen irakischer Soldaten, so Fischer nach dem Treffen.

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